Flüchtlingssituation in Bonn Politik will keine Holzhäuser aufstellen

Bonn · Der immer schärfere Protest der Sportvereine gegen die Nutzung von Turnhallen für Flüchtlinge und die Verärgerung von Ratsmitgliedern über die Pläne der Verwaltung, für rund 23 Millionen Euro Holzhäuser als Notunterkünfte zu errichten: Oberbürgermeister Ashok Sridharan (CDU) sieht sich wegen der städtischen Flüchtlingspolitik zunehmend in der Kritik.

 Auch das leerstehende Viktoriabad soll als mögliche Unterkunft für Flüchtlinge geprüft werden. Foto: Horst Müller

Auch das leerstehende Viktoriabad soll als mögliche Unterkunft für Flüchtlinge geprüft werden. Foto: Horst Müller

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Auch in den eigenen Reihen. Der OB hatte das Thema Flüchtlinge nach seinem Amtsantritt zur Chefsache erklärt, doch das läuft ihm nach Meinung der Sportler und auch von Vertretern der Ratsparteien zurzeit aus dem Ruder.

CDU-Ratsfraktionschef Klaus-Peter Gilles sagte gestern, seine Fraktion werde den Plänen für die Holzhäuser auf keinen Fall zustimmen. „Das ist ein schwachsinniges Projekt“, sagte er. „Die Häuser kosten seriös gerechnet 3000 Euro pro Quadratmeter, dafür kann man Luxuswohnungen bauen“, sagte er. FDP-Fraktionschef Werner Hümmrich sieht das genauso. „Das Projekt ist verantwortungslos“, kritisierte er. Skepsis auch bei den Grünen und der SPD: Es seien noch viele Fragen offen, sagten Brigitta Poppe (Grüne) und Bärbel Richter (SPD).

Auch bei den Turnhallen sind sich die Politiker einig, dass sie als Flüchtlingsunterkünfte nur eine Übergangslösung sein können. Hümmrich sieht andernfalls den sozialen Frieden in der Stadt gefährdet. „Das artet doch in Verteilwettkämpfe aus. Immerhin haben wir eine Verantwortung für die gesamte Stadt“, sagte der Liberale. Und wie die Sportvereine sehen auch die Politiker das Potenzial in Bonn an leerstehenden Immobilien zur Unterbringung von Flüchtlingen lange nicht ausgeschöpft.

Katastrophenschutzräume als Übergangsbleibe

„Warum nutzen wir zum Beispiel nicht die Katastrophenschutzräume? Wenigstens vorübergehend als Schlafplätze“, sagte Gilles. CDU-Fraktionsgeschäftsführer Georg Fenninger brachte erneut das seit Jahren geschlossene Viktoriabad in der City ins Gespräch. „Auch das darf doch in der Diskussion nicht tabu sein“, sagte er. Hümmrich geht noch einen Schritt weiter: „Ich würde als Stadt das Landesbehördenhaus einfach besetzen. Da können doch vorübergehend Menschen leben.“

Der Vorsitzende des Stadtsportbunds (SSB), Michael Scharf, kritisierte vor allem die aus seiner Sicht „intransparente“ Informationspolitik der Stadt. „Wir verstehend ihre Lage. Aber es kann nicht sein, dass wir morgens erfahren, dass am selben Tag eine Halle für den Sport gesperrt wird“. Auch vermisst er ein solidarisches Zusammenspiel aller gesellschaftlichen Kräfte. So könnte die Stadt den Sportvereinen beispielsweise Räume der Beethovenhalle für Trainingszwecke anbieten.

Sridharan kündigte gestern an, alle bereits geprüften Gebäude noch einmal auf ihre Eignung zur Unterbringung der Flüchtlinge zu überprüfen und Gebäude, die noch nicht geprüft worden seien, in die Überlegungen einzubeziehen. Dazu zählten das Viktoriabad und die Katastrophenräume. Trotzdem: „Wir müssen auch weiterhin planen, Turnhallen zu nutzen, wenn wir die Flüchtlinge nicht in Zelten unterbringen wollen.“ Am Montag will die Verwaltung sich mit allen Beteiligten an einen Tisch setzen und über das weitere Vorgehen gemeinsam beraten, sagte er. „Das ist ein gutes Zeichen“, lobte Scharf.

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