Holzarchitektur Ein Wohnheim aus Naturstoff

BONN · An der Karl-Frowein-Straße nahe der Viktoriabrücke in Bonn entsteht ein Großprojekt aus Holzfertigteilen. Es bietet Appartements für Studenten. Brandschutz stand der Umsetzung des Bauvorhabens nicht im Weg.

 Aus Holz baut Architekt Kay Künzel das Studentenwohnheim an der Karl-Frowein-Straße in Bonn.

Aus Holz baut Architekt Kay Künzel das Studentenwohnheim an der Karl-Frowein-Straße in Bonn.

Foto: Axel Vogel

Holz als Baustoff hat in der Region wieder Konjunktur: So gehören vor allem Einfamilienhäuser aus Holz vielerorts in Bonn, dem Rhein-Sieg-Kreis und dem Kreis Ahrweiler zum Erscheinungsbild der Wohnbebauung. Jetzt schickt sich ein lokaler Bauherr zusammen mit dem Wachtberger Architekten Kay Künzel an, in Bonn ein besonderes Zeichen in Sachen Holzarchitektur zu setzen: In einer Baulücke an der Karl-Frowein-Straße nahe der Viktoriabrücke ist ein fünfgeschossiges Studentenwohnheim fast fertig, das überwiegend aus Holz besteht.

Bis zum Juni 2016 hatte hier noch ein Wohnhaus für acht Parteien gestanden, das abgerissen werden musste, erklärt Architekt Kay Künzel. Der Eigentümer, eine Investorenfamilie aus der Region, „wollte nun den Familienbesitz nachhaltig stärken und daher gezielt ökologisch bauen“, erklärt er. Genau das ist jetzt in der Baulücke geschehen: Ab April können Studenten in den Holzbau einziehen, der nach Ansicht des Architekten einen gewissen Pilotcharakter hat. Künzel – auf ökologisches Bauen spezialisiert – hofft mit dem Holzgroßbau Nachahmern Mut zu machen. Schließlich gebe es für die Verwendung von Holz schlagkräftige Argumente. Selbst die Auflagen des Brandschutzes seien mit solchen Großbauprojekten vereinbar.

Auch wenn auf der Baustelle an der Karl-Frowein-Straße noch Betriebsamkeit herrscht, die Handwerker mit dem Innenausbau beschäftigt sind, ist das Gros der Arbeiten erledigt: Ein fünfgeschossiger Bau mit 1500 Quadratmetern Wohnfläche steht, der Platz für 32 Studentenzimmer hat. Dabei handelt es sich um ein Plusenergiehaus, welches mit einer 30 Kilowatt/Peak Photovoltaikanlage auf dem Dach mehr Energie produziert als es braucht. Wohnen können Studenten in 25 bis 45 Quadratmeter großen Appartements, die von 540 Euro an inklusive aller Nebenkosten zu mieten sind. Investitionssumme laut Künzel: Rund vier Millionen Euro.

Aus seiner Sicht gut angelegtes Geld. Denn hinter den nüchternen Baufakten verberge sich ein ganzheitlich angelegtes Projekt mit Fokus auf „Nachhaltigkeit, Ökologie, Wirtschaftlich und damit Zukunftsfähigkeit“. Das hat vor allem damit zu tun, dass nicht Steine, Stahl und Beton die Konstruktion bilden. Vielmehr kamen Holzfertigelemente mit einer Zellulosedämmung zum Einsatz, vorgefertigt von einer Firma im Westerwald und zusammengebaut an der Karl-Frowein-Straße.

Einen Holzbau in eine Baulücke dieser Größe zu bauen, bewertet der Architekt als etwas Besonderes. Warum Künzel, der auch in Wachtberg-Niederbachem beim Bau der Passivhaus-Siedlung Sankt Geronshof 2004/5 auf viel Holz gesetzt hatte, auch bei dem fünfgeschossigen Bau auf das Material zurückgegriffen hat, erklärt er so: „Holzbauten bieten Bewohnern ein viel besseres Raumklima als herkömmliche Gebäude.“

Für den Bauherrn sei zudem interessant, dass er bei Holzfertigbauten mit einer schnelleren Bauzeit rechnen kann: „Die Bauteile werden vorgefertigt, einschließlich Dämmung und Fenster und passten in unserem Fall zu hundert Prozent.“ Künzel: „In nur elf Wochen stand der Rohbau.“ Auch sei ein Holzbau regensicher, und in der Regel entfalle die Schimmeldebatte, die bei Stein auf Stein gemauerten Gebäuden „hausgemacht ist“, gibt er zu bedenken.

Doch gerade bei der Verwendung von Holzelementen drängt sich die Frage auf: Wie verträgt sich das mit dem Brandschutz, zumal das Projekt mit Zellulose, also recyceltem Zeitungspapier, gedämmt wurde : „Das war kein Problem bei der Abstimmung mit der Stadt Bonn“, sagt Künzel. Schließlich habe man in der Baulücke zur Nachbarbebauung Brandwände aus Holz verwendet, „die bestenfalls qualmen, aber nicht brennen.“ Auch die teils kontrovers geführte Debatte wegen des Brandverhaltens von Styropor entfalle bei Holz.

Andrea Schulte vom Presseamt der Stadt Bonn stellt zunächst klar, dass jede genehmigungsbedürftige bauliche Anlage auf der Grundlage der Landesbauordnung NRW geprüft werde und „insbesondere die Anforderungen an den Brandschutz erfüllen muss“. Laut Schulte konnten im Fall des Studentenwohnheims „alle Anforderungen durch einen intensiven Austausch zwischen dem Bauherren, dem Bauordnungsamt und der Feuerwehr, im Einvernehmen aller Beteiligter erfüllt werden“.

Der Baugenehmigung liege auch ein Brandschutzkonzept eines vom Bauherrn beauftragten staatlich anerkannten Brandschutzsachverständigen zugrunde. Bezüglich des Vorbildcharakters sagt Andrea Schulte: „Es gibt in Bonn einige ein- oder zweigeschossige Holzhäuser, aber ein vergleichbares Gebäude mit mehreren Geschossen, wie in dem vorliegenden Fall, ist dem Bauordnungsamt nicht bekannt.“

Für die Bonner Architektin Ines Knye, Vorsitzende der Kreisgruppe Bonn/Rhein-Sieg des Bundes Deutscher Architekten (BDA), ist ein mehrgeschossiger Holzbau in der Bonner Innenstadt ebenfalls etwas Besonderes: „Da steckt ganz sicher ein gutes Stück Innovation und Experimentierfreude dahinter.“ Ein seit Jahrtausenden genutzter nachwachsender Baustoff werde hier „mit moderner Haus- und Kommunikationstechnik verbunden“. Da der Bedarf an studentischem Wohnen immens groß sei, lese sich das Konzept „geradezu maßgeschneidert für diesen Bedarf“. Wenn die Mieten noch „dem Zahlungsvermögen der angesprochenen Klientel entsprechen, umso besser“, sagt Knye.

In Bonn stand der Brandschutz der Umsetzung des Projektes zwar nicht im Wege. Gleichwohl moniert Erwin Taglieber, Präsident des Deutschen Holzfertigbauverbands (DHV), „dass sich der Holzbau in einigen Bundesländern immer noch mit Vorbehalten konfrontiert sieht, die dort zur Fortschreibung wettbewerbsverzerrender gesetzlicher Rahmenbedingungen in den Landesbauordnungen beitragen“.

Dazu zählt Taglieber kontraproduktive Brandschutzbestimmungen, durch die Bauausführungen in Holz auf bestimmte Gebäudehöhen begrenzt würden. „Solche Hemmnisse erweisen sich bei näherer Betrachtung vielfach als sachlich unbegründet, zumal sie auf veralteten Annahmen beruhen, die sowohl von der Holzforschung als auch in der Praxis längst widerlegt worden sind“. Die Diskussion bedauert man beim DHV umso mehr, als etwa in Süddeutschland mittlerweile flächendeckend jedes vierte Ein- und Zweifamilienhaus vorrangig aus Holz gebaut werde. Das größte Potenzial zeige sich aber im Norden.

BDA-Fachfrau Knye sieht auch hierzulande Potenzial: „Die zu erwartende Novellierung der Landesbauordnung NRW ermöglicht die konstruktive Holzbauweise für Gebäude mit bis zu sechs Geschossen.“

Weitere Infos:www.42-bonn.de

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