James D. Bindenagel Inhaber der Kissinger-Professur stellt sich Diskussion

BONN · James D. Bindenagel nahm die Proteste im Vorfeld der Podiumsdiskussion in der Bonner Akademie für Forschung und Lehre praktischer Politik "wohl wahr". Mit Grablichtern übten vor allem Studenten Kritik an der neuen Kissinger-Professur, die Bindenagel innehat.

Die Gesprächsrunde, an der auch Hans-Dieter Heumann, Präsident der Bundesakademie für Sicherheitspolitik, und Michael Roth, Staatsminister für Europa im Auswärtigen Amt, teilnahmen, war für Bindenagel der erste öffentliche Auftritt. Der Frage eines Professors, was er von den Kritikern vor der Tür halte, begegnete Bindenagel mit Gesprächsbereitschaft: "Wir müssen uns auseinandersetzen, gerade weil wir anderer Meinung sind."

Die Spitze, inwiefern die USA eine "imperiale Macht" sei, die in Länder einmarschiere, vertagte der Amerikaner Bindenagel auf den anschließenden Empfang im Foyer.

Die eigentliche Fragestellung des Abends, nämlich die nach der Handlungsfähigkeit Europas in aktuellen und zukünftigen internationalen Konflikten, sorgte dann doch noch für eine Diskussion. Allem voran die Ukraine-Krise. Staatsminister Roth und Bindenagel teilten die Ansicht, dass Russland mit der Annexion der Krim Völkerrecht gebrochen habe. "Dafür gibt es auch keine Rechtfertigung", sagte Roth. Militärisch sei diese Auseinandersetzung nicht beizulegen.

"Da hilft nur die Diplomatie, auch wenn das ein langwieriger Prozess ist." Denn egal, wie man Putins nationalistischen Kurs bewerte: Russland bleibe ein wichtiger Nachbar, ohne den die Weltpolitik nicht funktioniere. Heumann fasste es so zusammen, dass Russland ein neue Orientierung habe, die von den eurasischen Gebieten bis hin zum Pazifik reiche.

Den Einwand eines Studenten, dass Russland sich durch die Osterweiterung der Nato und der EU bedrängt fühle, ließ Bindenagel nicht unkommentiert im Raum stehen. "Verständnis dafür hin oder her, das heißt nicht, dass es richtig ist, was Putin macht." Den Zerfall der Sowjetunion sei sicherlich eine herbe geopolitische Niederlage gewesen. "Aber das ist nicht unsere Schuld, wir dürfen nicht die Verantwortung übernehmen."

Ein Bundeswehr-General wollte wissen, welche Erwartungen die USA an Deutschland und die EU auf internationaler Ebene hätten. "Leadership", eine Führungsrolle, so Bindenagel. Die müsse nicht zwangsläufig militärisch sein. Vielmehr ginge es darum, die eigenen Interessen mit Nachdruck zu vertreten. "Das ist mit der Sicherheitskonferenz geschehen und auch bei den Sanktionen gegen Russland."

Staatsminister Roth, der mit flammender Begeisterung vom politischen System der EU sprach, beschwor am 25. Jahrestag der Prager Balkonszene die europäische Wertegemeinschaft, die auf Teilhabe und Toleranz basiere. Und dass die Herausforderung sei, es gegen konkurrierende Systeme zu verteidigen.

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