Kultur - Verwaldung statt Verwaltung

Joseph Beuys' spektakuläre Aktion "7000 Eichen" bei der documenta 7

Stadtverwaldung statt Stadtverwaltung", unter diesem Begriff firmierte die vielleicht größte Kunstaktion in Deutschland: Joseph Beuys' Projekt "7000 Eichen" für die documenta 7 in Kassel (1982). Der Künstler erlebte das Ende der spektakulären Pflanzaktion, bei der für jede gepflanzte Eiche ein Basalt-Stein gesetzt wurde, nicht; Beuys starb im Januar 1986, drei Monate vor seinem 65. Geburtstag. Erst ein Jahr später - zum Auftakt der documenta 8 - wurde die letzte Eiche gepflanzt. "7000 Eichen" ist nicht nur Beuys' umfassendstes Werk, es ist auch seine konsequenteste Arbeit. Die Begriffe "Soziale Plastik" und "Erweiterter Kunstbegriff" werden hier deutlich.

Die Kunst wurde transformiert, indem Beuys "der Eigenwertigkeit des Ästhetischen entsagte und ein konkretes, ökologisch begründetes und politisches Ziel anvisierte" (Armin Zweite). Beuys' Gastspiele auf der documenta - er war fünf Mal dabei - standen im Zeichen des "Erweiterten Kunstbegriffs".

1972 reichte er zur documenta 5 keine fertigen Arbeiten mehr ein, sondern richtete im Kasseler Friderizianum das Büro seiner "Organisation für direkte Demokratie durch Volksabstimmung" ein. 100 documenta-Tage lang diskutierte er mit dem Publikum. Bei der d 6 installierte er seine "Honigpumpe am Arbeitsplatz", ein Modell für menschliche und gesellschaftliche Kreisläufe in direktem Kontakt mit dem Raum der "Free International University for Creativity" (FIU), in dem pausenlos diskutiert wurde.

1982, bei der d 7 folgten nun die "7000 Eichen": 7000 Basaltblöcke, in einer Keilformation arrangiert, die auf das erste gepflanzte Bäumchen wies, stapelten sich vor dem Friderizianum. Ein mächtiger Berg, der mit der Zeit versetzt werden sollte. Denn jeder im Stadtbild gepflanzten Eiche sollte ein Stein zur Seite gestellt werden. "Es kam mir darauf an, dass jedes einzelne Monument aus einem lebenden Teil besteht, eben dem sich ständig in der Zeit veränderndem Wesen Baum, und einem Teil, der kristallin ist und also eine Form, Masse, Größe, Gewicht beibehält", sagte Beuys.

Das ganze Unternehmen war eine logistische - und finanzielle - Großtat. Für 500 Mark konnte man einen Baum pflanzen lassen, was die Kosten allerdings keinesfalls deckte. Beuys mobilisierte Spenden, ersann Aktionen wie die Umschmelzung einer Nachbildung der Zarenkrone zum "Friedenshasen" (der dann für 700 000 Mark verkauft wurde), machte sogar im japanischen Fernsehen Reklame für Whisky (das Honorar floss in den "Eichen"-Topf).

Freilich hat Beuys Kapital immer anders definiert - nicht das Geld ist ausschlaggebend, sondern die Kreativität. In Wien sagte er 1983: "Wenn sie, die Menschen, also von ihrem Grundkatalog der Kreativität allmählich Gebrauch machen, dann wird sich die Welt, nachdem sie verwelkt ist, wieder erheben können. Und das ist die ästhetische Grundfrage für mich."

Doch nicht nur dieser Gedanke steckt im Eichen-Projekt, der zentrale Begriff der Wärme war integriert, ebenso der Gedanke eines gesellschaftlichen Umbaus, für den die "Verwaldung" eine sinnfällige Metapher war. Dass die Eiche in der Mythologie als Baum der Druiden galt, außerdem eine gewisse Ähnlichkeit des Basalt-Lagers zu prähistorischen Kultstätten à la Carnac oder Stonehenge vorhanden ist, erweitert den Deutungsspielraum immens.

Schwer zu erklären ist, wieso die Basalt-Blöcke in den Museumsraum zurückfanden, dem sie doch erst durch die spektakuläre Aktion entronnen waren: 1983 entstand ein bizarres, an Caspar David Friedrichs Bild "Eismeer" gemahnendes Arrangement von 44 länglichen Steinen, aus denen jeweils ein kreisrundes Loch gefräst worden war ("Collector für kosmische Formkräfte"). Titel der Arbeit: "Das Ende des 20. Jahrhunderts". Es ist ein ungeheuer intensives Werk, eine gespenstische Vision, die ihre Brisanz durch Beuys' "7000" Eichen erhält.

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