Rheinbacher Gefängnis wirbt um Firmen

Das Gefängnis in Rheinbach will noch in diesem Jahr die Zahl der Arbeitsplätze für die Gefangenen deutlich erhöhen. Bis Sommer soll ein Erweiterungsbau fertiggestellt sein, in dem sechs verschiedene Betriebe tätig werden können.

Rheinbach. Das Gefängnis in Rheinbach will noch in diesem Jahr die Zahl der Arbeitsplätze für die Gefangenen deutlich erhöhen. Bis Sommer soll ein Erweiterungsbau fertiggestellt sein, in dem sechs verschiedene Betriebe tätig werden können. Zusammen sollen dort rund 80 Arbeitsplätze entstehen.

"Wir suchen Unternehmen, die hier einfache Lohnarbeiten erledigen lassen", sagt Gefängnisleiter Heinz-Jürgen Binnenbruck. Montage, Demontage, Bearbeitung, Verpackung und Kuvertierung sind mögliche Tätigkeiten, die von Gefangenen ausgeübt werden könnten.

In der Rheinbacher Justizvollzugsanstalt sitzen laut Binnenbruck aktuell rund 540 Straftäter ein. Laut Gesetz ist jeder, der gesundheitlich dazu in der Lage ist, verpflichtet zu arbeiten. Das Problem: Im Rheinbacher Gefängnis gibt es nicht genügend Arbeitsplätze für alle Insassen. In sieben Betrieben stehen 210 Arbeitsplätze zur Verfügung. Deshalb ist neben der Arbeitshalle, die im Sommer fertig wird, schon eine weitere geplant, die ebenfalls noch einmal rund 80 Inhaftierten Beschäftigungsmöglichkeiten bieten soll.

In der Gefängnisschreinerei herrscht reger Betrieb. Hier stellen 21 Gefangene Büromöbel her, mit denen Justizgebäude in ganz Nordrhein-Westfalen ausgestattet werden. "Wir beschäftigen gerne auch Männer mit langen Haftstrafen", sagt Ernst Krämer, der die Abteilung leitet.

Grund: Die Tätigkeiten an den computergesteuerten Maschinen sind anspruchsvoll und erfordern längere Einarbeitungszeiten und Erfahrung. Mitarbeiter langfristig binden - hier unterscheiden sich die Interessen der Haftanstalt kaum von denen eines normalen Arbeitgebers. Die Arbeit in der Schreinerei läuft von 6.30 Uhr 16.10 Uhr bei einer 42-Stunden-Woche. In der Schlosserei fertigen die Häftlinge unter anderem die Gitterstäbe für die Gefängnisse.

Auch Fremdfirmen lassen in den Betriebsstätten des Rheinbacher Gefängnisses heute schon fertigen. Eine davon ist der Hausgerätehersteller Miele, der für sein Werk in Euskirchen von Häftlingen in Rheinbach seit 2006 Kabeltrommeln vormontieren lässt. Aufgrund guter Erfahrungen hat Miele inzwischen weitere Lohnarbeiten nach Rheinbach vergeben.

"Es handelt sich um Tätigkeiten mit hohem Handarbeitsanteil, die wir in unseren eigenen deutschen Werken nicht wirtschaftlich darstellen könnten", so ein Sprecher des Gütersloher Unternehmens.

Eine Alternative wäre, die Teile von Zulieferern mit Auslandsfertigung herstellen zu lassen. "Wir haben uns aber bewusst dafür entschieden, solche Arbeiten auch an Justizvollzugsanstalten oder betreute Werkstätten zu vergeben", sagte der Miele-Sprecher. Der Werkvertrag mit dem Rheinbacher Gefängnis sei flexibel, die Bezahlung an die Vollzugsanstalt erfolge auf Stückzahlbasis, wobei der einschlägige Tarif hinterlegt sei. Eine Million Teile habe Miele im vergangenen Jahr aus Rheinbach bezogen.

"Wir sind mit der Zusammenarbeit, mit der Qualität der Arbeit und der Verlässlichkeit sehr zufrieden", sagte der Miele-Sprecher. Lediglich der An- und Abtransport der Waren aus dem Gefängnis sei naturgemäß etwas umständlicher. "Wir sehen die Zusammenarbeit als langfristig und ausbaufähig an." Miele wolle mit den Aufträgen an das Gefängnis auch einen Beitrag zur Resozialisierung und zur Entlastung der Steuerzahler leisten.

Für die Arbeit in den Werkstätten werden die Gefangenen auch entlohnt. Im Schnitt erhalten sie laut Binnenbruck 11 Euro - pro Tag. Dass Firmen im Gefängnis besonders billig produzieren lassen können, lässt sich daraus allerdings nicht schließen. Die Unternehmen müssen Tariflohn zahlen, die Differenz behält die Haftanstalt ein. Denn die Haftplätze und die Verpflegung der Gefangenen kosten Geld, rund 80 Euro Euro pro Tag.

Im Gefängnis können Häftlinge, von denen viele beruflich nicht qualifiziert sind, auch eine Ausbildung machen. In Rheinbach wird allerdings nur zum Küchenhelfer ausgebildet, da die Zuständigkeiten unter den Gefängnissen in NRW aufgeteilt sind. Wer eine bestimmte Ausbildung sucht, kann eine Verlegung in das Gefängnis in Geldern beantragen. Dort befindet sich ein Berufsbildungszentrum.

Unternehmen, die sich für Lohnarbeiten interessieren, können sich an die Arbeitsverwaltung der JVA Rheinbach wenden. Ansprechpartner: Werner Faßbender, Telefon: (0 22 26) 86-221, E-Mail: werner. fassbender@jva-rheinbach.nrw.de

Die Justizvollzugsanstalt RheinbachUm das Jahr 1900 stand Rheinbach vor der Entscheidung, ein Gefängnis oder eine Militärkaserne im Stadtgebiet zu akzeptieren. In Sorge um die jungen Rheinbacherinnen entschied man sich fürs Gefängnis - hier liefen die Männer wenigstens nicht frei herum.
Die Anstalt öffnete 1914. Errichtet in klassischer Kreuzbauweise nach englischem Vorbild bot das Zuchthaus Platz für 714 Gefangene. In den 50er und 60er Jahren saßen hier bis zu 850 Straftäter ein. Mit der Strafrechtsreform 1969 wurde das Zuchthaus zur Justizvollzugsanstalt (JVA).
In den 70er Jahren saßen vor allem Schwerstkriminelle in Rheinbach. Ständige Querelen gipfelten 1989 in einer Geiselnahme eines Bediensteten. Ein schnelles Eingreifen der Polizei verhinderte Schlimmeres. 1990 meuterten Gefangene, weil sie glaubten, wegen der Wiedervereinigung gebe es eine Amnestie. Der Aufstand wurde nach drei Tagen niedergeschlagen, es entstand hoher Sachschaden.

Seit einigen Jahren wird die JVA Rheinbach mit Millionenaufwand saniert und ausgebaut. Eine neue Sporthalle und ein Sportplatz sind bereits fertig, weitere Hallen für Werkbetriebe in Bau oder in Planung. Auch ein alter Zellentrakt wird noch abgerissen und ersetzt.

Mit 540 Gefangenen 46 unterschiedlicher Nationalitäten, um die sich 240 Beschäftigte kümmern, ist das Rheinbacher Gefängnis derzeit praktisch voll belegt. Der Ausländeranteil liegt mit 26 Prozent unter dem Landesschnitt von 32 Prozent. Insgesamt gibt es in NRW 37 Haftanstalten mit zusammen 18 000 Gefangenen.

Vom Land erhielt díe JVA Rheinbach im vergangenen Jahr Zuweisungen in Höhe von 6 Millionen Euro. Unter anderem aus der Arbeit der Gefangenen erzielte sie Einnahmen von 2,18 Millionen Euro, so dass unterm Strich 2,18 Millionen Euro Mittel verbraucht wurden.

In Rheinbach gibt es für die Gefangenen kaum Vollzugslockerungen wie Freigang. Gewalttäter und Drogenabhängige können sich aber für einjährige Therapien in Behandlungswohngruppen im Gefängnis bewerben.

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