Geplante Fällungen in Godesberg "In der Stadt haben alle Bäume Stress"

BAD GODESBERG · Diese Bäume haben Charakter, sie machen die Augustastraße zu einer sehenswerten Allee: die knorrigen, verdreht wirkenden Robinien. Wenn es aber nach der Stadt geht, werden sie nicht mehr lange dort stehen. Insgesamt möchte die Verwaltung in Bad Godesberg nämlich mehr als 100 Alleebäume fällen lassen - egal ob sie gesund sind oder nicht. Nachpflanzungen sollen dann die leeren Baumscheiben wieder füllen.

Auch dem Laien fällt auf, dass viele dieser Bäume an der Augustastraße nicht mehr gesund aussehen. Kein Wunder, meint Bernhard Arnold vom Naturschutzbund (Nabu) Bonn: "Für Robinien sind die schon alt." Auch andere Bäume im Stadtgebiet Bad Godesberg sollen gefällt werden, vor allem aus Krankheitsgründen.

Die Ursachen dafür können vielfältig sein. Schädlingsbefall ist oft nicht nachzuweisen, ohne den Baum zu fällen. Insekten und Läuse machen sich auf den Blättern breit. Bakterien können Auswüchse hervorrufen, Fremdbewuchs etwa durch Efeu kann dem Baum schaden und so weiter.

Anhand der Robinien lassen sich aber einige markante Ursachen und Reaktionen des Baumes ausmachen. Denn: "Bäume teilen über ihre Körpersprache vieles mit", so der Diplombiologe Arnold, der Baumgutachten und Beratung anbietet.

Erste Problemstelle: die Wurzeln. Sie nehmen mit dem Wasser Nährstoffe aus dem Boden auf und dienen der Stabilisierung des Baumes. Sie sind laut Arnold bei Baggerarbeiten an den Straßen oft im Weg und werden einfach gekürzt. "Dadurch gehen die Haltewurzeln verloren." Der Wurzelstock beginnt zu faulen, neu ausgebildete Wurzelstränge bieten keinen Halt mehr, das Umkipprisiko steigt. Zudem wird der Baum durch die gekappte Nährstoffleitung zunächst unterversorgt. Wenn sich dann noch Pilze ansiedeln, ist es schlecht um den Baum bestellt.

Pilze können auch an Stamm und Ästen wachsen, nicht alle sind laut Arnold grundsätzlich schädlich. Sie bauen den inneren Holzkörper ab, der aber aus Totholz besteht. Das stabilisierende Holz werde ohnehin nach außen hin gebildet, jedes Jahr komme eine Schicht hinzu.

"Ein Rohr ist bis zu einem gewissen Punkt auch eine stabile Konstruktion." Pilze wie der Schwefelporling, der sich unter anderem gerne die Robinie aussucht, seien aber ein Problem: Vor allem dieser Pilz bring die Braunfäule mit sich. "Dadurch merkt der Baum die Fäule nicht."

Entsprechend finde keine Gestaltoptimierung statt. An der Augustastraße sieht man daneben auch den Tropfenden Schillerporling, allerdings nicht an der Robinie, sondern an der Schwedischen Mehlbeere. "Er frisst das leitende Holz." Dadurch werde die Nährstoffversorgung unterbrochen. Beide Pilze hinterlassen Spuren an der Kronenperipherie in Form kahler Äste und Zweige.

Am Stamm können sich auch Verwachsungen bilden, die nach Aussage des Fachmanns ungefährlich sind. Man bezeichnet sie auch als Maserkropf. Überhaupt sehen die Stämme der Robinien an der Augustastraße seltsam aus, verdreht, mit vielen Einbuchtungen - eine Wachstumserscheinung im Alter, so Arnold.

In den Einbuchtungen wächst natürlich auch Rinde und Borke. Durch den verdrehten Wuchs könne es aber passieren, dass die Borke im Stammholz eingeschlossen wird. Das werde zum Problem, wenn die Bäume von innen zu faulen beginnen: Wenn die Fäule die eingewachsene Rinde erreicht und das Dickenwachstum drum herum geschieht, könne wiederum die Stabilität gefährdet sein.

Der Baumgutachter schätzt die Situation bei den Robinien noch nicht so dramatisch ein, aber irgendwann müssten sie doch weg. Deshalb könne er das Vorhaben der Stadt verstehen. "In der Stadt haben alle Bäume Stress." Er schlägt vor, exotische Bäume aus mehr oder weniger gemäßigten Zonen, wie den Zirbelbaum und die Ungarische Eiche, zu pflanzen: Die seien ohnehin härtere Bedingungen gewohnt und kämen möglicherweise auch in der Stadt und der Klimaerwärmung besser klar. Es seien auch entsprechende Versuche im Gange.

Bürgerbefragung

Die Bürger sollen unbedingt angehört werden, bevor die Verwaltung ihre Fäll- und Pflanzaktion durchführt: Das hatten die Grünen in der jüngsten Sitzung der Bezirksvertretung gefordert. Nun haben sich die Liberalen diesem Vorschlag angeschlossen. Es sei zwingend notwendig, "dass alle Großfällungen dieser Art zuvor zwingend mit den betroffenen Anliegern vor dem beabsichtigten Kahlschlag diskutiert werden müssen, um Schock- und Protestsituationen zu vermeiden", so Fraktionsvorsitzender Ulrich Hauschild. Den Bürgern sollten bei städtischen Versammlungen die Gründe für die Massenfällung erfahren.

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