Käufer verklagt Händler und Autokonzern Bonner Richter gehen mit VW hart ins Gericht

Bonn · Ein Autokäufer verklagt einen hiesigen Autohändler und den VW-Konzern und bekommt Recht. Die Bonner Zivilkammer spricht im Abgasskandal von arglistiger Täuschung und gesteht dem Käufer das Recht auf Rückabwicklung zu.

Es sind ungewöhnlich deutliche Worte, die ein Bonner Richter erstmalig an die Adresse von VW richtet. Von arglistiger Täuschung im Zusammenhang mit dem Abgasskandal ist die Rede und von fragwürdiger Geschäftspraxis. Kurzum: Die 19. Bonner Zivilkammer lässt keinen Zweifel daran, wie sie im Fall einer Klage gegen den Autokonzern und einen hiesigen Autohändler zu entscheiden gedenkt: Sie gesteht einem Autokäufer, der gutgläubig ein angeblich umweltfreundliches Fahrzeug erwarb, bis er bezüglich der wirklichen Emissionswerte eines Besseren belehrt wurde, das Recht auf Rückabwicklung des Kaufs zu. Und nicht nur diesem Kläger, wie Kammervorsitzender Roland Zickler klarstellt: Diese Linie des Gerichts gelte auch für die übrigen rund zehn Kläger, die die 19. Zivilkammer um Hilfe angerufen hätten.

Denn so gehe das nicht, erklärt der Richter in der mündlichen Verhandlung. Der Kläger und seine Frau hätten sich Anfang 2014 für den angeblich emissionsarmen Audi Diesel entschieden, weil sie ein umweltfreundliches Auto haben wollten. Und dann hätten sie 2015 aus den Medien erfahren, dass mit den Abgaswerten etwas nicht stimme, und erst durch eigene Recherchen mitbekommen, dass auch ihr Auto betroffen sei. Deshalb habe der Ehemann den hiesigen Händler und den VW-Konzern auf Rückabwicklung verklagt.

Warum die Zivilkammer diesen Anspruch bejaht, erklärt Richter Zickler den Parteien und geht dabei nicht nur mit VW hart ins Gericht, sondern vorab auch mit der deutschen Rechtsordnung: Diese Fälle würden von deutschen Gerichten "mal so, mal so" entschieden und könnten kaum effizient erledigt werden, weil in Deutschland keine Sammelklagen wie in den USA möglich seien. "Es ist unerträglich für den Bürger, so zersplittertes Recht zu erleben, und dass es eher Glück ist, bei welchem Gericht man landet", moniert Zickler. Denn eine höchstrichterliche Entscheidung durch den Bundesgerichtshof gebe es nicht, die wolle VW auch nicht lesen. Und so lange seien diese Verfahren "eine Fahrt im Nebel".

Da seien andere Rechtsordnungen überlegen, so der Richter. Deshalb habe VW in den USA 15 Milliarden gezahlt, um sich Rechtsstreitigkeiten vom "Leib zu schaffen". Für die 19. Zivilkammer, so Zickler, stehe nach entsprechender Vorberatung fest: Der Händler muss den Wagen zurücknehmen und den Kaufpreis abzüglich einer Nutzungsgebühr zurückzahlen, denn es ist ein Mangel, wenn ein ausgeliefertes Auto nachgebessert werden muss.

Als ausgesprochen fragwürdig stuft das Gericht die Praxis mit der Emissionssoftware ein, die mit zwei Modi arbeite: dem Prüfmodus und dem normalen Modus. Erkenne das Auto, dass es im Prüfmodus sei, sorge die Software für optimale Emissionswerte. Im Straßenverkehr aber lägen viel höher - die Rede sei vom "40-fachen Wert". Dass der Händler das nicht wusste, sei sein Pech, so das Gericht. Denn der habe ein mangelfreies Auto abzuliefern: "Und wir glauben nicht, dass ein Update für sieben Euro Abhilfe schafft." Hätte man das direkt aufgespielt, hätte VW sich viel Ärger erspart. Und auf eine "zweite Irrfahrt" müsse sich der Kläger nicht einlassen. Warum überhaupt diese zwei Modi?, fragt die Kammer und befindet: "Derjenige, aus dessen Lager eine arglistige Täuschung stammt, hat kein Recht, dass man ihm beim zweiten Mal traut."

Dass VW in der Pflicht ist, steht für das Gericht außer Zweifel: "VW hat ein Auto programmiert, die zulässigen Gesamtwerte um ein X-faches zu überschreiten." Und deshalb, so der Richter, "pusten zweieinhalb Millionen Audis ein Vielfaches an Stickoxidwerten in die Luft, obwohl das nach der Zulassung gar nicht geht". Anders habe man den US-Markt wohl nicht erobern können. Das sei nach hinten losgegangen und koste nun viel Geld. "Denkbar wäre hier auch eine vorsätzlich sittenwidrige Schädigung", so Richter Zickler. "Aber das ist ein scharfes Schwert." Sollten sich die Parteien nicht einigen, was niemand erwartet, fällt die Kammer im Juli ein Urteil.

AZ: LG Bonn 19 O 76/16

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