Swisttal vor der Bürgermeisterinnen-Wahl "Die Bürger früher ins Boot holen"

Gisela Hein will den Umbruch. Mit aller Kraft. Die 54-jährige Odendorferin möchte als erste Frau auf dem Chefsessel im Rathaus der Gemeinde Swisttal sitzen. Und nebenbei auch die erste Chefin im Rathaus sein, die nicht von der CDU gestellt wird.

Sie wurden von der SPD nominiert, sind aber nicht Mitglied in der Partei. Warum?

Gisela Hein: Ich bin unabhängig und wurde von der SPD und den Grünen wegen meiner Kompetenz und Professionalität aufgestellt. Ich wurde auch nie gefragt oder gedrängt, ob ich in die Partei eintrete.

Welche Themen standen bei Ihren Ortsspaziergängen an?

Hein: Das Format ist richtig gut angekommen. Die häufigsten Themen waren schnelles Internet, die Belastung durch den Verkehr in den Orten, Mobilität über die Grenzen Swisttals hinaus, ausreichend Kindergartenplätze.

Wie sieht Ihr erster Tag als Bürgermeisterin aus?

Hein: Nicht nur am ersten Tag werde ich viele Gespräche führen, um mir einen Überblick zu verschaffen und um Vertrauen zu werben. Projekte, die noch nicht abgeschlossen sind, müssen identifiziert und deren Bearbeitung priorisiert werden. Mir ist es wichtig, dass schnell klar wird, dass wir als Dienstleister für die Bürgerinnen und Bürger, für die Gewerbebetriebe und alle anderen Akteure in unserer Gemeinde eine andere Haltung einnehmen müssen.

Auf welche beruflichen Erfahrungen greifen Sie dabei zurück?

Hein: Es ist vor allem die ideale Kombination von Berufserfahrungen meiner Tätigkeiten in der Wirtschaft, in Sozialunternehmen und nicht zuletzt in der Dozententätigkeit, bei der ich mein Wissen weitergebe. Mit Geschäftsführung und Mitarbeitenden von Unternehmen entwickle ich Konzepte im Bereich Nachhaltigkeit, Marketing und Kommunikation. Ich führe ein Team von ExpertInnen, die alle ihre Kenntnisse im Fachgebiet einbringen, um einen Auftrag rundum auszuführen. Das konzeptionelle Denken, eine Vision und Ziele zu setzen und zu planen, wie man diese mit den Mitarbeitenden umsetzt, fallen mir leicht.

Was packen Sie zuerst an?

Hein: Es geht vor allem darum, der Gemeinde ein Profil zu geben. Was macht uns so besonders? Warum sollen Menschen hier wohnen, leben und arbeiten? Warum sollen sich hier Unternehmen ansiedeln? Wir haben ein Gemeindeentwicklungskonzept, das in der Schublade schlummert. Dieses Konzept möchte ich mit Bürgerinnen und Bürgern fortschreiben.

[kein Linktext vorhanden]Was ist zu tun, um die Flüchtlinge unterzubringen?

Hein: Swisttal kommt mit seinen drei Übergangswohnheimen an eine Grenze. Das bedeutet, dass wir mehrgleisig fahren müssen. Der Sozialausschuss hat entschieden, ein Haus in Heimerzheim anzumieten, in dem 60 Flüchtlinge wohnen können. Wir brauchen aber auch Möglichkeiten in Wohnungen. Ich bin froh, dass wir ein großes ehrenamtliches Engagement haben, das im Arbeitskreis Flüchtlinge gebündelt ist.

Wie sorgen Sie dafür, dass Swisttal als Gewerbestandort eine gute Zukunft hat?

Hein: Die Nachbarkommunen ziehen an uns vorbei, sie haben ihre Hausaufgaben gemacht. Ich bin mir sicher, dass wir mit professioneller Wirtschaftsförderung und einem guten Standortmarketing Unternehmen nach Swisttal holen und hier halten können. Dazu ist es notwendig, dass wir eine Stelle für die Wirtschaftsförderung einrichten. Das allein wird nicht reichen. Unternehmer erwarten, dass ihre Anliegen schnell und problemlos abgearbeitet werden, und zwar von einem Ansprechpartner. Wirtschaftsförderung ist eine Querschnittsaufgabe. Das wird sich in der Struktur der Verwaltung wiederfinden.

Wie erreichen Sie schnellere Internetverbindungen?

Hein: Die Versorgung mit schnellem Internet wird Chefinnensache. In Odendorf hat erst der öffentliche Protest dazu geführt, dass es überhaupt vorangeht. Das ist gut, aber es kann nicht sein, dass nur derjenige bedient wird, der am lautesten schreit oder die besseren Beziehungen hat. Ich möchte, dass ein Konzept erstellt wird, das alle Gebiete in Swisttal aufführt, die unterversorgt sind. Und das sind viele. Selbst Neubaugebiete in Heimerzheim und Odendorf und bis vor Kurzem das Gewerbegebiet in Odendorf leben internetmäßig in der Steinzeit.

Wie bewerten Sie die Nahversorgungsmöglichkeiten?

Hein: Zurzeit funktioniert die Nahversorgung in den drei Hauptorten ganz gut. Schwierig war und ist es in den anderen Orten. Viele ältere Menschen sind nicht mehr so mobil. Wir müssen mit dem Gewerbe, dem Seniorenbüro, mit Betroffenen überlegen, wie wir es ermöglichen, dass alle Orte versorgt werden und niemand wegziehen muss. Dafür müssen wir durch guten öffentlichen Nahverkehr, sichere Radwege, aber auch durch individuellen Lieferservice sorgen.

Wie sollte Swisttal auf den demografischen Wandel reagieren?

Hein: Ich gehe davon aus, dass die Senioreneinrichtungen ausreichen, vor allem, wenn die in Heimerzheim und Buschhoven fertig sind. Wir brauchen aber weitere Wohnangebote. Ich möchte nicht, dass sich die Alternativen für Menschen rapide reduzieren, nur weil man älter wird. Wir brauchen genügend betreutes Wohnen, aber auch Wohngemeinschaften für Senioren und Mehrgenerationen-Wohnen.

Wie wollen Sie Swisttal als Wohnstandort entwickeln?

Hein: Geht die Entwicklung so weiter, wird Swisttal nach der Bertelsmann-Studie im Jahr 2030 nur noch 16 900 Einwohner haben. Die Einwohnerzahl eines Ortes wie Dünstekoven würde wegfallen. Diesen Trend möchte ich aufhalten, denn Swisttal hat jede Menge Potenzial. Wir liegen in einer boomenden Region, wir haben eine tolle Landschaft und gute Naherholungsmöglichkeiten, wir haben ein gutes kulturelles Angebot durch die Morenhovener Krea, den Zehnthausverein oder die Odendorfer Theatergruppe. Der erste Swisttaler Sporttag hat gezeigt, wie vielfältig unser Sportangebot ist. Brauchtumsvereine sorgen nicht nur für einen geselligen Austausch, sondern engagieren sich auch anderweitig für die Gemeinschaft. All das sind wichtige weiche Standortfaktoren. Das alleine wird nicht reichen, um junge Familien für Swisttal zu gewinnen. Bezahlbarer Wohnraum, schnelles Internet, Mobilität für alle Generationen, Nahversorgung, Kindergarten- und OGS-Plätze sind weitere wichtige Faktoren.

Muss beim Sportstättenkonzept nachgebessert werden?

Hein: Ja. Ich möchte mit dem Gemeindesportverband einen Sportentwicklungsplan erarbeiten, der der Bedeutung des Sports gerecht wird. Dieser muss alle Sportstätten und Sportarten betrachten und Visionen und Ziele entwickeln. Ich werde für Transparenz und Fairness bei der Verteilung der Fördermittel sorgen.

Was tun Sie, um den Haushalt zu konsolidieren?

Hein: Anhand der Aufgaben, die ich beschrieben habe, ist klar, dass wir auch Geld für die Zukunft Swisttals in die Hand nehmen müssen. Wir müssen in die Infrastruktur unserer Gemeinde investieren, sonst werden wir im Wettbewerb um Neubürger und Unternehmen unterliegen. Und dann wird es für alle richtig teuer. Um das zu vermeiden, müssen wir weitere Fördergelder gezielt abrufen. Unsere Vereine müssen wir beim Einwerben von Spenden- und Sponsorengeldern unterstützen, damit diese ihr Angebot aufrechterhalten und erweitern können. Das bürgerschaftliche Engagement, wie aktuell bei der Entwicklung eines Nutzungskonzeptes für die Untere Erft in Heimerzheim, kann davon auch profitieren. Und natürlich müssen wir uns in Bund und Land dafür starkmachen, dass die Kommunen besser finanziert werden. Deshalb freue ich mich, dass es ein neues Investitionspaket geben wird. Die 560 000 Euro, die für Swisttal geplant sind, werden es uns ermöglichen, dass wir Maßnahmen schneller umsetzen können.

Wie ist Ihre Position zum geplanten Bau von Windrädern?

Hein: Wir müssen Konzentrationszonen vorhalten, damit Investoren nicht willkürlich Windkraftanlagen aufstellen können. Mich hat die fehlende rechtzeitige Bürgerinformation geärgert. Jetzt fehlt mir die Transparenz in den Verhandlungen mit möglichen Investoren. Wichtig ist, dass die Gemeinde insgesamt von der Errichtung der Anlagen profitiert, insbesondere auch die betroffenen Orte. Außerdem sollten Bürger die Möglichkeit haben, sich über einen Fonds mit zu beteiligen.

Wie realisieren Sie Transparenz und Bürgerbeteiligung?

Hein: Die Verwaltungsspitze geht davon aus, dass die gesetzlich vorgesehene Beteiligung reicht. Das sehe ich nicht so. Ich möchte die Bürger früher ins Boot holen. Ich möchte Arbeitskreise ausschussübergreifend fortführen und neue Foren bilden. Vor Ausschusssitzungen wird es Einwohnerfragestunden geben. Auf der neugestalteten Homepage wird es eine Plattform geben mit den aktuellen Vorhaben in unserer Gemeinde und dem Stand der Realisierung. Ebenso wird es die Möglichkeit geben, auch über das Internet Anregungen und Beschwerden loszuwerden - auf die zeitnah reagiert wird. Der Dialog vor Ort wird fortgeführt. Regelmäßige Treffen mit Vertretern aus den sozialen, kulturellen, sportlichen und wirtschaftlichen Bereichen runden die Beteiligung ab.

Wie bewerten Sie die schulische Infrastruktur?

Hein: Ich möchte die Schulen langfristig sichern. Das gilt für die Grundschulen, aber auch für die Sekundarschule in Heimerzheim. Gerade die Georg-von-Boeselager-Schule ist mit ihren Lehrkräften, Schülerinnen und Schülern in allen Dingen sehr engagiert. Sie hat eine sehr gute Bilanz, was die Vermittlung in Ausbildungsplätze und die Qualifizierung für weiterführende Schulen angeht. Die ganze Gemeinde kann stolz auf diese Schule sein.

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