Kommentar zu den Parlamentswahlen in Italien Enttäuschte Wähler

Meinung | Rom · Die Fünf-Sterne-Bewegung erzielte rund 32 Prozent der Stimmen und ist künftig unangefochten stärkste Kraft im Parlament. Die Ergebnisse der Wahlen kommentiert GA-Korrespondent Julius Müller-Meiningen.

Bei den Parlamentswahlen in Italien erreichte die populistische und systemkritische Fünf-Sterne-Bewegung, die eine Einzigartigkeit auf der politischen Weltbühne darstellt, rund 32 Prozent der Stimmen und wurde damit zum klaren Wahlsieger. Die herkömmlichen Parteien wurden von den Wählern abgestraft. Gewünscht ist offenbar eine neue, umstürzende und auf dem Papier basisdemokratisch geführte Kraft, deren vage politische Konturen sich demnächst schärfen müssen.

Wer diese Fünf Sterne sind, wird sich in den nächsten Wochen zeigen, wenn es um den Versuch geht, eine Regierungsmehrheit zu bilden. Allein kommen die Schützlinge des Komikers Beppe Grillo nicht auf die notwendigen Mandate. Die Wahl hat als eines der ersten Ergebnisse ein klares Misstrauensvotum gegen die EU in ihrer heutigen Form dekretiert. Die „Grillini“ wollen die europäischen Spielregeln verändern. Das hat auch der zweite Wahlsieger, die rechtspopulistische Lega angekündigt.

Die Lega, die früher den Zusatz „Nord“ trug und ihre Stammwähler in Norditalien hat, erreichte landesweit etwa 18 Prozent. Damit übernimmt die Partei von Matteo Salvini die Führung im rechten Parteienspektrum. Nimmt man die Stimmen der Protestparteien zusammen, verlangen mindestens 50 Prozent der italienischen Wähler eine Kurskorrektur in Brüssel. Dieses Votum der drittgrößten Volkswirtschaft der EU ist ein weiterer Schub für die baldige Veränderung der EU-Parameter.

Für Italien steht in den kommenden Wochen die Frage im Vordergrund, ob die Bildung einer von den Fünf Sternen und ihrem Spitzenkandidaten Luigi Di Maio geführten Regierung gelingt. Es wäre einen Versuch wert. Erstens gibt es nach diesem Wahlergebnis keine Alternativen. Das Mitte-Rechts-Lager hat keine Mehrheit, Mitte-Links erst recht nicht. Die Verantwortungslosigkeit vieler italienischer Politiker in den vergangenen Jahrzehnten hat das Unbehagen gegen die politische Klasse sukzessive vergrößert.

Das Wahlergebnis ist die Folge dieser Enttäuschung. Es wäre aus verschiedenen Aspekten heraus wünschenswert, dass dieser oft blinde Protest sich nun in Verantwortung umwandeln kann. Die Grillini sind keine „gefährliche Sekte“, als die sie Ex-Premier Silvio Berlusconi bezeichnete. Man kann sie als Mischung aus Piratenpartei und Grünen charakterisieren, der ursprünglich vor allem Umweltschutz und Digitalisierung am Herzen lagen. Diese Phase ist allerdings vorbei.

Die Fünf Sterne stehen für eine neue, ungewohnte Form der politischen Willensbildung mit basisdemokratischen Ansätzen und vielen Unzulänglichkeiten. Ihre politischen Anliegen reichen vom Sozialen über Transparenz im Politikbetrieb bis hin zur Eindämmung der Immigration. Dass die Vernunft auch bei Polit-Anfängern einkehren kann, zeigt die Tatsache, dass von dem früher anvisierten Referendum über den Euro-Austritt Italiens inzwischen keine Rede mehr ist.

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