Kommentar zum Kinderzuschlag für arme Familien Reformbedarf

Meinung | Berlin · Leistungen für Bildung und Teilhabe sind eine zukunftsweisende Leistung des Sozialstaates, findet GA-Korrespondentin Eva Quadbeck. Die Behörden müssen darauf achten, dass sie den betroffenen Kindern auch zukommen.

 Symbolfoto.

Symbolfoto.

Foto: dpa

Ein dramatischer Befund ist es, dass die Zahl der Kinder und Jugendlichen, die für die Bewältigung des Schulalltags auf staatliche Hilfen angewiesen sind, immer weiter wächst. Wie auch die Zahl der Kinder, die dauerhaft von Hartz-IV leben müssen. Der erste Auftrag an die Politik muss sein, die Zahl dieser Familien zu senken – mit Programmen gegen Langzeitarbeitslosigkeit und Hilfsangeboten für die Bewältigung des Alltags.

Solange das nicht gelingt, sind die Hilfen aus dem Bildungs- und Teilhabepaket zwingend. Wer Kinder hat, weiß, wie teuer Schule sein kann: Turnschuhe für draußen und für die Halle – für schnell wachsende Kinderfüße, lange Listen der Lehrer mit Materialwünschen und dann geht auch schon mal ein Füller verloren. Die 100 Euro, die bedürftige Familien pro Kind und Schuljahr erhalten, sind dafür keine große Summe. Die Leistungen für Bildung und Teilhabe, durch die auch Klassenfahrten, Schulmittagessen und die nachmittägliche Teilnahme am Fußballtraining im Sportverein finanziert werden kann, sind eine zukunftsweisende Leistung des Sozialstaates.

Umso mehr müssen die Behörden darauf achten, dass alle Kinder, denen diese Extrafinanzierung zusteht, sie auch erhalten. Bei Kindern aus Hartz-IV-Familien werden die Leistungen aus einer Hand gemeinsam mit den Bezügen für das Langzeitarbeitslosengeld beantragt. Familien, die wegen ihres niedrigen Einkommens Wohngeld oder einen Kinderzuschlag erhalten, haben auch ein Anrecht auf die Hilfen. Zu oft geht dieser Anspruch aber im Dschungel der Antragstellung verloren. Das trifft dann ausgerechnet die Familien, die trotz eines niedrigen Einkommens ihren Lebensunterhalt weitgehend aus eigener Kraft finanzieren. Dass ausgerechnet sie leer ausgehen, ist ungerecht und widerspricht auch dem Prinzip, wonach sich Leistung lohnen soll.

Der Kinderzuschlag muss ohnehin reformiert werden. Seine Beantragung ist hochbürokratisch. Wem es gelingt, sein Einkommen zu steigern, dem wird der Kinderzuschlag schnell wieder gestrichen, so dass sich Mehrarbeit oder das Fortkommen in eine höhere Lohnstufe in vielen Fällen nicht lohnt. Wenn die Regierung dieses Thema anpackt, sollte sie gleich dafür sorgen, dass die Kinder aus diesen Familien ähnlich wie beim Hartz-IV-Bezug ohne weitere Hürden auch die Leistungen für Bildung und Teilhabe erhalten.

Es ist richtig, dass die Behörden gründlich prüfen, wem sie steuerfinanzierte Sozialleistungen in welcher Höhe bewilligen. Es gibt genug schwarze Schafe, die das System geschickt und dreist auszunutzen wissen. Pflicht des Sozialstaates ist es aber auch, den Bedürftigen das zu gewähren, was ihnen zusteht. Bildung und Teilhabe am sozialen Leben gehört in jedem Fall in die Kategorie: Das steht Kindern zu.

Meistgelesen
Neueste Artikel
„Die Bedrohungslage ist hoch“
Bundesinnenministerin Nancy Faeser im Gespräch „Die Bedrohungslage ist hoch“
Zum Thema
Aus dem Ressort