GA-Interview mit Severin Freund „Ich bin so ein bisschen die Wundertüte“

Nach seiner Hüftoperation geht Severin Freund diesmal eher als Außenseiter in die Vierschanzentournee. Im Interview mit Lars Becker spricht er über das Thema Gesundheit, wie wichtig ihm ein Tourneesieg wäre und wie wichtig ihm Geld ist.

 Nach seiner Hüftoperation geht Severin Freund in diesem Jahr nur als Außenseiter in die Vierschanzentournee.

Nach seiner Hüftoperation geht Severin Freund in diesem Jahr nur als Außenseiter in die Vierschanzentournee.

Foto: picture alliance / dpa

Severin Freund, der bisherige Verlauf Ihrer Saison glich einer Achterbahnfahrt. Wie hat es sich für Sie angefühlt?

Severin Freund: Natürlich habe ich mich extremst über den Sieg in Kuusamo gleich zum Auftakt gefreut. Der kam völlig unerwartet, aber war sehr, sehr schön. Danach wurde es etwas zäher, aber genau das hatte ich ja eigentlich nach meiner Operation an der Hüfte erwartet. Die Ergebnisse waren in dem Bereich, den ich vorher eigentlich erwartet hatte. Natürlich macht es mehr Spaß, wenn man ganz vorn rumspringt. Deshalb arbeite ich dran, dass es schnell wieder in Richtung Gipfel geht.

Sind Sie denn 100 Prozent schmerzfrei und fit?

Freund: Ich bin absolut schmerzfrei, aber noch nicht bei 100 Prozent meines körperlichen Leistungsvermögens. Es gab ja auch noch nie einen Skispringer, der diese Verletzung hatte. Es geht permanent vorwärts, aber man muss halt lernen, mit dem Tempo zu gehen, dass einem der Körper vorgibt.

Deshalb gehen Sie in diesem Winter eher als chancenreicher Außenseiter in die Tournee…

Freund: Außenseiter ja, chancenreich keine Ahnung. Man weiß ja nie, was so alles noch über die Weihnachtstage passiert ist. Es fehlen noch ein paar Bausteine, dass ich da bin, wo ich hinwill. Aber im Skispringen kann es ja manchmal sehr schnell gehen. Ich sehe die vier Wettkämpfe erstmal als Chance, mich näher an die absolute Weltspitze heranzutasten.

Damit Sie dann bei der Nordischen Ski-Weltmeisterschaft ihren Titel erfolgreich verteidigen können?

Freund: Die Chance bei der WM ist größer. Die WM war ja auch vor diesem Winter mein großes Ziel. Zumal ich ja zumindest die große Schanze in Lahti wirklich liebe. Ich würde gern meinen Titel erfolgreich verteidigen.

Die Vierschanzentournee haben Sie ja seit Ihrem zweiten Platz aus dem Vorwinter auch lieben gelernt. Wie wichtig ist Ihnen als Olympiasieger, Weltmeister und Gesamtweltcupsieger denn ein Gesamtsieg beim Skisprung-Grand-Slam?

Freund: Natürlich wäre das grandios. Aber das Glücklichsein in meinem Leben hängt davon nicht ab. Da stehen andere Sachen auf meinem Zettel: Familie, Gesundheit und dass man etwas Sinnhaftes macht, wenn man aus dem Sport rauskommt. Aber eins steht fest: Die Tournee hat mir schon jetzt viel gegeben.

Was genau bitte?

Freund: Der Sieg im letzten Jahr in Oberstdorf war ein wahnsinniges Erlebnis. Das war wirklich extrem befriedigend. Am Ende war in der Gesamtwertung halt einer besser. Ich weiß, dass ich die Leute mit einem deutschen Gesamtsieg noch glücklicher gemacht hätte. Ich hoffe, ich bekomme die Chance noch einmal, diesen Traum zu erfüllen. Dann wird es mir helfen, dass ich diese Situation schon einmal erlebt habe.

Wer sind denn Ihre Favoriten der Vierschanzentournee 2016/2017?

Freund: Ich sehe mehrere. Die Tournee hat ja schon viele Geschichten geschrieben, in den letzten Jahren waren es vor allem rot-weiß-rote – bis auf den Triumph von Peter Prevc im letzten Jahr. Sein kleiner Bruder Domen springt momentan schon sehr, sehr gut. Der Rückenwind auf ein Tourneeschanzen wie Oberstdorf oder Bischofshofen wird ihm helfen. Allerdings hat man schon im letzten Jahr nach seinem Auftritt in Engelberg gedacht, dass er durchstartet. Und dann kam die Weihnachtspause und alles kam anders. Mein Geld würde ich also nicht auf ihn verwetten.

Auf wen dann?

Freund: Kamil Stoch wird vorn dabei sein. Er hat zwar bisher noch nicht zur Tournee gefunden, aber war zuletzt sehr gut in Form. Und er weiß als Olympiasieger und Weltmeister, wie man gewinnt. Ich hoffe, dass auch jemand von unserem Team mit vorn dabei ist. Markus Eisenbichler hat Riesenpotenzial, genau wie Richard Freitag oder Andreas Wellinger. Und vielleicht kann auch ich ja eine Rolle spielen – ich bin dieses Mal so ein bisschen die Wundertüte.

Es geht bei der Tournee auch um Prämien. Wie wichtig ist Ihnen Geld?

Freund: Wir können uns sicher nicht beschweren, auch wenn es Wintersportarten gibt, in denen deutlich mehr geht. Geld ist für mich in dem Sinne wichtig, dass ich meinen Sport so professionell ausüben kann, wie ich es momentan mache. Natürlich ist es schön, mit seiner Leidenschaft Geld zu verdienen, aber es ist nicht das Entscheidende. Mir sind die Erlebnisse wichtiger als das Geld.

Was wollen Sie eigentlich nach der Karriere machen?

Freund: Ich studiere ja schon länger nebenbei, aber ich kann noch nicht sagen, wo es mich danach hin verschlägt. Für manche ist es gut, dass sie einen Masterplan haben, aber ich bin derzeit Skispringer und das mache ich zu 100 Prozent. Ich brauche keinen Notnagel, ich werde danach schon eine neue, spannende Aufgabe finden. Ich habe ja in diesem Jahr auch geheiratet und möchte grundsätzlich einige Kids haben.

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