Interview mit Jan Börner "Man darf nicht ungeduldig sein"

BONN · GA-INTERVIEW: Jan Börner, ein Bonner Agrarwissenschaftler, spricht über die Bedeutung des Regenwalds und dessen nachhaltige Nutzung.

 Naturschutz und Landwirtschaft müssen kein Gegensatz sein, sagt Jan Börner.

Naturschutz und Landwirtschaft müssen kein Gegensatz sein, sagt Jan Börner.

Foto: ZEF

Im Zentrum für Entwicklungsforschung der Universität Bonn (ZEF) forscht Jan Börner darüber, wie Brasiliens Regenwälder nachhaltig bewirtschaftet werden können. Mit dem Robert-Bosch-Juniorprofessor sprach Ebba Hagenberg-Miliu.

Beim Weltklimagipfel in New York wurde ein schrittweiser Stopp der Entwaldung bis 2030 vereinbart. Warum ist gerade das waldreiche Brasilien ausgeschert?
Jan Börner: Es ist natürlich schade, dass Brasilien sich nicht zur Unterzeichnung durchringen konnte. Wir dürfen aber nicht vergessen, dass es eines der wenigen Länder mit Tropenwaldreserven ist, die in den letzten Jahren aktiv und erfolgreich gegen illegale Entwaldung vorgegangen sind. Die verbleibenden Entwaldungsraten weiter zu senken, wird nicht einfach sein, und vor diesem Hintergrund ist eine gewisse Vorsicht seitens der brasilianischen Regierung durchaus nachvollziehbar.

Was haben Brasiliens Regenwälder mit unserer Zukunft zu tun?
Börner: Regenwälder gehören zu den weltweit größten Reserven von zu weiten Teilen unerforschtem Artenreichtum. Allein der Amazonasregenwald speichert das Äquivalent von mehr als zehn Jahren globaler, menschlich verursachter Kohlendioxidemissionen in seiner Biomasse. Darüber hinaus weisen jüngste Forschungsergebnisse darauf hin, dass Regenwälder eine wichtige Rolle in der Regulierung regionaler Klimazyklen spielen. Das heißt, die Abholzung von Tropenwäldern wirkt sich auch auf das Klima in agrarwirtschaftlich bedeutenden Regionen der Welt aus. Unsere Zukunft ist also durch vielfältige Mechanismen mit dem Schicksal von Regenwäldern verbunden.

Können Regenwaldgebiete überhaupt nachhaltig bewirtschaftet werden?
Börner: Es gibt durchaus große Flächen in der Amazonasregion, die mit der entsprechenden Technik dauerhaft bewirtschaftet werden können. Die Frage ist, ob das sein muss. Der Rückgang der Entwaldung hat sich in Brasilien nicht spürbar auf die Agrarproduktion ausgewirkt. Zum Teil leider auch, weil sich die Landwirtschaft in anderen Ökosystemen ausgebreitet hat, die nicht unter den Waldbegriff fallen. Grundsätzlich zeigen aber globale Studien, dass die aktuell existierenden Agrarflächen ausreichen, um die Weltbevölkerung zu ernähren. Es hapert leider immer noch daran, diese Flächen besser zu nutzen.

Lockert die brasilianische Regierung nicht den Druck auf die Agrarlobby?
Börner: Nach 2004 wurde in Brasilien der Druck zunächst stark erhöht. Die Reform des Waldgesetzes 2012 ist aber sicher ein Zeichen gewesen, dass es immer noch starke Interessen gegen strengere Umweltauflagen im Agrarbereich gibt. Als Wissenschaftler können wir nur versuchen, die Auswirkungen solcher Entscheidungen aufzuzeigen und nach Lösungsansätzen suchen, die Naturschutz und Landwirtschaft gleichermaßen berücksichtigen.

Kürzlich bei einer ZEF-Tagung ging es auch darum, wie die internationale Politik nachhaltige Entwicklungsziele verfolgen müsse...
Börner: Ja. Wir wissen immer noch zu wenig darüber, wie sich unsere aktuellen Konsummuster auf die Ökosysteme in anderen Ländern auswirken und wie negative Auswirkungen vermieden werden können. Auch beim internationalen Austausch von Wissen und Technologie stehen wir vor großen Herausforderungen. Die Wissenschaft muss hier sehr eng mit der Politik zusammenarbeiten, ohne sich dabei auf die Seite der einen oder anderen Interessengruppe zu schlagen.

Sie sagen, dass jeder zum Schutz der Ressourcen beitragen kann. Das kostet aber Geld...
Börner: Es wird aber leider noch teurer, wenn keiner etwas tut! Die Frage ist doch, ob wir jede Änderung unseres aktuellen Lebensstils als Verschlechterung verstehen müssen oder ob es nicht auch eine optimistischere Sichtweise gibt. Es gibt durchaus Beispiele von Änderungen im Konsumverhalten in Industrieländern, die positive Auswirkungen auf die Umwelt haben und nicht durchweg als schmerzhafter Verzicht empfunden werden. Mülltrennung und der steigende Verbrauch von Bio-Produkten gehören dazu.

Was kann man gegen rücksichtslose Produktionsmethoden tun?
Börner: Man darf hier natürlich nicht ungeduldig sein. Gesellschaftliche Normen und Werte ändern sich in der Regel nur langsam. Auf internationaler Ebene haben wir aber trotzdem beobachtet, dass sich durch Runde Tische von Industriezweigen, die sich mit der nachhaltigen Rohstoffbeschaffung befassen, durchaus spürbarer Druck auf Agrarproduzenten erzeugen lässt. Hier gibt es noch viel zu tun.

Zur Person

Jan Börner, Jahrgang 1975, stammt aus Hamburg. Er hat Agrarwissenschaften in Berlin und Minnesota studiert und sich auf Umwelt- und Ressourcenökonomik spezialisiert. Börner war Doktorand am Bonner Zentrum für Entwicklungsforschung (ZEF) und promovierte 2006 an der Landwirtschaftlichen Fakultät. Für die Robert Bosch Juniorprofessur kehrte er 2012 vom Center for International Forestry Research (CIFOR) in Rio de Janeiro nach Bonn zurück.

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