Bonner Schauspielchefin Abschied von Nicola Bramkamp an den Kammerspielen

Bonn · Bei der Abschiedsparty für die Bonner Schauspielchefin Nicola Bramkamp zogen die Anwesenden eine launige Bilanz. Das Chaos wird zum Konzept, alles darf fröhlich durcheinander laufen, wild und zügellos.

 Gruppenbild mit Schauspielchefin: Das Ensemble mit der scheidenden Nicola Bramkamp. FOTO: THOMAS KÖLSCH

Gruppenbild mit Schauspielchefin: Das Ensemble mit der scheidenden Nicola Bramkamp. FOTO: THOMAS KÖLSCH

Foto: Thomas Kölsch

Eine Ära geht zu Ende in den Kammerspielen. Fünf Jahre lang hat Nicola Bramkamp als Schauspieldirektorin die Geschicke hier, in der Werkstattbühne und zu Beginn auch in der Halle Beuel geleitet, nun verabschiedet sie sich, und mit ihr ein Teil des Ensembles. Doch ein letztes Mal wollen es alle noch einmal so richtig krachen lassen. Und so haben die Schauspieler, allen voran das Trio aus Mareike Hein, Hajo Tuschy und Daniel Breitfelder alias Die Dreistigkeit, die vergangenen Spielzeiten auf ihre Weise Revue passieren lassen.

Schrill und anarchisch, hintersinnig und wahnsinnig, gnadenlos und unterhaltsam. Künstliche und echte Penisse wurden entblößt, Statistiken gewälzt, Breitseiten gegen die Intendanz abgefeuert und vor allem jede Inszenierung der Ägide Bramkamp durch den Fleischwolf gedreht. Zugegeben, nicht jede Pointe zündete, manches sprach auch nur Insider an – aber in den besten Momenten sorgte diese Assoziationsreise zu den Glanzlichtern und Durchhängern für herrlich trashige, weil unbeschwerte Komik.

Natürlich lässt sich der Erfolg des Schauspiels auch in Zahlen messen. 70 Premieren hat das Ensemble in den vergangenen fünf Jahren gespielt, 25.755 Zuschauer wahlweise beglückt oder entsetzt, auf jeden Fall aber zum Nachdenken angeregt. Durchschnittlich 262 Stunden wurden pro Stück geprobt, unzählige Zeilen auswendig gelernt, alles für ein paar Minuten Bühnenzeit und für ein zufriedenes Publikum. All das war auch Theater. Aber noch mehr. Bewegende Momente, große Kunst und sowohl auf als auch hinter der Bühne sehr viel Gelächter.

Und genau das zeigt das Ensemble an diesem besonderen Abschiedsabend. Das Chaos wird zum Konzept, alles darf fröhlich durcheinander laufen, wild und zügellos. Der querschnittsgelähmte Samuel Koch, der einst in „Hiob“ zu sehen war, rast mit seinem Rollstuhl über die Bühne und mimt getreu des Mottos „Starlight Exzess“ die alte Dampflok, Bernd Braun gibt einmal mehr den augenzwinkernden Grandseigneur und Birte Schrein die herrlich proletenhafte Schlagersängerin, die Waffenschweine setzen noch einmal zum Teebeuteln an und überschreiten damit die Grenze des guten Geschmacks, und Daniel Breitfelder lässt sich das Theaterlogo auf den Knöchel tätowieren.

Preis für den ehrlichstenoder Schauspielmoment

Figuren aus „Metropolis“ treffen auf jene aus „Peter Pan“, die shakespeareschen Könige meucheln sich wieder durch das Ensemble, die Klischee-Wilden aus „Herz der Finsternis“ erhalten einen Preis für den ehrlichsten oder zumindest offenherzigsten Schauspielmoment (ebenso wie übrigens Johanna Falckner, die in immerhin 422 Vorstellungen zu sehen war, und auch Bramkamp erhält ihren Heidi-Klum-Moment samt entsprechendem Video-Dreh. Ab der kommenden Spielzeit wird der bisherige Chefdramaturg Jens Groß den Posten des Schauspieldirektors übernehmen und wahrscheinlich eine etwas andere Theatersprache in Bonn zu etablieren versuchen, mit neuen Akzenten. Das muss nicht schlecht sein, hatte es doch gerade das Schauspiel in den vergangenen Jahren nicht ganz so leicht in der Bundesstadt, die mit mancher überdrehten Produktion haderte.

Doch unter Bramkamp sind auch einige überaus spannende Stücke in Bonn gelaufen. Nicht nur für das Ensemble bedeutet dieser Wechsel daher eine Zäsur. Auch die Dreistigkeit wird es in dieser Form wohl nicht mehr geben: Mareike Hein ist schon aus dem Ensemble ausgeschieden, Hajo Tuschy wird es ihr gleichtun. Doch zumindest an diesem Abend geben sie noch einmal Vollgas, was sich nicht nur in der Inszenierung auf der Bühne der Kammerspiele zeigt, sondern auch in der anschließenden Party. „Genießt es, wer weiß, wann’s wieder was gibt.“ Stimmt.

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