Betrug im Rhein-Sieg-Kreis 65-Jährige gerät liebestoll in die Internetfalle

Betrüger haben mit einem falschen Profil und unter falschem Namen 40.000 Euro von einer 65-Jährigen aus dem Rhein-Sieg-Kreis ergaunert.

 Unter diversen Aliasnamen nutzen die Betrüger Bilder des US-Soldaten Stuart James, um die Damen abzuzocken.

Unter diversen Aliasnamen nutzen die Betrüger Bilder des US-Soldaten Stuart James, um die Damen abzuzocken.

Foto: Mario Quadt

Seine warmen, haselnussbraunen Augen waren das Erste, was Cläre L. von dem einsamen, verwitweten Mann in den besten Jahren sah. Er trug eine gut sitzende Flecktarnuniform der US-Army, die ihn bei der Arbeit zeigt – an einem Arbeitsplatz inmitten einer staubigen Wüste, an irgend einem Krisenherd dieser Welt.

„Er berichtete mir, er sei gläubig – so wie ich auch“, berichtet die 65 Jahre alte Frau aus dem linksrheinischen Rhein-Sieg-Kreis im Gespräch mit dem GA. Über die Chatfunktion des Videodienstes Skype öffnen der vermeintliche amerikanische General Murphy Williams aus der Wüste und die alleinstehende Dame sich gegenseitig ihre Herzen.

Ein halbes Jahr später ist Cläre L. 40.000 Euro los. So viel hat sie an den mutmaßlichen Sohn des US-Soldaten sowie einen ominösen „Agenten“ von Williams gutgläubig überwiesen. Die Chancen, das Geld jemals wiederzusehen sind gleich null.

Ihren Glauben an Murphy Williams hat Cläre L. längst verloren. Die Masche, die der Internetbetrüger anwandte, hat bereits einen Namen: Mit dem Anglizismus „Romance Scam“ ist eine Betrugsmethode polizeilich bekannt, bei der die Romeos aus dem Internet nach einer Phase der Schwärmens und Flirtens dazu übergehen, die vermeidlich Angebetete um einen Geldtransfer via Western Union zu bitten, um sich aus einer angeblich misslichen Situation freikaufen zu können – meist nach Westafrika. Mittlerweile verfügen die romantischen Scammer allerdings weltweit über Bankkonten, um den Geldtransfer weniger verdächtig zu machen.

„Zuerst war es nur Neugierde“, schildert Cläre L. im GA-Gespräch. Es sei ein Samstagnachmittag gewesen, an dem sie via Skype die Kontaktanfrage des ihr völlig unbekannten US-Generals erhielt – allerdings nicht, wie bei dem Bildschirmtelefondienst üblich im direkten Bewegtbildgespräch, sondern über die verschriftete Chatversion. In New York lebe er und sei in Afghanistan auf „Friedensmission“, wie er es nennt. „Oh Gott, der Ärmste – habe ich gedacht“, berichtet die internetaffine Ruheständlerin. Viel schreibt er anfangs über seine Nähe zu Gott. „Da hat er bei mir voll reingefeuert“, bekundet seine Anbetende.

Ganze Tagesabläufe tischt ihr Chatpartner auf – inklusive Patrouillengängen durch Sandwüsten am Hindukusch und anderer Details des militärischen Alltags. Schon nach wenigen Tagen kommt überraschend das Bekenntnis des verwitweten US-Generals: Er habe sich in Cläre verliebt. Fortan hagelt es Liebesbekundungen wie Sweetheart, Queen und Darling. Seine dem Anschein nach einfühlsame Art trifft L. mitten ins Herz.

Doch zehn Tage später schlägt Williams eine neue Seite in seinem Poesiealbum auf: „Da kam die erste Geldforderung.“ Die hüllt er in eine fantasievolle Geschichte um seinen Sohn, einem Internatsschüler, der auf Zypern lebt, und eine Exkursion nach Ghana unternimmt. Er benötige dringend ein Telefon, um eine Geschichtsklausur nicht zu versäumen. „Das sollte ein iPhone 6s plus sein.“ Cläre L. besorgt in der nächstgelegenen Stadt ein solches Edeltelefon und sendet es nach Ghana.

Immer abenteuerlicher werden die Geschichten: Eine Kiste gefüllt mit 85 Millionen Dollar will der US-Soldat den Taliban abgenommen haben. Das von Williams geschickte Bild des vermeidlichen Schatzes fand die 65-Jährige übrigens später – nachdem sie Verdacht geschöpft hatte – in einer Internetbildergalerie. Um den, so ihr Chatpartner, streng geheimen Schatz aus der Wüste zu holen, benötige er Cläres Hilfe, um die Box nach Deutschland zu holen. Ein „Agent“ des Generals rief bei ihr an: „Der sprach ein schlechtes Englisch – mit hörbarem afrikanischem Akzent.“

Doch der Transfer scheitert. Die Kiste werde vom Zoll festgehalten und müsse von L. freigekauft werden. 5750 Euro solle sie überweisen. Wie die 65-Jährige erst später herausfand, sei dies der Höchstbetrag, der am Tag über Western Union versandt werden darf. Sie transferiert das Geld, das nach Ghana und Nigeria geht, ein ums andere Mal, bis 40.000 Euro futsch sind. Ein Drittel des Schatzes – rund 23 Millionen Euro – stünden seiner „Freundin“ zu, versichert Williams. Eines Tages vor Weihnachten hat Cläre L. genug von den offensichtlichen Lügengeschichten. Sie bricht den Kontakt ab und löscht das Profil. „Ich habe ihm die Hölle gewünscht“, bekundet sie.

Traurig an der Geschichte von Cläre L. ist, dass er beileibe kein Einzelfall sei, wie Polizeisprecherin Ruth Braun auf GA-Anfrage sagte: „Etwa ein bis zweimal im Monat werden uns solche Betrugsdelikte gemeldet.“ Nahezu unmöglich sei es, das Geld von den Betrügern, die nicht selten von Westafrika aus operieren, zurückzufordern. „Ich mache mir Vorwürfe, dass ich so gutgläubig war“, meint auch Cläre L.

Und: Murphy Williams versucht es weiter: Einen Tag nach dem Gespräch mit dem GA meldete sich der mutmaßliche Internet-Avatar via Skype erneut bei der 65-Jährigen. Er wolle ihr vier Millionen Euro auf ihr Konto überweisen, damit sie endlich ihr Geld zurück bekomme. „Ich glaube dem nichts mehr und überweise nichts mehr“, meint L. mit Bitternis in der Stimme. Ihr Lehrgeld habe sie gezahlt.

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