Prozess in den USA Bayer gibt sich nach Schadensersatzurteil uneinsichtig

Washington · Brent Wisner, Anwalt im ersten erfolgreichen Glyphosat-Prozess in Amerika, droht den Konzern aus Leverkusen mit noch mehr Unannehmlichkeiten. Bayer gibt sich nach dem Schadensersatzurteil uneinsichtig.

Als Brent Wisner neulich am Telefon zuhörte, wie Werner Baumann nach dem 289 Millionen Dollar schweren Schadensersatzurteil gegen den Hersteller des Unkrautvernichters Glyphosat in den USA argumentierte, war der Anwalt aus Los Angeles „wirklich verblüfft“.

Baumann, Chef des deutschen Chemie-Riesen Bayer, der sich jüngst für 54 Milliarden Euro den umstrittenen Glyphosat-Weltmarktführer Monsanto aus St. Louis/Missouri einverleibt hat, pochte gegenüber Börsen-Analysten darauf, dass der unheilbare Krebs des ehemaligen Schulhausmeisters Dewayne Johnson (Wisners in erster Instanz erfolgreicher Mandant) nichts mit Glyphosat zu tun habe.

Man werde Berufung einlegen, sagte Baumann und fügte demonstrativ hinzu: „Ein Urteil einer Jury in einem Fall ändert nichts an den wissenschaftlichen Fakten.“ Denn danach sei Glyphosat nicht krebserregend.

Wisner macht diese Haltung im Gespräch mit dieser Zeitung fast wütend. „Bayer muss aufhören, in La-la-Land zu leben und sich selbst zu belügen“, sagte der 34-Jährige. „Wir haben aufgrund des Zeitdrucks im Fall Dewayne Johnson nur einen Bruchteil unserer Indizien vorgelegt. Es gibt noch viel belastendere Dokumente. Sie zeigen, dass Monsanto seit Jahren von der Krebsgefahr wusste.“

Wisner, der für die renommierte Kanzlei Baum, Hedlung, Aristei & Goldman arbeitet, fährt schweres Geschütz auf. Danach hatte Monsanto früh intern Anhaltspunkte, die um die potenzielle Gefährlichkeit von Glyphosat kreisten. „Aber sie haben sie beerdigt. Dabei war es ihre Verpflichtung, die Sache genauer zu untersuchen.“

Stattdessen habe Monsanto „verharmlosende Berichte“ veröffentlicht und bei Studien von Regulierungsbehörden eigene Mitarbeiter „als Ghostwriter“ eingeschleust. Wisner: „Monsanto hatte die volle Absicht, die Gefahren, die von Glyphosat ausgehen, vor den Konsumenten zu verheimlichen. Das ist Betrug.“

Auch darum habe die Jury im Fall Dewayne Johnson festgestellt, dass Monsanto „mit Heimtücke“ agiert hat. Die aus europäischer Sicht hohe Strafe von rund 250 Millionen Euro, die bis zur geplanten Urteilsverkündung im Dezember nicht rechtskräftig ist, sei darum eigentlich „noch gar nicht hoch genug“.

Wisner stützt seine Vorwürfe unter anderem auf eine durch E-Mails belegbare Studie des britischen Wissenschaftlers James Parry, der Ende der 90er Jahre von Monsanto angeheuert worden war, aber mit offenbar unliebsamen Ergebnissen aufwartete.

Danach könne Glyphosat Gen- und Chromosomen-Veränderungen auslösen, sagte Parry und riet zu Tiefenuntersuchungen. William Heydens, führender Toxikologe bei Monsanto, lehnte ab. „Wir müssen jemanden finden, der sich mit dem genotoxischen Profil von Glyphosat wohlfühlt und einflussreich bei Regulierungsbehörden ist“, heißt es in einem Schriftwechsel, der Wisner zugespielt wurde, „Parry ist es nicht und es würde viel Zeit und $$$ kosten, ihn dahin zu bewegen.“

Als sich die Internationale Agentur für Krebsforschung in Lyon 2015 Glyphosat genauer anschauen wollte, schrieb Heydens an Kollegen: „Wir sind möglicherweise verwundbar, wenn es um Genveränderungen und darum geht, Glyphosat ausgesetzt zu sein“.

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