Prestigeprojekt Heiderhof Großsiedlung der 60er Jahre ist bis ins Detail durchdacht

HEIDERHOF · Schnörkellos ist der Baustil der 60er und 70er Jahre. Große Flächen, einfache Formen und Schlichtheit kennzeichnen die Bauwerke. "Die Großsiedlung auf dem Heiderhof spiegelt genau das wieder", sagte Kunsthistoriker Martin Bredenbeck. Am Wochenende führte er durch die Wohnanlage und durchleuchtete die Architektur der Betonbauten, die noch heute gut erhalten sind.

 Für eine andere Sichtweise auf die schlichten Bauten des Heiderhofs sorgt Martin Bredenbeck. Selbst mit klotzigem Beton schafften die Stadtplaner nette Details: Betonzäune und -bänke können heute eine Grundreinigung gebrauchen. Stilistisch für die Gebäude sind Symmetrie und freie Flächen. Bungalows sind mit Backstein verziert.

Für eine andere Sichtweise auf die schlichten Bauten des Heiderhofs sorgt Martin Bredenbeck. Selbst mit klotzigem Beton schafften die Stadtplaner nette Details: Betonzäune und -bänke können heute eine Grundreinigung gebrauchen. Stilistisch für die Gebäude sind Symmetrie und freie Flächen. Bungalows sind mit Backstein verziert.

Foto: Nicolas Ottersbach

"Eigentlich ist das hier alles aus der Not entstanden", erklärte Bredenbeck. Nachdem Bonn Bundeshauptstadt geworden war, musste stetig neuer Wohnraum geschaffen werden, vor allem, um die Bundesbediensteten unterzubringen. Zu Beginn der 60er Jahre stand fest, dass Bonn auch für längere Zeit politisches Zentrum bleiben sollte.

1964 folgte der Spatenstich für die Siedlung, 1965 zogen die ersten Bewohner ein. Bis in die 70er Jahre wuchs das Areal auf seine heutige Größe. "Dass jede Siedlung der Nachkriegszeit Ghettocharakter hat, stimmt nicht", räumte Bredenbeck mit Vorurteilen auf.

Der Heiderhof sei dafür ein Musterbeispiel. Damals habe die Großsiedlung als Prestigeprojekt des Bundes gegolten. "Das ist eine Grünanlage, in der man wohnen kann", so Bredenbeck. Als Vorbild galt beispielsweise das Berliner Hansaviertel. Wie ähnlich sich die beiden Siedlungen seien, erkenne man von der anderen Rheinseite aus.

Wie in Berlin ragen auf dem Heiderhof nur die Hochhäuser aus dem Grünen, so Bredenbeck. Die Infrastruktur werde nach Innen immer feiner. Kommen Autos auf der Ringstraße noch problemlos durch, seien die Wege im Kern Fußgängern und Radfahrern vorbehalten. "Das sorgt für eine ruhige Lage, macht es für Fremde aber zu einem unglaublichen Irrgarten", sagte Bredenbeck. Dort, wo die Wege zusammentreffen, gibt es Rundbänke und Platz zum Treffen. "Das zeigt, dass das Konzept durchdacht war."

Stilistisch seien die Häuser an die 20er Jahre angelehnt. Selbst wenn alles sehr einfach wirke, sei nichts "hingeklotzt". Die typischen Beton- und Putzfassaden der Hochhäuser sind mit kleinen Fenstern gespickt. Die Traufkante aus Schieferimitat ist keine Zier: "Die Flachdachkonstruktion funktionierte schon in den 20er Jahren nicht, 40 Jahre später hatte man noch immer Probleme, das Wasser vom Dach zu kriegen", sagte Bredenbeck.

Beliebt waren die flachen Bungalows. Dass die Architekten trotz der Schlichtheit verspielt waren, erkenne man an Details: Kleine Stelenlampen am Hauseingang, viel weiter als nötig vorragende Überdachungen, Wege mit Steinintarsien und Backsteinfassaden. Die kleinen Häuschen gab es auch mit Spitzdächern, Ziergittern vor den Fenstern und weißen Zäunen im Vorgarten.

Worunter die Siedlung am Heiderhof leide, sei mangelnde Pflege, meinte Bredenbeck. Betonoberflächen müssten gereinigt und Beete frisch bepflanzt werden. Wie die Anlage veränderten sich auch die Gebäude. "Bewohner sehnen sich nach Individualität und gestalten ihre Häuser um", so Bredenbeck. Dadurch liefen die Siedlungen auseinander, wenn sich plötzlich alte und neue Haustüren gegenüberstünden. Sanierungen machten den alten Charme kaputt. "Da werden dann Styroporplatten auf die Fassade geklatscht."

"Es ist wirklich interessant, die Wohnsiedlung mal aus kunsthistorischer Sicht kennenzulernen", sagte Gisela Heimer am Ende der knapp zweistündigen Führung. Obwohl sie schon seit mehr als 40 Jahren auf dem Heiderhof lebe, habe sie die vielen Details nie so richtig wahrgenommen. "Ich gehe jeden Tag hier spazieren, aufgefallen ist mir nie, was dahintersteckt."

Stadtlandschaft mit Vorbildcharakter

Zu Beginn der 1960er Jahre zeichnete sich ab, dass Bonns Status als Hauptstadt von dauerhafter Natur sein würde. In der Folge entstand in den Vororten eine Reihe von Großsiedlungen, die der akuten Wohnungsnot abhelfen sollten. Auf dem Heiderhof, der bis zu dieser Zeit noch von Wald und Landwirtschaft geprägt war, wurde eine Trabantenstadt geplant, die als Stadtlandschaft Vorbildcharakter haben sollte. Die damaligen städtebaulichen Ideale als Mischung unterschiedlicher Bauformen, eingebettet in eine organische, durchgrünte Gesamtanlage mit Stadtteilzentrum, sind gut zu erkennen. Viele der ursprünglichen Bewohner leben auch heute noch dort, das Durchschnittsalter der rund 5000 Menschen liegt bei etwa 50 Jahren.

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