GA-Radtour in die Eifel So schön ist eine Radtour vom Maifeld bis an die Mosel

Eifel · Von Mayen führt der Weg über eine alte Bahntrasse bis nach Münstermaifeld. Durch das Schrumpftal geht es weiter bergab.

Es ist eine Reise in die Vergangenheit – in doppelter Hinsicht. Der Maifeld-Radwanderweg schlängelt sich entlang der ehemaligen Eisenbahntrasse durch das Maifeld, vorbei an alten Gehöften und Rapsfeldern. Seit 1983 fahren hier keine Züge mehr. Die Trasse wurde rund 70 Jahre nach ihrem Bau stillgelegt, bis dahin verband sie Mayen, Polch, Münstermaifeld und Ochtendung. Seit Ende der 1980er Jahre wird die Strecke wieder genutzt, allerdings von Fahrradfahrern als „Maifeld-Radwanderweg“, der ganz nebenbei auch an den Orten meiner Kindheit vorbeiführt: Mayen, Polch, Naunheim, Münstermaifeld. Die mütterliche Seite meiner Familie stammt vom „Maifeld“, ein Landstrich der Eifel, der vor allem durch Landwirtschaft geprägt ist. Die hügelige Region kenne ich vor allem durch Wochenendausflüge. Zusammen mit meiner Mutter wage ich die Zeitreise. Dass wir zusammen Fahrrad gefahren sind, ist schon länger her.

Am Bahnhof in Koblenz deutet der Schaffner freundlich auf den zweiten Waggon, den mit dem Fahrradabteil – auf Radfahrer ist man hier vorbereitet. Im Zug schwingt etwas Nostalgie mit. Die Regionalbahn passiert in Bögen die kleinen Ortschaften Kruft, Thür, Kottenheim, die so ganz anders klingen, wenn meine Mutter sie auf „Rüberer Platt“ ausspricht. Am Bahnhofsgebäude von Kottenheim hängt sogar noch das alte Schild in altdeutscher Schrift. An der Endstation Mayen-Ost beginnen wir unsere Tour auf dem Radwanderweg. Hier laufen neue und alte Bahnstrecke für ein paar Hundert Meter parallel, bis eine kurze Tunneldurchfahrt die Strecke trennt. Dann wird es still, in einer Senke geht der Weg zwischen dicht bewachsenen Baumreihen hindurch.

Bunte Liebesschlösser am Wegesrand

Vor 100 Jahren fuhren hier zum ersten Mal Züge. Die Teilstrecke von Mayen bis Polch wurde um 1900 eröffnet, der Abschnitt bis Münstermaifeld 1914. Fortbewegungsmittel Nummer eins war zur Jugendzeit meiner Mutter dennoch das Auto oder eben das Fahrrad. Wer das Gymnasium in Mayen besuchte, fuhr mit dem Rad zum Bahnhof in Kerben und mit dem Zug weiter. Heute erinnert nur noch der schlangenförmige Weg an das einstige Transportmittel. Das erste Highlight der Tour erscheint kurz hinter Hausen. Der Weg führt über das rund 30 Meter hohe Nette-Viadukt. Die rostigen Gitter an den Seiten sind mittlerweile mit neuen Metallgittern abgezäunt, so dass auch kleinere Kinder die Fahrt über die schmale Brücke meistern.

An dem neuen Gitter glitzern bunte Vorhängeschlösser; auch im Maifeld hat sich die Tradition der Liebesschlösser etabliert. Unter uns fließt die Nette ruhig, ein Jogger grüßt uns. Kurz dahinter schließen sich zwei beleuchtete Tunnel an. Das erste Etappenziel der Tour ist die Stadt Polch. Am Bahnhof gabelt sich der Weg nach Ochtendung oder Münstermaifeld. Wir radeln durch die schmalen Straßen der rund 7000-Einwohner-Stadt. In einer kleinen Kapelle haben die Bewohner Kerzen angezündet. Ein paar Meter weiter döst eine Katze im Innenhof eines alten Gehöfts, in der Ferne bellen Hunde. Die Häuser sind mit schwarzen Basaltsteinen verkleidet, das vulkanische Gestein findet sich an Kirchen und öffentlichen Gebäuden, aber auch an Wohnhäusern in der gesamten Region wieder. An einer Hauswand hängen zwei Kaugummiautomaten. An einem pinnt der Hinweis: „200 DM-Belohnung für sachdienliche Hinweise, die bei mutwilligen Beschädigungen beziehungsweise Zerstörung dieser Automaten zur Ergreifung beziehungsweise zur Anzeige der Täter führen.“

Ein Blick über die Landschaft

In Bonn habe ich keinen Automaten mehr bewusst wahrgenommen. „Hier hat sich nicht viel verändert“, meint meine Mutter. Für ihre Ausbildung hatte sie damals das Maifeld verlassen und war ins Rheinland gezogen. Die Eifel kenne ich nur durch Wochenendausflüge und Ferien bei meinen Großeltern. Hinter Polch gibt die Strecke den Blick auf die Ebene preis: Wie ein Flickenteppich aus verschiedenen Grüntönen wirkt das Areal. Zwischen April und Mai kommt noch ein leuchtendes Gelb hinzu, wenn die Rapspflanzen blühen. In der Ferne erscheinen die vertrauten Umrisse von Münstermaifeld, zu erkennen an der Stiftskirche Sankt Martin und Sankt Severus mit ihren charakteristischem Turm, deren Silhouette von Weitem der einer Nähmaschine gleicht.

Als wir kurz vor Naunheim halten, lassen wir den Blick über die Landschaft schweifen. „Es hat schon ein bisschen was von der Toscana“, meint meine Mutter. In einem Bogen nähern wir uns Münstermaifeld, bis eine steile Straße zur Altstadt empor führt. Wir lassen die Räder stehen und spazieren über das Kopfsteinpflaster. Von Nahem wirkt die Stiftskirche noch imposanter. „Für mich ist es eher eine Burg“, sagt ein kleiner Junge, der mit seiner Familie über den Vorplatz schlendert und fasziniert die wehenden Fahnen auf dem Kirchturm beobachtet. Wir entscheiden uns für ein spätes Mittagsessen in einem Landhof in der Altstadt – und zufällig erneut für ein Stück Kindheit. Als meine Mutter die Geschichte des Lokals aufschlägt, lächelt sie. Der Gutshof beherbergte vor Jahren ein Puppentheater. Dort wo wir jetzt speisen, hatten wir gemeinsam mit meiner Großmutter eine Vorstellung angeschaut, als ich drei oder vier Jahre alt war.

Für den Rest der Tour verlassen wir das Maifeld und den Pfad der Erinnerung. Stattdessen geht es durch das Schrumpftal in Richtung Mosel. In leichten Serpentinen fahren wir an restaurierten Mühlen vorbei. Außer uns sind nur zwei Wanderer unterwegs. Nach zwanzig Minuten sind wir im Tal angekommen und blicken auf die Weinberge an der Mosel.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort
Verkehr am Limit
Kommentar zu Umbau der Haltestellen der Linie 16 Verkehr am Limit