Interview mit Opferbeauftragtem Höhere Entschädigung für Terror-Opfer

Berlin · Die Bundesregierung will als Konsequenz aus dem Terroranschlag von Breitscheidplatz im Dezember 2016 die Soforthilfe für Hinterbliebene solcher Taten verdreifachen. Ein Interview mit dem Opferbeauftragten der Bundesregierung.

 Der Anschlag vom Breitscheidplatz im Dezember 2016 hat gezeigt, dass im Umgang mit Opfern und Hinterbliebenen viel verbessert werden muss, sagt Edgar Franke.

Der Anschlag vom Breitscheidplatz im Dezember 2016 hat gezeigt, dass im Umgang mit Opfern und Hinterbliebenen viel verbessert werden muss, sagt Edgar Franke.

Foto: dpa

Die Bürger, die zufällig Opfer von Terror werden, würden stellvertretend für den Staat angegriffen, sagt Edgar Franke (SPD). Mit dem neuen Opferbeauftragten der Bundesregierung sprach Eva Quadbeck.

Kommt viel Post bei Ihnen an von Leuten, die Rat und Hilfe benötigen oder Forderungen an Sie stellen?

Edgar Franke: Ich bin Beauftragter der Bundesregierung für Terroropfer im Inland. Oftmals glauben die Menschen, ich sei beispielsweise auch für Opfer von allgemeiner Kriminalität oder häuslicher Gewalt zuständig. Natürlich beantworten wir alle Briefe, aber eigentlich fällt dies in die Zuständigkeit der Länder.

Der Bedarf scheint aber da zu sein?

Franke: Ja, das ist richtig, der Bedarf für einen Ansprechpartner ist groß.

Warum kümmert sich die Bundesregierung so exponiert um Terroropfer?

Franke: Terrorakte müssen anders behandelt werden als andere Verbrechen. Terror ist immer ein Angriff auf den Staat, seine Strukturen und seine Repräsentanten. Ziel von Terroristen ist die Destabilisierung des Staates, der Demokratie, der freiheitlichen Gesellschaft. Die Bürger, die zufällig Opfer von Terror werden, werden stellvertretend für den Staat angegriffen. Es ist ein Unterschied, ob man Opfer einer individuellen Straftat oder eines Terroraktes wird. Hier geht es auch darum, das Vertrauen der Menschen in einen funktionierenden Rechtsstaat zu bewahren - deshalb haben wir hier eine besondere Verantwortung.

Welche Rolle nehmen Sie für die Opfer ein?

Franke: Ich bin der zen-trale Ansprechpartner, Fürsprecher und Kümmerer für alle Terroropfer im Land. Also selbstverständlich für alle deutschen Staatsbürger, aber auch für ausländische Bürger, die in Deutschland Opfer eines terroristischen Anschlags sind. Wir hoffen natürlich, dass es keine Terroranschläge mehr gibt. Dennoch müssen wir uns für einen solchen Fall vorbereiten und entsprechende Strukturen schaffen. Opfern und Hinterbliebenen muss schnell und unbürokratisch geholfen werden. Zurzeit führe ich mit allen Ebenen Gespräche, die mit Terroropfern in Berührung kommen - Sicherheitsbehörden, Ministerien, Kommunen, Sozialkassen und Kliniken und Opfereinrichtungen wie der "Weiße Ring".

Was wollen Sie konkret für die Opfer von Terroranschlägen verbessern?

Franke: Wichtig ist zunächst, den betroffenen Menschen zu zeigen, dass sie wahrgenommen werden und einen zentralen Ansprechpartner in mir haben. Der Anschlag vom Breitscheidplatz im Dezember 2016 hat gezeigt, dass gerade hier viel verbessert werden muss. Eine pauschale Soforthilfe von 10.000 Euro für den Verlust eines Kindes, eines Elternteils oder des Ehegatten bzw. 5000 Euro für den Verlust der Schwester oder des Bruders ist viel zu wenig. Hier muss eine deutliche Erhöhung vorgenommen werden. Ziel ist es, diese Härteleistungen für diese Hinterbliebenen von 10.000 auf 30.000 Euro und von 5000 auf 15.000 Euro zu erhöhen. Weitere Verbesserungen sind notwendig bei den Ansprüchen nach dem Opferentschädigungsgesetz. Auch Touristen aus dem Ausland, die keine EU-Bürger sind, müssen in Zukunft dieselben Zahlungen wie alle anderen erhalten können. Das war bislang nicht möglich. Beim Breitscheidplatz ist ein israelisches Ehepaar erheblich verletzt beziehungsweise zu Tode gekommen, das nach dem Opferentschädigungsgesetz nur einen sehr eingeschränkten Zahlungsanspruch hat. Das darf so nicht sein! Auch materielle Schäden müssen künftig erstattet werden können. Die Weihnachtsbudenbesitzer hatten Glück, dass beim Anschlag ein Lkw benutzt wurde. Sie haben durch die Verkehrsopferhilfe, eine Einrichtung der deutschen Autohaftpflichtversicherer, eine Entschädigung erhalten. Hätte sich der Attentäter in die Luft gesprengt, wären sie leer ausgegangen. Das darf so nicht bleiben.

Hinterbliebene des Terroranschlags vom Breitscheidplatz erhielten nach Monaten blutverschmierte Schuhe ihrer verstorbenen Angehörigen zurück inklusive amtlichem Schreiben. Müssen die Behörden mehr Empathie lernen?

Franke: Ja. Das ist ein ganz wichtiger Punkt. Mitarbeiter der verschiedenen Behörden, die die Nachricht einer schweren Verletzung oder beispielsweise den Hinterbliebenen persönliche Gegenstände der Todesopfer überbringen, benötigen eine besondere Schulung. Ich glaube, insgesamt ist es wichtig, dass Betroffene nicht alleingelassen werden und sich ernst genommen fühlen. Ja, das hat auch mit viel Empathie und Zuhören zu tun. Genau das ist mein Ansatzpunkt.

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