Terror in Spanien Pannen im Antiterror-Kampf

Madrid · Der Drahtzieher der Anschläge von Katalonien war der Polizei schon länger bekannt. Muslime wehren sich gegen pauschale Verurteilungen.

 Tief betroffen: Mitglieder der muslimischen Gemeinschaft von Ripoll bei einer Demonstration gegen Terrorismus.

Tief betroffen: Mitglieder der muslimischen Gemeinschaft von Ripoll bei einer Demonstration gegen Terrorismus.

Foto: AP

Nach den Terroranschlägen in der spanischen Urlaubsregion Katalonien mehren sich Hinweise auf Ermittlungs- und Sicherheitspannen. Während es offiziell heißt, die Zusammenarbeit zwischen den Sicherheitsbehörden Kataloniens und Spaniens funktioniere „sehr gut“, knistert es heftig hinter den Kulissen. Die Unabhängigkeitspolitik Kataloniens, das sich von Spanien abtrennen will, habe auch in den gemeinsamen Antiterror-Kampf einen Keil getrieben, heißt es. Erkenntnisse würden nicht so ausgetauscht, wie es für eine effiziente Arbeit notwendig wäre, berichten Insider.

Haben diese Reibereien dazu beigetragen, dass die Terrorpläne in Katalonien nicht rechtzeitig entdeckt wurden? Tatsache ist, dass der mutmaßliche Kopf der katalanischen Terrorzelle, der marokkanische Hassprediger Abdelbaki es Satty, kein unbeschriebenes Blatt war. Sein Name war schon im Zusammenhang mit anderen islamistischen Terrorgruppen in den Akten aufgetaucht. Etwa mit jener, die am 11. März 2004 in Madrid vier Vorortzüge sprengte und 191 Menschen tötete. Und auch im Zusammenhang mit einer Terrorgruppe, die in Katalonien im Jahr 2006 im Zuge der Polizeioperation „Chacal“ zerschlagen wurde.

Später saß der Imam in Spanien vier Jahre wegen Drogenhandel, der möglicherweise der Finanzierung islamistischer Aktivitäten diente, im Gefängnis. Trotzdem konnte er offenbar nach seiner Freilassung unbeobachtet als Prediger einer Moschee im Pyrenäendorf Ripoll tätig werden und elf junge Männer dazu aufhetzen, Terroranschläge zu begehen.

„Alles deutet darauf hin“, schreibt Spaniens zweitgrößte Zeitung, die in Barcelona erscheinende La Vanguardia, „dass ein Element in Sachen Sicherheit versagte“ und niemand vor dem mutmaßlichen Hassprediger gewarnt habe.

Auch gab es andere Hinweise, welche die Sicherheitsbehörden üblicherweise aufhorchen lassen: Einige Mitglieder der Terrorzelle aus Katalonien hinterließen Hasskommentare im Internet, die den Fahndern offenbar entgingen. Wie jener menschenverachtende Wunsch des in Cambrils erschossenen Moussa Oukabir, der schon vor zwei Jahren in einem sozialen Netzwerk geäußert hatte: „Ich möchte so viele Ungläubige wie möglich töten.“

Nach den Anschlägen sehen sich die Muslime in Spanien einem in diesem Land bisher noch nicht gesehenen Ausbruch der Islamophobie ausgesetzt. Etliche Moscheen wurden in den letzten Tagen mit Schmähparolen besprüht. „Ihr werdet alle sterben, verdammte Moslems“, pinselten Unbekannte auf das Tor des Gebetshauses im katalanischen Ort Montblanc. Madrids Arbeitervorstadt Fuenlabrada erwachte mit dem Aufruf „Tod dem Islam“ am muslimischen Gebetshaus. Auf einer Moschee in Sevilla prangte: „Mörder, das werdet ihr bezahlen.“ Die Gebetsräume in Granada wurden mit Feuerwerksraketen beschossen.

Nicht erst seit den jüngsten Terrorangriffen wächst die Fremdenfeindlichkeit in Spanien kontinuierlich: Schon im vergangenen Jahr registrierte die Plattform gegen Islamophobie mit landesweit 573 Aggressionen gegenüber der muslimischen Bevölkerung einen neuen Höchststand. Das sei nur die Spitze des Eisbergs, glaubt man bei dieser Bürgerplattform. Die meisten Fälle würden aus Angst vor weiteren Problemen erst gar nicht zur Anzeige gebracht.

An erster Stelle der Anfeindungen stehen verbale oder auch körperliche Angriffe auf muslimische Frauen, die auf der Straße wegen ihres Kopftuches beleidigt, bespuckt oder auch tätlich angegriffen werden. An zweiter Stelle kommen Anschläge und Schmierereien auf islamische Gotteshäuser.

Die Marokkaner, die mit dem Arbeitskräftebedarf in Industrie und Landwirtschaft ins Land kamen, sind Spaniens größtes Ausländerkollektiv. Insgesamt leben etwa 750 000 marokkanische Staatsbürger im spanischen Königreich, die Zahl aller Muslime in Spanien liegt bei 1,9 Millionen.

Viele muslimische Gemeinden in ganz Spanien versuchten schon Stunden nach den Anschlägen gegenzusteuern und demonstrierten gegen den islamistischen Terror: „Nicht in unserem Namen“, „Der Islam bedeutet Frieden“ oder „Ich bin Muslim, aber kein Terrorist“, stand auf Plakaten, die auf Barcelonas Flaniermeile Las Ramblas hochgehalten wurden – dort wo einer der Terroristen mit einem Lieferwagen am 17. August mehr als 100 Menschen überrollte. Bewohner und ausländische Besucher, die in diesem Moment an der Kundgebung vorbeikamen, dankten den muslimischen Demonstranten mit viel Applaus und auch mit mancher Umarmung.

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