Lückenloser Schutz des Kindeswohls ist nicht immer möglich

Das Jugendamt erarbeitet zurzeit ein Konzept zum besseren Schutz des Kindeswohls in der Bundesstadt - Von 132 Hinweisen in 2006 haben sich in 55 Fällen die Verdachtsmomente erhärtet

Bonn. Die Nachrichten von Babys und Kleinkindern, die misshandelt oder sogar getötet wurden, reißen nicht ab. Vielfach sind die Täter die Eltern, häufig sind es mit ihren Erziehungsaufgaben überforderte Väter und Mütter.

In Bonn denken Experten aus dem Kinder- und Jugendbereich sowie die Politiker bereits seit langem über die Frage nach, wie ein wirksamerer Kinderschutz erreicht werden kann. Das städtische Jugendamt erarbeitet zurzeit ein Konzept zur Sicherung des Kindeswohls in der Bundesstadt und hat dazu in einem ersten Schritt entsprechende Leitlinien festgelegt, die ab Januar in den Gremien des Stadtrates beraten werden sollen.

Einer der Schwerpunkte des Bonner Kinderschutzkonzepts soll demnach vor allem auf die systematische Verankerung der Zusammenarbeit unter anderem zwischen den Gesundheitsdiensten wie Geburtskliniken, Kinderärzten, Hebammen, den Einrichtungen der Suchtkrankenhilfe sowie der ARGE, den Sozialen Diensten, Beratungsstellen, Kindertagesstätten und Schulen liegen.

Denn in den meisten Fällen, in denen Kinder Opfer familiärer Gewalt geworden seien, habe letztlich nicht ein Mangel an Kenntnissen über die familiäre Situation, sondern vielmehr der Mangel in der Ämter übergreifenden Kommunikation sowie Unsicherheit in der Beurteilung der tatsächlichen Gefährdung zu den bekannten, folgenschweren Fehlentscheidungen geführt, heißt es in der Vorlage des Jugendamtes.

Nach Ansicht von Jugendamtsleiter Udo Stein funktioniert in Bonn die Vernetzung zwischen den Behörden und Hilfsangeboten für Familien in aller Regel recht gut, obwohl auch er weiß: Ein lückenloser Kinderschutz ist nicht immer möglich.

Aus einer Analyse seines Amtes geht hervor, dass es Bonn in 2006 insgesamt 132 Hinweise auf eine mögliche Kindeswohlgefährdung gab. Betroffen waren insbesondere die Einzugsgebiete Innenstadt, sowie Bonn-Nord (Ellerviertel) und Bonn-West. Nach einer Überprüfung der Abteilung Fachdienst für Familien und Erziehungshilfe (FFE) des Jugendamtes wurden 55 Fälle als tatsächlich gefährdet eingestuft. Letztlich mussten in neun Fällen die Kinder aus den Familien herausgenommen und in Heimen in Obhut genommen werden.

Besonders häufig betroffen von einer Gefährdung waren Kleinst- und Vorschulkinder. Rund 70 Prozent der Familien, bei denen sich der Verdacht der Kindeswohlgefährdung erhärtet hatte, waren den einschlägigen sozialen Diensten und Betreuungseinrichtungen bereits bekannt. Nahezu alle betroffenen Familien hatten Kontakt zur ARGE.

Überdurchschnittlich oft waren zudem Familien betroffen, wo Suchterkrankungen, psychische oder andere chronische Erkrankungen eine Rolle spielte. Eine deutliche Mehrzahl der Fälle betraf zudem Familien mit drei und mehr Kindern. Begründet waren vor allem Verdachtsmomente, wenn sie von Schulen, Kindergärten oder den Mitarbeitern der sozialen Dienste geäußert wurden.

Ein erstes Fazit des Jugendamtes lautet deshalb: Es bestehen bereits jetzt schon zahlreiche Zugangsmöglichkeiten zu potenziellen Risikofamilien, die es systematisch zu nutzen gilt. Und: Offenbar spielen wirtschaftliche Verhältnisse eine wesentliche Rolle - oder können mindestens als ein Indikator für die Gefährdung mit herangezogen werden. Außerdem gelingt eine sichere Beurteilung der tatsächlichen Gefährdung von Kindern vor allem dort, wo ein regelmäßiger Kontakt auf professioneller Ebene zu den Familien gegeben ist.

Auch wenn in Bonn die Hilfen bisher stets wirksam und schnell eingesetzt werden konnten, so schlägt das Jugendamt unter anderem vor, die Angebote noch stärker zu vernetzen sowie unter seiner Federführung einen zentralen Arbeitskreis "Gewalt gegen Kinder" bei Beteiligung der Gesundheits- und Sozialeinrichtungen, Schulen, und Polizei ins Leben zu rufen. Über den aktuellen Stand der Konzeptumsetzung will Stein in der Sitzung des Jugendhilfeausschusses am 9. Januar berichten.

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