Interview mit Wolfgang Bosbach "Gefährlich sind auch geistige Brandstifter"

Die Bedrohung durch den gewaltbereiten Salafismus ist leider sehr real, sagt Wolfgang Bosbach, (CDU), der Vorsitzender des Bundestags-Innenausschusses. Mit ihm sprach Thomas Wittke.

Wie viele Salafisten gibt es in Deutschland?
Bosbach: Aktuell gehen wir von gut 4000 Personen aus, die in Deutschland dem Salafismus zugerechnet werden können. Angesichts von über vier Millionen Muslimen bei uns ist dies zwar keine besonders große Zahl, aber sie steigt stetig an. Spätestens 2013 dürften schon über 5000 Personen diesem Milieu angehören.

Wie viele von ihnen sind gewaltbereit?
Bosbach: Bisher haben die Sicherheitsbehörden immer zwischen dem politischen Salafismus und dem dschihadistischen Salafismus unterschieden. Es stellt sich jedoch die Frage, ob diese Unterscheidung wirklich Sinn macht, denn nicht nur von den persönlich gewaltbereiten Salafisten geht eine konkrete Gefahr aus, ebenso gefährlich sind die geistigen Brandstifter, die Hass predigen oder gar zu Gewalt aufrufen.

Ist nach den Vorfällen in Bonn und nach den offenen Morddrohungen gegenüber Journalisten und Mitgliedern der Pro-NRW- Partei nicht ein Verbot zwingend?
Bosbach: Überall dort, wo sich eine Gruppe von Salafisten vereinsrechtlich organisiert hat, wird das zuständige Land NRW sicherlich ein Verbot ernsthaft prüfen. Das war schon in der Vergangenheit der Fall, beispielsweise beim Verein "Einladung zum Paradies". Alleine die Ankündigung des Verbotsverfahrens hatte dazu geführt, dass sich dieser Verein aufgelöst hat.

Wie hoch sehen Sie die Gefahr, dass radikale Einzeltäter sich durch Mordaufrufe von gewaltbereiten Salafisten ermuntert fühlen?
Bosbach: Erst am Mittwoch wurde uns im Innenausschuss des Bundestages die aktuelle Internetbotschaft vorgeführt, die ganz konkrete Morddrohungen beziehungsweise Mordaufrufe zum Inhalt hat. Nicht nur Mitglieder von Pro NRW, sondern auch Journalisten wird ganz konkret gedroht und daher müssen wir diese Mordaufrufe sehr ernst nehmen. Die Sicherheitsbehörden haben gegenüber den bedrohten Personen sofort die notwendigen Maßnahmen zur Gefahrenabwehr ergriffen und diese Ereignisse zeigen, dass die Bedrohung durch den gewaltbereiten Salafismus leider sehr real ist.

Sind die Salafisten die einzige Gefahr im Zusammenhang mit dem islamistischen Terror in Deutschland?
Bosbach: Die Salafisten sind im Milieu des gewaltbereiten Islamismus nicht die einzige Gefahr, aber eine ganz konkrete, weil sie besonders radikal sind und ihre Missionsarbeit ganz aktiv betreiben. Zwar sind nicht alle Salafisten Gewalttäter oder gar Terroristen, aber fast alle islamistischen Attentäter der letzten Jahre hatten zuvor Kontakte zu Salafisten oder salafistischen Gruppen. Das gilt auch für Arid U., der Anfang März 2011 auf dem Frankfurter Flughafen zwei US-Soldaten erschossen hat. Wer dennoch die erheblichen Gefahren, die vom radikalen und gewaltbereiten Salafismus ausgehen, unterschätzt oder relativiert, begeht einen kapitalen Fehler.

Zur Person

Wolfgang Bosbach (CDU) ist Vorsitzender des Bundestags-Innenausschusses. Der 59-jährige Politiker aus Bergisch Gladbach sitzt seit 1994 im Bundestag. Zwischen 2000 und 2009 war er stellvertretender Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, wo sich der verheiratete Vater von drei Kindern als innenpolitischer Experte schnell profilierte. Der Jurist leitet seit Beginn der schwarz-gelben Koalition den Ausschuss und gilt als wichtiger Experte in Fragen der Inneren Sicherheit und des religiös motivierten Extremismus

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