Interview mit Andrej Mangold "Ich bin nicht enttäuscht, sondern sauer"

BONN · Nichtstun fällt Andrej Mangold schwer. Ein früher Interviewtermin war ihm daher recht - denn der Tag ist auch in der spielfreien Zeit vollgepackt. Die Vertragsverlängerung des Guards, der seit 2011 auf dem Hardtberg spielt, war die erste Entscheidung in der Kaderplanung der Telekom Baskets für die Bundesligasaison 2014/15. Mit dem 27-Jährigen sprach Tanja Schneider.

Zwei weitere Jahre Bonn - warum?
Andrej Mangold: Es ist immer schön, wenn man sich länger an einen Verein binden kann. Ich habe hier schon drei Jahre gespielt und den Umbruch nach dem Nicht-Erreichen der Play-offs mitgemacht. Und die positive Entwicklung - für mich persönlich und den Club, denke ich. Warum Bonn? Ich habe mich eingelebt, mir geht es hier sehr gut. Ich bin keine 18 mehr und muss nicht ständig was Neues kennenlernen. Die Region gefällt mir, der Verein, und alle, die dazugehören. Ich freue mich, dass die Baskets gesagt haben: Wir wollen zwei Jahre mit dir weiter arbeiten.

Wie entscheiden Sie? Mit Kopf oder Bauch oder fragen Sie jemanden um Rat?
Mangold: Von allem ein bisschen. Ich kommuniziere viel mit meinen Eltern, die mir immer gute Ratgeber sind. Letztlich ist es aber mein Job. Wenn man Leistung bringt, die andere aufhorchen lässt, testet man seinen Marktwert. Jeder Spieler hat einen Agenten, der will auch was verdienen. Es war schnell klar, dass die Baskets verlängern wollten. Aber man will ja auch schauen, ob sich was anderes anbietet. Bonn stand auf meiner Liste aber immer ganz oben.

Womit hätte man Sie denn weglocken können?
Mangold: Vielleicht würde mich zum Karriereende noch das Ausland reizen, aber jetzt kam außer der BBL eigentlich nichts infrage. Der Markt ist echt eng. Es gibt Standorte, die als Stadt nicht infrage kommen, gegen den Abstieg spielen will ich auch nicht. Da gibt es nicht so viele Möglichkeiten neben Bonn.

Wäre viel verdienen und wenig spielen - ein Modell, das es für deutsche Spieler in der BBL durchaus gibt - eine Option gewesen?
Mangold: Ich glaube nicht, dass ich der Typ dazu wäre.

Ist ein Fall wie der von Jared Jordan, der in Bamberg gescheitert ist, auch ein mahnendes Beispiel, nicht zu viel zu riskieren?
Mangold: Das ist ja ein echter Sonderfall. Jared lebt für den Basketball, der sieht jedes Euroleague-Spiel im Fernsehen. Das ist seine NBA. Er hat geglaubt, dass Bamberg ihn seinem Traum, in der Euroleague zu spielen, näherbringt. Dass es so schlecht läuft - inklusive Verletzung, nachdem er in Bonn nie verletzt war - konnte man wohl nicht vorhersehen. Aber ich denke, da hat sich jeder hier im Stich gelassen gefühlt. Trotzdem: Wir wissen alle, dass er ein astreiner Typ ist. Aber nebenbei: Tony Gaffney ist auch während der Saison nach Memphis gegangen um wiederum seinem Traum nachzujagen - allerdings ist er zurückgekommen.

[kein Linktext vorhanden]Aber Bamberg ist nicht die NBA.
Mangold: Für Jared ist die Euroleague die NBA. Niemand will sich doch selbst irgendwann vorwerfen, die Chance des Lebens vielleicht verpasst zu haben. Das würde ich auch nicht wollen.

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Aber es gibt kaum irgendwo eine Spielerfigur, die so wichtig für ein Team ist, wie er es für Bonn war. Hat man da nicht mehr Verantwortung für die Kollegen?
Mangold: Natürlich. Und neun von zehn seiner Spiele waren gut bis sehr gut. Aber es gab auch diese Tage, an denen du dachtest "jetzt dribbelt er wieder die Luft aus dem Ball". Mit Geno Lawrence haben wir gesehen, dass es auch anders geht - und nicht unbedingt schlechter...

Wurde Jordan schlecht beraten? Es war doch klar, dass er in einem Haifischbecken schwimmen muss...
Mangold: Da kommen viele Dinge zusammen. Man muss seine eigene Meinung haben, und da ist der Agent, der dir einen Ratschlag gibt. Und gibt es tausend verschiedene Agenten-Typen. Mit meinem arbeite ich, seit ich 16 bin. Er sagt, es bringt nichts, mich in eine Situation zu bringen, in der ich unzufrieden bin. Insgesamt kann ich es bei Jared nicht beurteilen. Ich hoffe, dass ich nie in eine solche Situation komme. Aber Jared kann man - wie gesagt - nix vorwerfen, er ist ein super Typ.

Wundert diese Entscheidung dann nicht umso mehr?
Mangold: Natürlich. Aber er ist seinem Traum gefolgt. Ich hoffe, er findet jetzt eine gute Situation.

Noch einmal Bonn?
Mangold: Puh. Möglich ist alles. Also: Mir wäre es egal.

Auch vor dem Hintergrund der Formulierung "im Stich gelassen"...
Mangold: Die Foren würden sich dann wieder überschlagen. Aber Menschen machen Fehler und Fehler müssen verziehen werden. Ich mag ihn supergerne, und wenn sich unsere sportliche Führung zu einem solchen Schritt entschließen sollte - warum nicht? Aber Geno hat auch bewiesen, dass die Telekom Baskets ohne Jared Jordan auskommen. Gut sogar.

Sportmanager Michael Wichterich hat beim Saisonausklang gesagt, es könnten alle Spieler gleich in sein Büro kommen, um zu unterschreiben. Was war so besonders an diesem Team?
Mangold: Ich denke, die Charakterstärke, die wir als Einheit gezeigt haben. Ich habe eine solche Saison noch nie erlebt. Immer, wenn es eine Situation gab, an der das Team hätte zerbrechen können, sind wir stärker zurückgekommen. Mit einem Querkopf im Team schaffst du das nicht. Viele kannten sich ja schon länger und mit den Neuen passte es - das gibt dir dann eben zehn Prozent mehr.

Sie haben sich in Bonn auch ein Standbein neben dem Basketball aufgebaut - wie lässt sich beides vereinbaren?
Mangold: Zuerst kommt zu 100 Prozent Basketball. Aber es muss ja auch nach dem Basketball weitergehen. Ich bin trotz Ausbildung zum Versicherungskaufmann nicht der Typ, der im Anzug rumreist und etwas verkauft. Aber das Event-Management hat mich schon immer interessiert. Ich kann organisieren und planen. In der Öffentlichkeit zu stehen ist da natürlich auch hilfreich. Jetzt habe ich mit Freunden da etwas aufgebaut. Die aktuelle Event-Reihe ist die erste, an deren Planung ich aktiv teilnehme. Ich bin froh, dass die Baskets mir das erlaubt haben. Aber ich bin auch Profi genug, meinen Hauptjob nicht darunter leiden zu lassen.

Also ist das der Zukunftsplan?
Mangold: Ja, gut möglich. Aber es hilft mir auch jetzt. Etwas neben dem Basketball zu haben, macht den Kopf frei. Ich könnte nicht den ganzen Tag auf der Couch rumliegen. Bei immer nur Basketball verblöde ich...

Aber erstmal bleiben Sie Verteidigungsminister. Ihre Entwicklung hat in der letzten Saison noch einen Extra-Schub bekommen. Hängt das mit Coach Mathias Fischer zusammen?
Mangold: Nicht direkt, aber auch. Er war der Trainer, der gesagt hat: Ich baue auf dich - was für einen Spieler wichtig ist. Ein Platz in der ersten Fünf ist eine Anerkennung und gibt Selbstbewusstsein. Die Saison war solide bis gut, aber ich sehe noch Spielraum nach oben.

Was haben Sie sich für die nächsten zwei Jahre vorgenommen?
Mangold: Dass ich mich weiter verbessere. Die Defense war schon gut, Dreier in Ordnung. Aber ich habe nicht so gut gereboundet wie im Jahr zuvor. Da geht mehr. Außerdem würde ich gerne mehr Verantwortung in der Offensive übernehmen.

Haben Sie das Saison-Ende schnell verarbeitet oder kauen Sie auf so etwas länger rum?
Mangold: Eigentlich hake ich Niederlagen schnell ab, weil man es ja nicht ändern kann und man sich auf das nächste Spiel vorbereiten muss. Es nervt, aber was will man machen. Aber in diesem Fall spukt die Niederlage immer noch in meinem Kopf rum. Wir hatten uns soviel vorgenommen... Ich hatte so fest damit gerechnet, dass wir ins Halbfinale kommen, dass ich nicht enttäuscht, sondern eher sauer bin. Das treibt mich für die nächste Saison an, das motiviert mich.

Aber das Saisonfazit fällt positiv aus, oder?
Mangold: Insgesamt ja, klar. Aber unterm Strich kam nicht mehr raus als letzte Saison. Da sind wir auch nach dem fünften Viertelfinalspiel raus gewesen. Ob man dann vorher Achter oder Fünfter war, ist egal. Drei Spiele mehr gewonnen - kannste Dir auch nix von kaufen. Aus dem Pokal sind wir mit einem Zirkuswurf rausgeflogen, auch da hätten wir verdient gehabt, beim Top4 dabei zu sein. Im Eurocup haben wir uns mehr als achtbar aus der Affäre gezogen. Insgesamt kann man wohl zufrieden sein. Aber ich hoffe, dass wir jetzt noch ein bisschen stärker werden und uns entsprechend verbessern.

Was machen Sie im Sommer?
Mangold: Nicht so sehr auf die Ernährung achten, Seele baumeln lassen. Und ich fliege mit meinem Kumpel Heiko Schaffartzik (Bayern München, Anm. der Red.) nach Marbella - zum Glück als deutscher Meister. Das ist besser für die Stimmung. Und dann denke ich zwischendurch mal an die Nationalmannschaft, die sich trifft. Ohne mich, da bin ich schon enttäuscht.

Aber Sie haben das Thema noch nicht abgehakt...
Mangold: Nein. Dann muss ich eben noch ein bisschen härter arbeiten. Ich denke, dass ich da eigentlich mithalten kann. Man muss halt nur den Fuß in die Tür bekommen.

Ist die Fußball-WM ein Thema für Sie?
Mangold: Na klar. Ich habe das erste Spiel mit Begeisterung gesehen. Starke Leistung zum Auftakt.

Ihr Weltmeister-Tipp?
Mangold: Habe ich nicht, aber eine Hoffnung: Deutschland.

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