Strittiges Geheim-Dossier veröffentlicht Trump greift mit Veröffentlichung von Geheimpapier FBI an

Washington · Tagelang hielt das umstrittene Papier das US-Erregungsbarometer auf Höchststand. Die vom Präsidenten abgenickte Veröffentlichung ist ein Frontalangriff auf die Integrität wichtiger US-Institutionen. Trump lässt sich in der Russland-Affäre auf einen Showdown ein.

Schwere Eskalation in der Russland-Affäre und der daraus erwachsenen Dauer-Fehde zwischen Donald Trump und Spitzenvertretern des FBI und des Justizministerium (DOJ): Gegen die dringende Bitte der Bundespolizei und der oppositionellen Demokraten hat der US-Präsident gestern die Veröffentlichung bislang streng geheim gehaltener Informationen genehmigt, die massive Zweifel an der politischen Unabhängigkeit oberster Ränge von FBI und DOJ mit Blick auf die Russland-Ermittlungen gegen Trump und sein früheres Wahlkampfteam säen sollen.

Vereinfacht gesagt haben FBI und Ministerium ausweislich eines vom republikanischen Abgeordneten Devin Nunes auf vier Seiten zusammengestellten Memorandums in mindestens einem konkreten Fall ihre Befugnisse bei der Überwachung von amerikanischen Staatsbürgern missbräuchlich ausgedehnt. Dabei sei ein ehemaliger Trump-Berater quasi illegal abgehört worden.

Carter Page, der als Banker enge Kontakte nach Russland pflegte, soll demnach vor allem auf der Grundlage von Behauptungen aus einer Materialsammlung des früheren britischen Spions Michael Steele 2016 in die Fänge eines Spezialgerichts (FISA) geraten sein. Dass Steele, der auch etliche Begebenheiten zusammentrug, die Trump persönlich in den Ruch der Erpressbarkeit durch Moskau rücken, im Präsidentschaftswahlkampf 2016 über Umwege von den Demokraten dafür mit 160 000 Dollar entlohnt wurde, sei bei der Beantragungung des Richterbeschlusses verschwiegen worden. Ebenso die Tatsache, dass Steele ein leidenschaftlicher Trump-Gegner gewesen sei. Dieses Vorgehen komme einem „Besorgnis erregenden Zusammenbruch rechtlicher Prozeduren gleich", die US-Bürger vor ungerechtfertigten Spähangriffen schützen sollten, stellen die Republikaner fest.

Ohne den Input aus dem Steele-Dossier, dies habe der just zurückgetretene FBI-Vize-Direktor Andrew McCabe, unter Ausschluss der Öffentlichkeit ausgesagt, wäre die Überwachungsmaßnahme gegen Carter Page für die Bundespolizei so nicht in Betracht gekommen, legt das Memorandum nahe - geschweige denn dreimal verlängert worden. Zuletzt abgezeichnet noch Anfang 2017 von Rod Rosenstein. Seines Zeichens Vize-Justizminister und Trump ein Dorn im Auge, weil er in der Russland-Affäre im Mai 2017 den Sonder-Ermittler Robert Mueller einsetzte. Der ehemalige FBI-Chef sieht nach übereinstimmenden Medienberichten bei Trump Anzeichen der Justizbehinderung, was im Fall einer Anklage ein Amtsenthebungsverfahren zur Folge haben könnte.

Die Demokraten im Kongress wie die Spitzen von FBI (Christopher Wray) und Justizministerium (Rod Rosenstein) hatten bis gestern Morgen mehrfach an Trump appelliert, die Veröffentlichung des Papiers zu verhindern. Begründung: Es sei unglaubwürdig, unvollständig, übersehe wichtige Fakten und enthalte manipulierte Informationen, die der Reputation der Bundespolizei und der Justiz schweren Schaden zufügen können.

Trump ignorierte den Wunsch. Er verspricht sich, wie er laut New York Times intern gegenüber Mitarbeitern sagte, von der Publikation der für den Laien weitgehend unverständlichen Details Entlastung in eigener Sache. Laut Regierungsinsidern hofft Trump darauf, dass sich folgende Interpretation in der Bevölkerung festsetzt: Wenn FBI und Justizministerium schon bei einem kleinen Fisch wie Carter Page unseriös arbeiten und mit von Hillary Clinton-Fans frisierten Informationen eine geheime Überwachung anleiern, wie gesetzeskonform und unparteiisch werden dann erst die Ermittlungen gegen den Präsidenten und Mitglieder seiner ebenfalls in die Russland-Affäre tief verstrickten Familie sein?

Die Demokraten, denen aufgrund fehlender Mehrheit im Kongress die Veröffentlichung einer Art Gegengutachten verwehrt wurde, halten den Schachzug der Republikaner für eine Intrige, mit der die noch nicht beendete Arbeit von Sonder-Ermittler Mueller herabgewürdigt und eventuell sogar dessen vorzeitige Abberufung vorbereitet werden soll. Wie? „Trump könnte den durch das Nunes-Memorandum jetzt massiv ins Zwielicht geratenen Vize-Justizminister Rosenstein ablösen. Ein linientreuer Nachfolger würde dann Mueller in die Wüste schicken“, sagte auf Anfrage eine Analyst der Denkfabrik Brookings.

Ob es dazu kommt, war gestern nicht absehbar, auch wenn Trump seine persönliche Meinung nicht lange verbergen konnte. „Es ist eine Schande, was in diesem Land vor sich geht. Viele Leute sollten sich schämen“, sagte er nach Lektüre der gegen das FBI erhobenen Vorwürfe. Zuvor hatte der Präsident via Twitter den Spitzen von Bundespolizei und Justizministerium vorgeworfen, was eins zu eins gewöhnlich Trump nachgesagt wird: sie hätten „den heiligen Ermittlungsprozess zugunsten der Demokraten und gegen die Republikaner politisiert“.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort
Fehl am Platz
Kommentar zu den Nazi-Vergleichen von Ryszard Czarnecki Fehl am Platz