Erpeler Tunnel Theaterstück "Die Brücke" feierte am Originalschauplatz Premiere

ERPEL · An der Kulisse hängt ein Schild mit einem Spruch, dem die Akteure hinter der Bühne folgen: "Klagt nicht, kämpft." Es ist noch zehn Minuten bis zur Generalprobe, es ist kalt und so dermaßen dunkel, dass sie gar nicht wissen können, ob die Uniform perfekt sitzt. "Wir müssen ja nicht schön sein", flüstert Statistin Hildegard Neustein, "waren die früher doch auch nicht."

Also kämpfen sie klaglos mit eben diesen Widrigkeiten des Erpeler Tunnels, dem Originalschauplatz des Zweiten Weltkriegs. Das Theaterstück "Die Brücke", das in fünf Jahren mehr als 75 Mal aufgeführt wurde, feierte gestern Abend Premiere. Der GA erhielt bereits am Tag zuvor einen exklusiven Blick hinter die Kulissen.

Walter Ullrich könnte tiefenentspannt sein. Ist er aber nicht. Einer seiner Offiziere fehlt noch. Er habe im Stau gestanden, irgendwo bei Koblenz. Als der Offizier doch noch pünktlich vorfährt, stapft Ullrich, der Regisseur, in den Tunnel, setzt sein Markenzeichen, die Schirmmütze, auf das lichte graue Haar und nimmt wenige Minuten später in Reihe fünf Platz.

Vorbei die Tage, an denen sie bis zu elf Stunden geprobt haben. Ob er Sorge hatte, es nicht bis zur Premiere einstudiert zu haben? "Nein, dann hätten wir halt noch mehr geprobt, heute Morgen zum Beispiel. Du musst so lange üben, bis es fertig ist", sagt Ullrich.

Als Leutnant Timmermann die ersten Worte seines vier DIN A 4-Seiten langen Monologs spricht, ist es hinter der Bühne mucksmäuschenstill. "Das schallt enorm. Man hört vorne alles", flüstert Hildegard Neuhaus. Vorne beginnt indes eine Geschichte, die auf einer wahren Begebenheit beruht.

Es geht um die Geschichte der Brücke von Remagen, die im Ersten Weltkrieg aus militärischen Gründen erbaut wurde und die im Zweiten Weltkrieg eingestürzt ist. Es geht um einen Granatsplitter der US-Alliierten, der eine Sprengung der Brücke verhinderte und so den Krieg einige Wochen schneller enden ließ. Das Theaterstück, in dem jedes einzelne Wort historisch belegt ist und das auf dem Buch "Die Brücke von Remagen" von Rolf Palm basiert, zeigt die Geschehnisse kurz vor der missglückten Sprengung.

Es bringt in historisch nachweisbaren Dialogen die Zerrissenheit der Hitler-Jungen, den Fanatismus, aber auch die Ängste der Befehlshaber auf die Bühne, die vollgestellt ist mit Originalwaffen und einem Volksempfänger, aus dem mehrfach originalgetreue Mitschnitte zu hören sind.

"Wenn ich Hamlet oder Macbeth inszeniere, kann ich mir Szenen ausmalen, kann meine Fantasie mehr ausleben. Aber ein Original ist etwas ganz Besonderes", sagt Walter Ullrich. "Ich wusste nur von Anfang an: Wenn wir es spielen, dann brauche ich alle Uniformen, ein Waffenlager, die Wehrmachtsberichte und alles bis ins letzte Detail geschichtsgetreu." Der mit 82 Jahren älteste Intendant Deutschlands wird in den folgenden 75 Minuten sehr häufig nicken.

Ein wiederholt stilles Lob, nach all den Strapazen der vergangenen drei Tage. US-Leutnant Timmermann, den Hanno Dinger überzeugend spielt, wird später sagen: "Das war Knochenarbeit." Mit Heiko Heinert als Hauptmann Bratke und Matthias Kiel als Major Scheller sind zwei Darsteller von der ersten Stunde des Stückes dabei. Auch ein Vorteil für Intendant Ullrich: Das Ensemble wechselt nur auf wenigen Positionen - in diesem Jahr auf drei.

"Die Integration dieser drei Darsteller war die größte Herausforderung", so Ullrich, der auch von der Zusammenarbeit mit dem Kunst- und Kulturkreis "Ad Erpelle" schwärmt: Dieser sorgte wie gewohnt für den Rahmen. Zum ersten Mal finden die Besucher auf einer fest installierten Tribüne Platz. Jeder Sitz ist darauf auch nötig: Für die meisten der 17 verbleibenden Vorstellungen gibt es nur noch Restkarten.

Als Leutnant Timmermann setzt Hanno Dinger den Schlusspunkt, einen glanzvollen noch dazu. Deutschland, so appelliert er in einem Monolog, dürfe nicht zu einem zweiten Karthago werden. "Nach dem ersten Krieg war Karthargo noch mächtig. Nach dem zweiten war es noch bewohnbar. Nach dem dritten war es nicht mehr auffindbar." Die Härchen auf dem Arm richten sich ein letztes Mal auf. Diesmal ist es nicht wegen der Kälte. Welch ein Ende!

Eintrittskarten

Die Premiere am Freitag war ausverkauft. Für fast alle weiteren 17 Vorstellungen gibt es noch Restkarten in der 2. Kategorie, die für 16,50 Euro an Vorverkaufsstellen erhältlich sind. So sind diese im Kleinen Theater Bad Godesberg (täglich 16-19 Uhr) sowie im Schreibwaren & Lotto Shop Sieberz, Kölner Straße 12 in Erpel, zu erwerben.

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