Unentbehrliche Interessenvertreter Lobbyisten in der EU sind umstritten

Brüssel · Ein Jahr vor den nächsten Wahlen soll die EU noch einige Gesetze auf den Weg bringen: Datenschutz, Energie, Tabak, Auto-Abgase, Medizin-Produkte, Ruhezeiten für Piloten. Die Abgeordneten im Europa-Parlament stöhnen über den Andrang der Lobbyisten und manchen Verstoß gegen die Spielregeln.

 EIn Blick in das Europäische Parlament in Brüssel.

EIn Blick in das Europäische Parlament in Brüssel.

Brüssel, zuständig für viel Geld und einen Markt mit 500 Millionen Bürgern, ist der global geschäftigste Tummelplatz professioneller Interessenvertreter. Derzeit geht es besonders hoch her - vor Ende der Legislaturperiode sollen noch zahlreiche Gesetze durchgepaukt werden, die für Firmen und Verbände von Interesse sind: Datenschutz, Energie, Tabak, Auto-Abgase, Medizin-Produkte, Ruhezeiten für Piloten. Die Abgeordneten im Europa-Parlament stöhnen über den Andrang der Lobbyisten und manchen Verstoß gegen die Spielregeln.

Gute Lobby, böse Lobby - davon hat in Brüssel jeder seine eigene Vorstellung. Zum Beispiel Doris Pack, die für CDU dem Kulturausschuss des EU-Parlaments vorsitzt "Tabak - das sind die Bösen. Pharma die Halbbösen, Human Rights Watch und die anderen NGOs, die sind ja immer gut. Das regt mich auf!" Der Dünkel vieler gehe mit einer gehörigen Portion Aggressivität einher. Die Tabak-Industrie hingegen, die sei gar nicht so schlimm, meint Pack. "Die haben mich in Ruhe gelassen. Wirklich schlimm ist das mit den rumänischen Hunden!" In Bukarest ist ein vierjähriges Kind von einem Straßenhund totgebissen worden, das Verfassungsgericht hat die Einschläferung streunender Tiere erlaubt. Seither ist bei Pack der Teufel los. "Wir bekommen Tausende E-Mails, jeden Tag, von überall her, in verschiedenen Sprachen - das ist eindeutig organisiert!" Lösungsvorschläge hätten die Tierschützer nicht zu bieten.

Packs parlamentarischer Kollege Jan Philipp Albrecht findet es "absurd", den Schwarzen Peter der Zivilgesellschaft zuzuschieben. Die verfüge nicht annähernd über die gleichen Mittel wie die Industrie. So stehe etwa der geballten Macht der Firmen und ihrer Verbände in Brüssel nur das kleine Büro der Europäischen Verbraucherorganisation BEUC gegenüber. Und im Gegensatz zu Pack fühlt sich Albrecht sehr wohl durch die Tabak-Branche unfair bedrängt: Unmittelbar vor der Abstimmung, ob die E-Zigarette apothekenpflichtig werden solle, habe jeder Abgeordnete ein hübsches Päckchen mit einem Gratisexemplar zugestellt bekommen. Nur im Prinzip herrscht Einigkeit: Der Austausch mit Interessenvertretern ist ein unentbehrliches Mittel der Entscheidungsfindung. Zumal in Brüssel, wo die Belange von 28 Mitgliedstaaten unter einen Hut gebracht werden müssen. Der Apparat, der Spielregeln für das Zusammenleben eines ganzen Kontinents erarbeitet und überwacht, ist entgegen landläufigen Vorurteilen verhältnismäßig klein. Die EU-Dienststellen in Brüssel beschäftigen rund 40.000 Personen, so viel wie eine mittlere deutsche Großstadt. Schon lange bevor sie den ersten Gesetzentwurf auf den Tisch legt, holt sich die EU-Kommission Sachverstand von außen.

Die Externen mischen während des weiteren Gesetzgebungsverfahrens mit, auch unaufgefordert. Das "Transparenz-Register" des EU-Parlaments verzeichnet derzeit 3982 gemeldete Lobbyisten, oder auf Amtsdeutsch "für den Zugang zu den Gebäuden des Europäischen Parlaments akkreditierte Personen, die registrierte Organisationen vertreten". Auf der Internet-Seite des Parlaments kann sich jedermann informieren, um welche Organisationen es sich da handelt. Die Liste reicht von einer Gruppierung namens "A2e.CDoc" bis zu den "Zwiebelfreunden". Längst nicht alle Lobbyisten sind akkreditiert. Die tatsächliche Zahl liegt nach Schätzungen zwischen 15 000 und 20 000.

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