Pläne der Kohlekommission Bonner Bundesamt soll in Kohlerevier ziehen

Bonn · In den jetzigen Kohleregionen sollen neuen Jobs entstehen. Die eingesetzte Kohlekommission hat dafür erste Vorschläge vorgelegt. Sollten diese umgesetzt werden, hat das größere Auswirkungen auf Bonn.

Der Bonner FDP-Bundestagsabgeordnete Alexander Graf Lambsdorff nennt den Vorschlag schlicht „absurd“, die Grünen-Abgeordnete Katja Dörner fragt nach dem Mehrwert für den Strukturwandel und sieht nur ein Mehr an Verkehr – erste Vorschläge der Kohlekommission stoßen in der Region auf Verwunderung und Ablehnung. Im zweiten Entwurf für ihren Zwischenbericht empfiehlt die Kommission den Umzug des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) und des Bundesverwaltungsamtes (BVA) in die vom Kohleausstieg betroffenen Braunkohle-Regionen. Zurzeit haben die Bundesbehörden ihren Sitz in Bonn beziehungsweise Köln.

Der entsprechende Passus in dem Papier besteht aus zwei knappen Sätzen auf Seite 36. „Die Kommission sieht die Notwendigkeit einer Selbstverpflichtung des Bundes und der Länder, in den kommenden Jahren Neugründungen, Verlagerungen oder Erweiterungen von Behörden oder Einrichtungen prioritär in den betroffenen Regionen vorzunehmen. Behörden, die hierfür in Frage kommen, sind unter anderem das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) und das Bundesverwaltungsamt“, heißt es in dem Bericht, der unserer Redaktion vorliegt. Er soll an diesem Donnerstag in der Kommissionssitzung in Berlin beraten werden.

Offiziell weiß man weder beim BSI noch beim BVA etwas von den Überlegungen. Das BSI setzt auch ganz auf den Standort Bonn. Die Behörde sei seit fast 30 Jahren in unmittelbarer Nähe zum Rheinischen Braunkohlerevier angesiedelt, sagte Pressesprecher Tim Griese auf Anfrage dieser Zeitung, und fügte hinzu: „Die Region um Bonn entwickelt sich mehr und mehr zu einem zentralen Kompetenzzentrum der Cyber-Sicherheit, in dem neben dem BSI auch Telekommunikationsunternehmen, das Kommando CIR der Bundeswehr sowie exzellente Hochschulen und Forschungseinrichtungen in Bonn, Sankt Augustin, Aachen und Jülich angesiedelt sind.“

Das BSI leiste von Bonn aus einen bedeutenden infrastrukturellen Beitrag für die gesamte Region und damit auch für das Rheinische Braunkohlegebiet. Zudem verweist er auf Neubaupläne: „Mit dem in Planung befindlichen Bau einer neuen Dienstliegenschaft in Bonn stellt das BSI die Weichen, das Wachstum des BSI auch langfristig in Bonn zu realisieren.“ Der Standort solle den Raumbedarf einer wachsenden Behörde berücksichtigen. Im Haushaltsentwurf für 2019 seien weitere 350 Stellen vorgesehen – damit stiege die Mitarbeiterzahl auf etwa 1300.

Scharfe Kritik von der IHK

Das Bundesverwaltungsamt äußerte sich ausweichend zu den Plänen. Auf Anfrage dieser Zeitung sagte Pressesprecherin Sabine Lang, das Bundesinnenministerium, in dessen Zuständigkeitsbereich das BVA falle, warte die Empfehlungen der Kommission ab, diese arbeite unabhängig. Grundsätzlich prüfe die Bundesregierung, inwieweit durch die Ansiedlung neuer, geeigneter Institutionen bestehender Behörden und die Errichtung neuer Institutionen in strukturschwachen Regionen die wirtschaftliche Entwicklung dieser Regionen unterstützt werden könne. „Konkrete Überlegungen zu einzelnen Behörden gibt es im Bundesinnenministerium noch nicht.“

Zurzeit hat das BVA bundesweit etwa 5500 Mitarbeiter, gut 2000 davon an den vier Kölner Standorten in Riehl, Braunsfeld und zweimal in Ossendorf.

Auf scharfe Kritik stoßen die Ideen bei den beiden zuständigen Industrie- und Handelskammern. Als „ordnungspolitisch bedenklich“ stuft Hubertus Hille, Hauptgeschäftsführer der IHK Bonn/Rhein-Sieg den Vorschlag ein. „Es ist nicht im Sinne der IT-Sicherheit Deutschlands, wenn das BSI nun in Gegenden verlegt wird, die bislang von der Kohle lebten. In Bonn gibt es ein beeindruckendes Cyber Security Cluster aus Behörden, wissenschaftlichen Einrichtungen und Unternehmen, die sich gegenseitig hervorragend ergänzen und befruchten. Das BSI aus diesem Netzwerk heraus zu lösen wäre nicht zuletzt für das BSI selbst mehr als kontraproduktiv.“

Bei den Städten Bonn und Köln weiß man offiziell nichts

Er verwies darauf, dass es kürzlich gelang, diese Cybereinrichtungen durch ein aktiv gemanagtes Cyber Cluster viel enger zu vernetzen – dies werde in Kürze der Öffentlichkeit vorgestellt. Zudem erinnerte er daran, dass die Ansiedlung von Bundesbehörden in Bonn Teil des Bonn-Berlin-Gesetzes waren.

„Strukturpolitik ist etwas anderes“, sagte Ulrich Soénius, stellvertretender Hauptgeschäftsführer der IHK Köln. Eine Umsetzung der Vorschläge würde nur den Steuerzahler Millionen von Euro kosten. Alte Probleme könne man nicht lösen, indem man neue schaffe. Als innovativ sieht er etwas anderes an – wie die Pläne für einen neuen Standort der TH Köln in Erftstadt.

Bei den Städten Bonn und Köln weiß man offiziell nichts von den Ideen. „Ein solcher Vorschlag würde auch verwundern. Das Bundesverwaltungsamt ist in Köln gut etabliert und in verschiedene Netzwerke der Stadtgesellschaft integriert. Den Sinn in einem möglichen Wegzug kann die Stadt Köln derzeit auch nicht erkennen“, sagte Pressesprecher Alexander Vogel. Die Stadt Bonn könne sich zu Ansiedlungsfragen der Bundesregierung nicht äußern, sagt Sprecherin Monika Hörig. Aber auch sie verwies auf das Netzwerk von IT-Einrichtungen und sagte: „Was das BSI angeht, geht die Stadt davon aus, dass die Bonner Behörde, deren Mitarbeiter auch in der Region wohnen, in Bonn bleibt und hier auch ihre Neubaupläne realisiert.“

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort