"Die Ämter zeigen keine Wege"

Komplexe Rechtsfragen, verwirrende Formalitäten, Feilschen als Mentalitätsproblem: Treffen Jung-Akademiker aus fremden Ländern auf deutsche Behörden, gibt es Frust auf beiden Seiten

Bonn. Willkommen in Bonn? An der Universität ist man stolz auf die rund 5000 ausländischen Studierenden. Im vergangenen Wintersemester kam schon jeder fünfte Neuling aus dem Ausland. Gleichzeitig mehrten sich indes die Klagen über das Ausländeramt der Stadt. "Wenn das neue Semester beginnt, geht das Grauen wieder los", befürchtet Shabnam Fakhrnia vom AusländerInnen-Referat des Allgemeinen Studierenden-Ausschusses (AStA). "Viele, die zu uns kommen, sind desorientiert und eingeschüchtert, den Tränen nahe."

Das Problem ist keineswegs auf Bonn beschränkt: Gezieltes Hochschulmarketing hat bundesweit zu einer rapiden Zunahme der Bewerbungen ausländischer Studieninteressenten geführt. Gleichzeitig soll ein komplexes Ausländer-, Aufenthalts- und Arbeitsrecht verhindern, dass Straftäter oder Arbeit Suchende in der Tarnung des Studenten einreisen. Damit sich ausländische Studenten dennoch nicht als unerwünscht vorkommen, hat die Humboldt-Stiftung - sie ermöglicht pro Jahr rund 1 800 ausländischen Forschern hierzulande eine wissenschaftliche Tätigkeit - einen Preis für die freundlichste Ausländerbehörde ausgeschrieben.

Die Formalitäten erscheinen verwirrend, gerade für die so genannten "Free movers", die ohne Stipendium aus einem Nicht-EU-Land kommen, häufig aus einer ganz fremden Kultur und mit geringen Deutschkenntnissen. Schon im Heimatland haben sie nachgewiesen, dass sie ihr Studium finanzieren können. Mit einem Studienbewerbervisum, das drei Monate gültig ist, reisen sie ein. In dieser Frist gilt es, sich am Einwohnermeldeamt anzumelden und den Zulassungsbescheid oder die Bewerberbestätigung der Universität zu beschaffen. Das Ausländeramt erteilt das "Visum zu Studienzwecken", das für ein Jahr gilt. Zur Verlängerung muss der Student dann wieder zum Ausländeramt.

Shabnam Fakhrnia vermisst an der Uni eine "neutrale Beratungsstelle". Mancher Frust ließe sich vermeiden, wenn die Neulinge besser informiert wären. Dann wüssten sie, dass sie erst zum Einwohnermeldeamt gehen müssen und dann zum Ausländeramt. Das Akademische Auslandsamt werde häufig erst spät gefunden, weil es nicht im Hauptgebäude ist. Die Studierwilligen wendeten sich Rat suchend an das Studentensekretariat und an das Ausländeramt, doch dort sei man darauf nicht vorbereitet.

"Die Ämter zeigen keine Wege", sagt Özlem Saylan Yerlikaya vom AStA-AusländerInnenreferat. Ihre Kollegen - selbst allesamt aus anderen Ländern - springen in die Bresche: "Zu uns kommen die ausländischen Studierenden gerne. Hier fühlen sie sich verstanden, sind offener und unbefangener. Auch weil wir viele Sprachen sprechen." Nicht alle Probleme können sie lösen - besonders bei angeblicher Ungleichbehandlung auf dem Ausländeramt: Zu komplex sind die Regelungen. Probleme treten zudem auf, weil häufig die Fristen nicht eingehalten werden oder die Rat Suchenden auf den letzten Drücker kommen. Fehlt dann ein Papier, gibt es Stress.

"Wir müssen auf der Grundlage von Recht und Gesetz entscheiden", sagt Dieter Bindseil, langjähriger Leiter der Bonner Ausländerbehörde, die in den letzten Jahren schwierige Zeiten erlebte: Zum großen Andrang kamen personelle Engpässe - im vergangenen Jahr fehlten einmal sieben von 13 Mitarbeitern. Die Folge waren "Probleme in der zügigen Sachbearbeitung", wie er zugibt. Er könne auch nicht ausschließen, dass es in Stoßzeiten zuweilen weniger freundlich zugehe: "Fängt dann einer an zu diskutieren und zu feilschen, lässt es sich nicht verhindern, dass auch ein Sachbearbeiter einmal die Nerven verliert." Dazu muss man freilich wissen, dass in manchen Ländern das Feilschen der normale Umgang mit Ämtern ist.

Zu Problemen kommt es auch, wenn die Studiendauer zu lang erscheint. Denn die Aufenthaltserlaubnis wird für die "durchschnittliche Studienzeit" plus drei Semester erteilt. Die weicht allerdings häufig stark von der "Regelstudienzeit" ab. Eva Bezzeg-Frölich, beim Akademischen Auslandsamt der Universität für die ausländischen Studierenden zuständig, muss dann dem Ausländeramt erklären, dass 15 Semester Informatik leider die Regel sind - egal ob bei Deutschen oder Ausländern.

Problem für Bezzeg-Frölich war bislang, dass sie solche und ähnliche Fälle beim Wechsel von Sachbearbeitern bisweilen auch immer neu erklären musste. Zukünftig kann sie sich nicht nur an Bindseil wenden, der Wert darauf legt, "bei Problemen jederzeit ansprechbar" zu sein, sondern auch an dessen neue dreiköpfige "Arbeitsgruppe Internationale Organisationen". Sie soll den direkten Kontakt mit der Universität und den anderen Bonner Forschungseinrichtungen sowie auch mit den UNO-Institutionen halten.

Der derzeitige Probebetrieb läuft laut Bindseil gut. Es sei nun nicht mehr nötig, dass die Gastforscher und -studenten selbst zur Ausländerbehörde kämen: "Es reicht, wenn jemand die Unterlagen vorbeibringt. Wir bearbeiten das dann hier, und zwei Tage später können die Pässe wieder abgeholt werden." Allerdings hat er noch keine Lösung, wie das gehen kann, wenn (wie im letzten Wintersemester) wieder 500 ausländische Studenten gleichzeitig Pässe brauchen. Immerhin scheinen seine Bemühungen schon positives Echo zu finden. Laut Bindseil ist sein Amt für den Preis "Freundlichste Ausländerbehörde" nominiert.

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