Litauens Präsidentin Dalia Grybauskaite Eiserne Lady aus dem Baltikum erhält den Internationalen Karlspreis

BRÜSSEL · Auf der Liste der mächtigsten Frauen Europas suchte man ihren Namen bisher vergebens. Dabei steht Dalia Grybauskaite längst nicht mehr nur im Schatten anderer Größen. Die 57-jährige parteilose Staatspräsidentin Litauens symbolisiert zum einen die Integration der einstigen baltischen Sowjetrepubliken in Europa. Zum anderen präsentiert sie eine Region, die ihre Krise längst überwunden hat. Für beide Leistungen erhält die Wirtschaftswissenschaftlerin am Mittwoch den Karlspreis der Stadt Aachen, der als "Oscar der Politik" gilt.

 Wird hoch dekoriert: Dalia Grybauskaite.

Wird hoch dekoriert: Dalia Grybauskaite.

Foto: dpa

"2009 mussten wir sehr scharfe Sparmaßnahmen durchsetzen", erzählt sie im Interview. "Sonst hätten uns die Märkte kein Geld mehr geliehen." In Litauen wurden zwölf Prozent der Wirtschaftsleistung in nur zwei Jahren eingespart, die öffentlichen Gehälter um 20 Prozent, die Renten um zehn Prozent gekürzt. Als frisch gewählte Staatspräsidentin machte die "eiserne Lady" den Menschen vor, was notwendig war: Sie verzichtete auf 30 Prozent ihres eigenen Einkommens. Ihre heutige Botschaft an die südeuropäischen Krisenländer: "Wer sich nicht selbst hilft, dem ist nicht zu helfen. Für uns war es damals undenkbar, um internationale Finanzhilfen zu bitten." Sie schätzt deutliche Worte: "Vielerorts könnten Reformen schneller umgesetzt werden. Es gibt unterschiedliche Mentalitäten und unterschiedliche Vorstellungen von politischer Verantwortung im Norden und im Süden Europas."

Am 1. März 1956 wird Grybauskaite als Tochter eines Elektrikers und einer Verkäuferin in Vilnius geboren. Sie besucht die Mittelschule, arbeitet in der Personalabteilung der Philharmonie, ehe sie mit 20 Jahren als Arbeiterin und Laborantin an die Pelzfabrik "Rotfront" nach Leningrad wechselt. Nach dem Abschluss in Politischer Ökonomie kehrt sie nach Litauen zurück, 1988 erwirbt sie in Moskau ihren Doktortitel. Als ihre Landsleute gegen die sowjetischen Truppen auf die Barrikaden gehen, wartet sie zunächst ab, gibt ihr KP-Parteibuch erst zurück, als der Wandel gefestigt ist.

Für die neue Regierung erarbeitet sie das Wirtschaftsprogramm. Man holt sie ins Außenministerium, schickt sie nach Brüssel, dann nach Washington. 2001 wird sie Finanzministerin. 2004 kehrt sie nach Brüssel zurück - als Kommissarin für Bildung und Kultur. Später übernimmt sie das Ressort Haushalt und Steuern. Bei der Präsidentschaftswahl 2009 erhält sie schon im ersten Wahlgang die absolute Mehrheit. Die "eiserne Lady" mit dem schwarzen Karate-Gürtel beginnt, ihr Land zu sanieren. "Was wir tun mussten, war viel radikaler als alles, was wir gerade in Südeuropa sehen. Aber nach zwei Jahren wuchs unsere Wirtschaft wieder." Dabei ist es geblieben. Bis heute. 2015 wird Litauen der Euro-Zone beitreten.

Die unverheiratete und kinderlose Politikerin, die fließend Englisch, Französisch, Russisch und Polnisch spricht, wird längst für mehr gehandelt. 2014 läuft ihre präsidiale Amtszeit aus. Dass sie in Brüssel als nächste Ratspräsidentin gehandelt wird, weiß sie. Dazu schweigt sie aber lieber.

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