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Im Lauch stecken erstaunlich viele Geschmacksrichtungen. Will man sie ergründen, sollte man auch seine grünen Blätter ebenso ehren wie die weißen.

 Lauch roh

Lauch roh

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BONN. Alles hat ein Ende, nur der Lauch hat zwei. Das eine verbirgt sich unter der Erde und bleibt dort – von der Sonne unentdeckt – unschuldig weiß und zart. Das andere zeigt sich der Welt, wird dabei grün und auch ein wenig dickhäutiger. Die Köche ließen es lange links liegen und irgendwie muss diese Ignoranz auf den deutschen Kochalltag abgefärbt haben. „Viele Kunden glauben heute tatsächlich, dass die grünen Blätter des Lauchs giftig seien“, sagt Anja Christiansen, die in ihrer Gemüsegärtnerei „Wilde Kost“ in Blunk viel Aufklärungsarbeit betreiben muss.

Nein, die grünen Teile des Lauchs sind natürlich keinesfalls ungenießbar. Im Gegensatz zu ihren weißen Gegenstücken verfügen sie nicht nur über Zwiebel- sondern auch über leichte Kohlaromen. „Generell kann man sagen, dass Porree umso intensiver schmeckt, je grüner er ist“, konstatiert die Biogärtnerin, die dem Gemüse auf ihren Feldern 500 Quadratmeter Platz eingeräumt hat. Allerdings sind die grünen Blattteile nicht nur geschmacksintensiv, sondern überdies oft recht zäh. Auch auch diesem Grund häufen manche Gemüsegärtner Erde um die Pflanze herum auf, so dass eine größere Fläche der Blätter vor der Sonne geschützt ist – ein wesentlicher

Geerntet wird Lauch in Deutschland heute das ganze Jahr hindurch. Wie der Grünkohl fühlt sich Lauch draußen auch bei Minusgraden wohl und braucht nicht eingelagert zu werden. „Der Frost mildert seinen Geschmack sogar ein wenig“, erläutert Christiansen. Auf den dicken und geschmacksintensiven Winterlauch folgt der dünnere und zartere hellgrüne Frühlauch, den man auch roh verzehren kann. Allerdings wird auch sein Vorgänger heute als Ganzjahresgemüse gehandelt. „Aber wenn man ihm Sommer kauft, ist das letztendlich nicht anders als mit den Erdbeeren im Januar“, kommentiert Anja Christiansen diese ständige Verfügbarkeit und empfiehlt, zur wärmeren Jahreszeit auf Lauchzwiebeln umzusteigen.

Unabhängig von der Saison bietet der Lauch mit seinen grünen und weißen Blättern Potenzial für verschiedene kulinarischen Richtungen. Die These des französischen Schriftstellers und Feinschmeckers Alexandre Dumas’, er tauge primär für rustikale Zubereitungen, kann man getrost als überholt ansehen. Zwar lässt er sich natürlich gut mit Schinken und Käse überbacken, zwar funktioniert er gut mit Sahnesoßen oder als Beleg einer Tarte. Aber Lauch kann auch in unerwartet feinen kulinarischen Kontexten zum Einsatz kommen. Der Spitzenkoch Nils Henkel etwa verwendet, die verblüffend eigen schmeckt und sehr leicht zuzubereiten ist. Hierfür werden 100 Gramm Lauchgrün fein geschnitten, in Salzwasser blanchiert und dann eiskalt abgeschreckt. Nachdem man das Grün ausgedrückt hat, püriert man es mit 80 Gramm weicher Butter und verfügt über einen aromatischen Akzent, der sich vielfältig einsetzen lässt und beispielsweise hervorragend zu Fisch passt.

Während der Zwiebelgeschmack des Lauchs hier erhalten bleibt, lässt der Sternekoch Alexander Herrmann ihn in seiner Beilage „Lauchkompott“ verschwinden, indem er das Gemüse bewusst weich gart. Hierfür verwendet er das in drei Millimeter starke Ringe geschnittene Weiße und Hellgrüne von zwei Lauchstangen. Die Ringe werden in einem Topf mit 1 Esslöffel Butter angeschwitzt und dann in 120 Milliliter Gemüsebrühe und 60 Milliliter Weißwein bei geschlossenem Deckel sanft bissfest gegart. Schließlich wird der Deckel abgenommen und der Lauch eingekocht, bis fast alle Flüssigkeit verkocht ist. Schmeckt man ihn dann mit Salz und Cayennepfeffer ab, entsteht eine kräftige, komplex gemüsig schmeckende Beilage, bei der die ursprüngliche Schärfe des Porrees durch die des Pfeffers ersetzt wurde.

Süß ist eine weitere Geschmacksrichtung, die der Lauch in sich birgt. Man kann sie hervorheben, in dem man ihn mit relativ viel Butter und wenig Wasser unter Zugabe von Honig und Zucker gart. Auf diese Weise entsteht eine reizvolle Beilage mit duftigem Aroma, die etwa hervorragend mit Schweinefleisch harmoniert. Eine interessante Verwendung in der gehobenen Küche ist auch das sogenannte „Lauchstroh“, für das dünne Lauchstreifen frittiert werden. Am anderen Ende der Texturskala zeigt sich das Gemüse, wenn es gegart wird. Denn seine vielen langkettigen Kohlenhydrate verleihen ihm dann einen schlüpfrige Konsistenz, die man sich insbesondere in Suppen und Eintöpfen zunutze macht: Sie gewinnen durch den Lauch an Volumen und gelieren, wenn sie gekühlt werden. Mit einer besonderen Schwierigkeit wartet Porree allerdings immer auf: Bei kaum einem anderen Gemüse verstecken sich Schmutz und Sand so tückisch zwischen den Blättern. Bei stark verschmutzten Stangen kann es deshalb sinnvoll sein, sie vor der eigentlichen Reinigung etwa zehn Minuten in warmem Wasser zu baden. Sie werden auf diese Weise etwas weicher, so dass sich der Schmutz leichter lösen lässt. Danach halbiert man die Stangen und wäscht sie erneut in warmen Wasser, bis aller Schmutz entfernt ist. Dann können sie im Prinzip ganz und gar verwendet werden. Und wer sich doch noch schwertut mit jenen tiefgrünen, festen Abschnitten, die so oft im Küchenabfall landen, dem sei ein Kompromiss vorgeschlagen: Wie so viele andere Schäl- und Putzreste bilden sie eine gute Zutat für jeden Gemüsefond, der über ein kräftiges Aroma verfügen soll.

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