Helmut Kohl Journalist veröffentlicht deftige Sprüche des Altkanzlers

BERLIN · Das gesprochene Wort des Altkanzlers war durchaus für die Nachwelt bestimmt. Die Zitate, um die es geht, sind nicht im privaten Gespräch gefallen.

Vielmehr hat sich Helmut Kohl immer wieder mit dem WDR-Journalisten Heribert Schwan getroffen, um seine Erinnerungen festzuhalten.

Schwan ist per Zug nach Mannheim gereist, wurde von Kohls Fahrer am Bahnhof aufgelesen, zum Bungalow in den nahegelegenen Ludwigshafener Stadtteil Oggersheim gebracht. Man hat miteinander Kaffee getrunken und zog sich dann in den Hobbykeller zurück. Die Gespräche zwischen Kohl und seinem mit ihm inzwischen verfeindeten Biografen Schwan wurden auf Tonband aufgenommen. 600 Stunden sind festgehalten.

Kohl, der seit einem schweren Sturz 2008 kaum mehr reden kann, und seine zweite Frau Maike Richter wollen Schwan die Benutzung der Bänder untersagen. Schwan wurde 2013 vom Landgericht Köln gezwungen, die Bänder dem Altkanzler zu übergeben. Der Journalist geht nun in die Offensive, in den nächsten Tagen erscheint sein Buch über die Gespräche mit dem Altkanzler. Der Titel: "Vermächtnis. Die Kohl-Protokolle". Der "Spiegel" zitiert bereits in seiner aktuellen Ausgabe daraus.

Die Protokolle legen nahe, dass sich der Altkanzler in diesen Kellergesprächen von einer herrlich unverstellten Seite zeigte. Gut zwei Jahre nach seiner Abwahl als Kanzler geht er in drastischer Wortwahl mit so ziemlich der gesamten Führungsriege der Union in seiner Ära hart ins Gericht.

Dabei darf man nicht vergessen, in welchem zeitlichen Kontext die Gespräche stattfanden: Kohl war wegen der Spendenaffäre zur persona non grata in der eigenen Partei geworden, weil er sich weigerte, die Namen der Spender zu nennen. Er hatte das Gefühl, dass ihm von seinen ehemals engsten Mitarbeitern und Ministern tiefes Unrecht angetan wurde.

Der Historiker Kohl ging seinerzeit davon aus, dass die Inhalte der Gespräche erst nach seinem Tod in der Öffentlichkeit bekannt werden würden. Kohl findet deftige Vokabeln für so gut wie jeden, der in der Union einmal etwas zu sagen hatte.

Über das damalige Gespann an der Spitze von Partei und Fraktion, Angela Merkel und Friedrich Merz, soll Kohl Folgendes gesagt haben: "Die Merkel hat keine Ahnung, und der Fraktionsvorsitzende ist ein politisches Kleinkind." Dem baden-württembergischen Ministerpräsidenten Lothar Späth, der kurz vor der Wiedervereinigung einen parteiinternen Putsch gegen Kohl anzetteln wollte, wirft Kohl vor, er habe sich seinen Widersachern in den Medien angedient: "Der Späth hat sich dieser Mischpoke angeschlossen. Sie haben ihn hochgeschrieben."

Auch Politiker außerhalb der Union bekommen Breitseiten ab. Über Wolfgang Thierse, der zur Zeit der Parteispendenaffäre Bundestagspräsident war, muss sich Kohl maßlos geärgert haben. Andernfalls würde er dem Berliner Genossen nicht ein "Volkshochschulhirn" attestieren.

Mit dem Abstand von fast anderthalb Jahrzehnten erinnert sich der Leser wieder daran, wie deftig der Altkanzler formulieren konnte, wenn er sich über einen politischen Gegner ärgerte. Und der Ärger fiel umso heftiger aus, wenn Kohl den Gegner in der eigenen Partei ausmachte. Die Zitate zeigen allerdings auch, dass Kohl der Meinung war, niemand in der Union könne ihm das Wasser reichen. Zumindest in der Person von Angela Merkel weiß man heute, dass auch ein Kohl sich täuschen kann.

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