Bayer 04 Leverkusen „Es läuft bei Julian“

LEVERKUSEN · Youngster Brandt begeistert die Fußball-Fans und steht vor einer Karriere in der Nationalmannschaft. Der Werksclub hat nach dem 2:1 gegen Hertha BSC die Champions-League-Teilnahme sicher.

 Leverkusens Youngster Julian Brandt hatte zuletzt allen Grund zum Jubeln, hier mit Charles Aranguiz nach dem frühen Führungstreffer gegen Hertha BSC.

Leverkusens Youngster Julian Brandt hatte zuletzt allen Grund zum Jubeln, hier mit Charles Aranguiz nach dem frühen Führungstreffer gegen Hertha BSC.

Foto: dpa

Wenn der Zwieback-Hersteller aus Hagen dieser Tage auf der Suche nach einem neuen Testimonial wäre: Ein junger Mann aus Leverkusen, der am Samstag einmal mehr die Zuschauer in der BayArena begeisterte, käme als aussichtsreicher Bewerber infrage. Zumal er auch noch Brandt heißt.

Brandt. Julian Brandt. Knallrote, volle Wangen. Teenagergesicht. Und dennoch in seiner Entwicklung als Fußballer schon unglaublich weit. Ausgerüstet mit einem Killerinstinkt, der ihn in James-Bond-Manier für Bayer Leverkusen die Weichen zum sicheren Erreichen der Champions League stellen ließ. „Ich verliere kurz die Orientierung, dann kommt der Ball vor meinen Füßen runter“, schilderte Brandt die Situation nach nur 76 Spielsekunden, die er gegen Hertha BSC zur frühen Führung nutzte. Nicht lange gefackelt, Linksschuss, drin – der Grundstein für den Leverkusener 2:1-Sieg, der nach Lars Benders hereingestochertem 2:0 (16.) und Vedad Ibisevics Kopfball zum Anschluss (21.) früh feststand.

Sechs Brandt-Treffer in den letzten sechs Spielen (neun in dieser Saison), siebter Bayer-Sieg in Folge und damit eingestellter Vereinsrekord für den Werksclub. Dazu für Brandt persönlich eine besondere Marke: Eine solche Serie mit sechs Treffern hintereinander hat im deutschen Fußball bislang nur ein Spieler unter 20 Jahren geschafft: der legendäre Nationalstürmer Gerd Müller. 51 Jahre ist das her. Damit konfrontiert, meinte Brandt. „Ich fühle mich geehrt, diesen Rekord mit diesem so großen Spieler zu teilen.“

Heute wird Brandt 20 Jahre alt. Er wirkt fröhlich, unverbraucht und frisch. Und auch im Gespräch so blitzgescheit, wie er seinen Gegenspielern in der Bundesliga mittels schnellen Antritts, glänzender Technik und intuitiv richtiger Laufwege oft das Nachsehen gibt. Irgendwie hat der Youngster auch etwas von Thomas Müller, bloß dass Brandt weniger Haken schlägt als der Weltmeister aus München.

Kein Zweifel: Bayer 04 hat mit seiner Verpflichtung vom VfL Wolfsburg in der Winterpause der Spielzeit 2013/14 einen Glücksgriff getan. Auf 10 Millionen Euro Marktwert wurde Brandt jüngst an der Wechselbörse taxiert, Kursverlauf steil steigend. Selbstverständlich ist er ein Mann für die Nationalelf – trotz der starken Konkurrenz im Offensivbereich vielleicht schon für die EM in Frankreich, zumindest aber für das Olympiaturnier in Brasilien. „Julian ist in einer herausragenden Form“, findet Bayer-Coach Roger Schmidt: „Wenn er so weitermacht, ist es nur eine Frage der Zeit, bis er A-Nationalspieler wird.“

Was Bundestrainer Joachim Löw neben Brandts fußballerischen Qualitäten besonders schätzen wird: Die Bodenständigkeit des gebürtigen Bremers, die sich mit einem gesunden Selbstbewusstsein paart. „Wenn die Schlagzeile lautet: „Es läuft bei Julian“, dann kann ich nur zustimmen“, lieferte er nach dem Berlin-Spiel selbst die Überschrift für seine Torserie. Alle weiteren Äußerungen atmen Demut. Etwa diese: „Das Wohl der Mannschaft steht höher als mein eigenes. Wenn es sein soll und ich mit meinen Leistungen dem Verein helfe – umso schöner.“

Erst recht verzichtet Brandt darauf, sich selbst für die deutsche A-Nationalmannschaft ins Gespräch zu bringen. „Ich mache mir keinen Stress“, versicherte der U 19-Europameister von 2014: „Ich plane Urlaub, und wenn ein Anruf kommt, dann kommt er.“ Wobei nicht so ganz klar wird, ob er lieber die Telefonnummer von Löw oder die des Nachwuchs-Bundestrainers Horst Hrubesch auf dem Display sehen möchte. „Ich würde Olympia nicht als Trostpreis sehen, weil es ein unfassbar geiler Wettbewerb ist“, äußerte Brandt große Sympathien für das Turnier in Brasilien. Die Chance ist einmalig für einen Sportprofi wie ihn. Geld ist eben nicht alles. Wissen alle, spätestens seit Basketball-Weltstar Dirk Nowitzki der Öffentlichkeit seine grenzenlose Begeisterung für die Spiele gestanden hat.

Zurück zur Bundesliga. Obwohl Leverkusen nun Platz drei sowie die direkte Qualifikation für die Fußball-Königsklasse sicher hat und Brandt an seinem 20. Geburtstag wie alle Teamkollegen trainingsfrei: Ein Nachlassen an den beiden letzten Saison-Spieltagen kommt für Brandt nicht infrage. „Wir sind nicht auf dem Mallorca-Trip und fahren besoffen zum nächsten Spiel“, versicherte er und lieferte im selben Atemzug den Beweis seiner hohen Identifikation mit dem Werksclub. „Wir haben Köln geschlagen und werden auch die Gladbacher ärgern“, sagte Brandt mit Blick auf das kommende Derby beim Tabellenvierten.

Den Verbleib von Torwart Bernd Leno („Er ist eine tragende Säule und ja nicht der einzige, der bleiben will“) wertet Brandt als „ein wichtiges Zeichen an die Mannschaft“ und folgerte: „Es ist wichtig, dass wir die Gemeinschaft bleiben, die wir sind.“

Was auch Trainer Schmidt, der weiterhin eine Miniatur des Champions-League-Pokals am Schlüsselbund tragen wird, mit Freude vernommen hat. Jedenfalls schienen die markanten Lachfalten nach dem Sieg gegen Berlin noch tiefer ins Antlitz des 49-Jährigen gemeißelt. Der mit seinem Team seit dem Ablauf seines Tribünenbanns ungeschlagene Coach äußerte sich „sehr stolz auf das, was wir erreicht haben“ und verwies auf die Umstände: „jüngste Mannschaft in der Bundesliga, viele Verletzte.“ Und sparte Selbstkritik nicht aus: „Dass ich Fehler gemacht habe, steht außer Frage“, so Schmidt, der seine respektlose Tribünengang-Weigerung im Dortmund-Spiel meinte: „Darauf bin ich nicht stolz.“ Nach wechselvollem Verlauf ist zwei Wochen vor Saisonende alles Eitel Sonnenschein bei Bayer – vor allem Julian Brandt hat Grund zum Strahlen wie der Junge auf der Zwieback-Packung, auch wenn er weder trockenes Gebäck mag noch von der Testimonial-Idee begeistert ist.

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