Konzert im Kammermusiksaal Andreas Staier spielt Diabelli-Variationen von Beethoven

Bonn · Es kommt nicht eben häufig vor, dass beide Teile eines Konzertes mit identischen Takten Musik beginnen. Im Falle des Klavierabends von Andreas Staier im ausverkauften Kammermusiksaal des Beethoven-Hauses war es ein kleiner, unscheinbarer Walzer von Anton Diabelli.

 Hammerklavier-Experte: Pianist Andreas Staier.

Hammerklavier-Experte: Pianist Andreas Staier.

Foto: Promo

Im ersten Konzertteil folgten dem Walzer einige Beispiele aus jenen 50 Variationen, die Anton Diabelli als Verleger bei 50 "vaterländischen" Komponisten in Auftrag gegeben hatte, im zweiten Teil dann natürlich Beethoven, der den Auftrag ein wenig anders interpretierte und gleich 33 Variationen über diesen Walzer schrieb, von denen jede einzelne übrigens alle anderen in den Schatten stellt.

Insofern ist es natürlich auch ein bisschen unfair, wenn Staier die Gelegenheitsarbeiten der überwiegend weniger bedeutenden Meister denjenigen Beethovens gegenüberstellt. Zumal Beethoven hier einen exemplarischen Zyklus schaffen wollte und schuf, der, mit Ausnahme von Bachs Goldberg-Variationen, das Genre in ganz neue kompositorischen Sphären katapultierte.

Auf der anderen Seite war die Gegenüberstellung aber auch höchst aufschlussreich. Überraschend etwa, wie sehr sich Friedrich Kalkbrenners Variation und Beethovens neunte Variation aus dem Diabelli-Zyklus ähneln. Überraschend auch, wie bereits der elfjährige Knabe Franz Liszt als Komponist die Handschrift des späteren Virtuosen verrät. Auch Mozart junior und Schubert waren zu hören. Der Erstdruck der fünfzig Diablelli-Variationen befindet sich übrigens seit kurzem als Dauerleihgabe im Beethoven-Haus, Leihgeber Luigi Bellofatti saß an diesem Abend im Publikum.

Dass Andreas Staier den Nachbau eines Graf-Flügels aus dem Jahre 1820 spielte, war für seine Interpretationen unbedingt ein Gewinn. Vor allem auch im Falle Beethovens, dessen Diabelli-Variationen er noch die Bagatellen op. 126 vorausschickte. Wunderbar, wie er auf diesem feinen Instrument etwa den Kontrast zwischen dem rhythmisch entfesselten Beginn der h-Moll-Bagatelle und dem sphärischen Dur-Teil auch klangfarblich unterstrich. Bei den Diabelli-Variationen fesselte er durch ein Spiel, das von einer sehr natürlich wirkenden, lebendigen Phrasierung ebenso lebte wie von seiner klanglichen Luzidität und enormen Virtuosität.

Dass Staier in Beethovens mirakulösem Spätwerk aber auch eine Menge Humor entdeckt, hörte man spätestens in der 22. Variation, in der Mozarts Leporello sich plötzlich zu Wort meldet. Staier nahm das Melodiezitat zum Anlass, mit dem Fagott-Register den Klang schnarrend zu verfremden, um in der folgenden Variation gleich noch ein bisschen muntere Janitscharen-Klänge hinterherzuschicken. Die Fuge der Variation 32 aber geriet ihm zu einem Wunder an Musikalität und Ausdruck. Nach der 33. Variation viel Applaus und eine kleine Mozart-Zugabe. Diesmal von Amadeus.

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