Vielfältigkeit verlangt Oscar-Academy wählt John Bailey zum Präsidenten

Los Angeles · Die ehrwürdige Oscar-Akademy will Altlasten abschütteln und hat sich dem Wandel von innen verschrieben. Auf dem Chefsessel sitzen soll dabei ein Branchenkenner. Der neue Academy-Präsident John Bailey wird seine lange Erfahrung im Filmbusiness gut gebrauchen können.

 Die Oscar-Akademy vergibt die Goldjungs und hat sich dem Wandel von innen verschrieben.

Die Oscar-Akademy vergibt die Goldjungs und hat sich dem Wandel von innen verschrieben.

Foto: Matt Sayles

Eine der größten Aufgaben, die auf John Baileys neuem Schreibtisch bei der Oscar-Academy warten, lautet "diversify". Vielfältiger soll die mächtige Filmakademie werden, mehr Frauen und Afroamerikaner sollen in eine Organisation hineinwachsen, die lange von weißen, älteren Männern beherrscht wurde.

Das Problem ist nur: Der 76 Jahre alte Bailey, bekannt als Kameramann der Komödie "Und täglich grüßt das Murmeltier" und nun als neuer Präsident der Academy gewählt, ist ein weißer, älterer Mann.

Es waren wechselhafte, teils turbulente vier Jahre, die Baileys Vorgängerin Cheryl Boone Isaacs an der Academy-Spitze durchlebte. Unter dem Hashtag #OscarsSoWhite, mit dem die Zahl überwiegend weißer Oscar-Nominierungen beklagt wurde, segelte die Organisation durch einen Twitter-Sturm. Die schwere Panne, als im Februar versehentlich "La La Land" statt "Moonlight" als Oscar-Gewinner verlesen wurde, kratzte weiter am Image der traditionsreichen Akademie.

Das Unwetter hat sich inzwischen gelegt. Unter Boone Isaacs - die erste Afroamerikanerin auf dem Posten - wurden im Juni 774 Profis aus der Filmbranche als neue Mitglieder eingeladen, laut einem Bericht der "Los Angeles Times" sind 39 Prozent davon Frauen und 30 Prozent von ihnen Menschen dunkler Hautfarbe. Insgesamt sind damit 28 beziehungsweise 13 Prozent der rund 7000 Mitglieder Frauen oder Vertreter von Minderheiten. Und allein Baileys Hautfarbe und Geschlecht müssen ja nicht zwingend heißen, dass er diesen Kurs nicht fortsetzt.

Aber im glitzernden Hollywood, wo schöner Schein und eine gute Optik als harte Währung gehandelt werden, zählt eben auch das Bild. Der als Teilzeitjob gedachte Posten des Academy-Präsidenten ist unbezahlt, es geht vor allem um Symbolisches und Zeremoniell. Und wo jeden Tag hunderte Kameras klicken, mag der etwas faltige Herr im dunklen Anzug eben nicht nach dem Fortschritt aussehen, den einige sich wünschen. Boone Isaacs sprach trotzdem von "Evolution", "Wandel" und "einer aufregenden Zeit", als sie im Mai laut über ihre (damals noch offene) Nachfolge und die kommenden Jahre der Academy nachdachte.

Hinter dem wichtigsten Preis der amerikanischen Filmbranche und hinter der Akademie stehen diejenigen, die Hollywood auf und abseits der Leinwand beherrsch(t)en: Tom Hanks, Whoopi Goldberg, der Regisseur Steven Spielberg und die Star-Produzentin Kathleen Kennedy waren Berichten zufolge unter den mehr als 50 Vorstandsmitgliedern, die am Dienstagabend in Beverly Hills Bailey zum 31. Präsidenten wählten.

Der Entschluss kam überraschend, eigentlich hatte die 50 Jahre alte Laura Dern ("Jurassic Park") als Favoritin gegolten. "Dern hätte für eine neue Richtung der Akademie gestanden", schreibt "Vanity Fair". "Stattdessen wählte die Gruppe wieder einen Industrie-Veteranen mit Erfahrung hinter der Kamera und innerhalb der Akademie." Bailey war auch in "Besser geht's nicht" mit Jack Nicholson (1997) und "Picknick mit Bären" (2015) mit Robert Redford für die Kameraführung zuständig und sitzt seit mittlerweile 14 Jahren im Academy-Vorstand.

Seine paar mehr Jahre Erfahrung dürften Bailey für mögliche neue Stürme wappnen, die auch unter der Sonne Kaliforniens gern ohne Vorwarnung aufziehen. Neben der Vielfalt muss er den mutigen und teuren Bau eines Academy-Museums in Los Angeles im Auge behalten. Der Job des Präsidenten sei viel aufreibender, der prüfende Blick der Öffentlichkeit heute viel genauer geworden, sagte Boone Isaacs im Frühjahr. "Heiliger Strohsack, hat es sich gewandelt."

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