Prozess in Bonn Bonner Richter auf Seite von Rammstein

Bonn · Die Rockband Rammstein erzielt nach einer Klage gegen die Bundesprüfstelle womöglich einen Vergleich vor Gericht. Es geht um Kunstfreiheit contra Jugendgefahr.

Die Band Rammstein im New Yorker Madison Square Garden.

Die Band Rammstein im New Yorker Madison Square Garden.

Foto: pa/obs/(c) Guido Karp

Die Mitglieder der Band „Rammstein“ erschienen am Mittwoch nicht persönlich vor dem Bonner Landgericht – in den kommenden Wochen stehen für die Musiker weltweit Konzerte an, beispielsweise am kommenden Sonntag in Moskau. Der Prozess vor den Richtern der ersten Zivilkammer hat für sie laut ihren Anwälten jedoch einen hohen Stellenwert: Es geht um die Einhaltung der Kunstfreiheit.

Wie berichtet, fordert die Band vom Bund 66.396 Euro Schadensersatz, da die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien 2009 das Album „Liebe ist für alle da“ auf den Index gesetzt hatte. Für die Prüfer war der Text des Liedes „Ich tu dir weh“ ebenso jugendgefährdend wie ein Bild im Booklet. Auf diesem versohlt der Bandleader Till Lindemann einer nackten Frau den Hintern. Da sich die Musiker in ihrer Kunstfreiheit beschränkt sahen, zogen sie vor die Verwaltungsgerichte. Sowohl das Kölner Verwaltungsgericht als auch das Oberverwaltungsgericht in Münster kamen zu der Einschätzung, dass die Entscheidung der Prüfstelle rechtswidrig war.

Demnach sei bereits fraglich, ob der Liedtext gewaltverherrlichend sei. Entscheidend war jedoch die Frage, ob die Texte und Darstellungen der Kunst dienen. Das habe die Prüfstelle nicht genügend abgewogen. Für die Vernichtung von gut 55.000 CD‘s und die Einlagerung weiterer knapp 48.000 CD’s verlangt die Band nun Schadensersatz.

Und dieser steht ihr nach Auffassung der Bonner Richter auch zu: „Wir sehen eine fahrlässige Verletzung der Amtspflicht“, so der vorsitzende Richter Stefan Bellin. „Die Klage ist begründet. Es wurden relevante Aspekte nicht bedacht.“ Gestritten wurde nach diesen klaren Worten des Kammervorsitzenden hauptsächlich um die Berechnung des zu zahlenden Schadensersatzes. Die Richter fragten sich, ob so viele Tonträger vernichtet werden mussten, obwohl das Verfahren gegen die Entscheidung der Bundesprüfstelle noch lief. Im Mai 2010 wurde das Album wieder vom Index genommen.

Nach Meinung des beklagten Bundes ist gar kein Schaden entstanden. Dies bestritten die Klägeranwälte vehement. Sie beriefen sich auf automatisierte Abläufe in dem zuständigen Lager in Hannover. Es habe gar nicht anders gehandhabt werden können.

Die Anwälte der Band betonten, dass das geforderte Geld nicht die „Triebfeder“ für die Klage war. Da die aus dem Osten Deutschlands stammenden Musiker früher in ihrer Arbeit beschränkt worden seien, hätten sie sich über die erneuten Eingriffe sehr geärgert.

Die Richter schlugen vor, dass der Bund im Zuge eines Vergleichs 15.000 Euro an „Rammstein“ zahlt. Sollte keine Einigung erzielt werden, wird der Prozess fortgesetzt.

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