GA-Serie: Parteien auf dem Prüfstand (IV) Die Grünen wollen vor allem eines: Regieren

BERLIN · Mittlerweile sind Deutschlands Grüne in zehn Ländern an der Macht. Nun dringen sie darauf, spätestens 2017 auf Bundesebene mitzumischen.

 Daueraufsteiger bei den Grünen: Winfried Kretschmann.

Daueraufsteiger bei den Grünen: Winfried Kretschmann.

Foto: dpa

Seit elf Jahren sind die Grünen auf Bundesebene in der Opposition. Das wollen sie im nächsten Jahr ändern.

Ausgangslage: Mittlerweile sind sie in zehn Ländern an der Macht. Ihre Regierungsbündnisse könnten bunter kaum sein: Grün-Schwarz (Baden-Württemberg), Schwarz-Grün (Hessen), Schwarz-Rot-Grün (Sachsen-Anhalt), Rot-Rot-Grün (Thüringen), Rot-Gelb-Grün (Rheinland-Pfalz), Rot-Grün-Blau (mit Südschleswigschem Wählerverband in Schleswig-Holstein) und Rot-Grün (Bremen, Hamburg, Niedersachsen und NRW).

Mittlerweile haben die Grünen so viel Gewicht im Bundesrat, dass Streitthemen wie die Einstufung der Maghreb-Staaten als sichere Herkunftsländer und ein Kompromiss bei der Erbschaftssteuer ohne Einwilligung der Öko-Partei nicht mehr beigelegt werden können. Mit der Vielzahl von Koalitionen stellen die heutigen Grünen sogar die einstige Dauerregierungspartei FDP in den Schatten. Die Grünen können es sich als Leistung zuschreiben, dass ihnen dieser Ruch trotz ihrer Offenheit für ungewöhnliche Bündnisoptionen nicht anhaftet.

Auf der Habenseite ihrer Bilanz steht auch, dass Realos wie Linke das gleiche Ziel ansteuern: Dass die frühere Parteichefin und heutige Bundestagsvizepräsidentin Claudia Roth nach dem Machtverlust 2005 betonte, Opposition sei kein Mist, sondern auch wichtig, ist lange her. Die Grünen wollen „spätestens 2017“ auf Bundesebene wieder regieren – das hat ein Parteitag schon vor drei Jahren beschlossen.

Strategie: So positiv die Ausgangssituation für die Grünen ist, denen die Umfragen derzeit bundesweit 13 Prozent zutrauen und so einmütig regierungswillig die Partei auch dasteht, so vage ist bisher, mit welchem Kurs die Ökopartei an die Macht kommen will. Auf „Eigenständigkeit“ setzen die Grünen, eine Koalitionsaussage verbietet sich angesichts der unberechenbaren Machtoptionen. Aber wo verläuft der Weg zum Wahlerfolg im Bund? Die Antwort liegt im Ungefähren: Auf der einen Seite stehen die Baden-Württemberg-Grünen, die mit ihrem realpolitischen, wirtschaftsfreundlichem Kurs zuletzt dreißig Prozent der Wähler erreichten und mittlerweile den Anforderungen an eine Volkspartei genügen müssen. Den anderen markieren die Grünen als Nischenpartei, die mit einem klaren linken Profil die Stammwähler an die Urnen bringen, wie im Saarland oder Bayern.

Spitzenkandidat: Weil den Grünen mit ihrer doppelten Doppelspitze ein klares strategisches Zentrum fehlt, ist es wahrscheinlich, dass der programmatische Kurs über das Personal entscheidet. Die Spitzenkandidaten werden von Herbst bis 2017 per Urwahl bestimmt. Für die Frauen tritt Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt wieder an und wird wahrscheinlich die einzige Bewerberin bleiben. Um das Männerticket konkurrieren Parteichef Cem Özdemir (als türkischer Schwabe und wirtschaftsfreundlicher Realo), Fraktionschef Toni Hofreiter (als bodenständiger Ökologe) und der schleswig-holsteinische Umweltminister Robert Habeck (als smarter, intellektueller Realo, der die Grünen als eigenständige Kraft der Mitte etablieren will).

Auf- und Absteiger:Mit seinem zweiten Wahlsieg hat Baden-Württembergs Regierungschef Kretschmann sich als Daueraufsteiger und Eminenz in der Partei etabliert. Absteiger ist der vorige Spitzenkandidat Jürgen Trittin, der nach der Wahlniederlage den Fraktionsvorsitz im Bundestag aufgeben musste.

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