Dialogforum in Bad Godesberg "Demenz ist keine Epidemie"

BAD GODESBERG · Veranstalter Markus Nowak, Leiter der Bonner Home Instead Seniorenbetreuung, hatte am gestrigen Freitag mit seinem ersten Bad Godesberger Dialogforum Demenz den Nerv getroffen: Einen Nachmittag lang entwickelte sich die Stadthalle zu einem Treffpunkt für viele, die am wichtigen Thema Demenz interessiert sind.

 Eine Tabuisierung von Demenz kommt für Ursula Lehr, Erich Schützendorf (links) und Markus Nowak nicht in Frage.

Eine Tabuisierung von Demenz kommt für Ursula Lehr, Erich Schützendorf (links) und Markus Nowak nicht in Frage.

Foto: Ronald Friese

"Ich möchte hier erfahren, welche Hilfen meine erkrankte Freundin bekommen kann", begründete Leonore Diesel ihr Kommen, während sie die eindrücklichen Seniorenbilder der Fotografin Cynthia Rühmekorf betrachtete. Er wolle besser verstehen, wie man Dementen etwa im Altenheim würdevoll begegnen könne, sagte Andreas Lenkeit und sprach für viele Angehörige von Demenzerkrankten.

Aber auch zahlreiche Fachleute waren vor Ort: Lioba Brockamp, Oberin der DRK-Schwesternschaft Bonn, die einen Großteil des lokalen Pflegepersonals ausbildet, nutzte das Forum als Kontaktbörse. Ebenso tat das Anna Braun, die in einer Hennefer Demenz-Wohngemeinschaft arbeitet.

"Wir wollen alle Neuigkeiten zu Demenz erfahren." Birgit Ratz vom Verein Lebensqualität im Alter (LeA), der in Bonn Wohnprojekte für Demente betreibt, lobte den Kraftakt der Home Instead-Kollegen, einen Treffpunkt für Interessierte geschaffen zu haben. Und dann setzte die renommierte Altersforscherin Professor Ursula Lehr als Schirmherrin zum Leitvortrag an. Davor, vergessliche alte Menschen sofort als dement zu bezeichnen, warnte sie eindringlich.

"20 Prozent der Senioren, denen Hausärzte heute die Diagnose Demenz stellen, haben eigentlich depressive Einschränkungen. Und gegen die kann man sehr wohl noch etwas tun", so die ehemalige Bundesministerin. "Wir dürfen unsere älteren Mitbürger nicht zu schnell in eine Ecke stellen."

Gleichwohl werde die Zahl der an Demenz Erkrankten in den kommenden Jahren weiter steigen, weil es immer mehr über 90-jährige Mitbürger geben werde. "Demenz ist aber keine Epidemie, sondern unsere Gesellschaft wird immer älter", betonte Lehr. Ja, unter den über 90-Jährigen erkrankten durchschnittlich jede zweite Frau und jeder dritte Mann an demenzieller Veränderung. "Auch heute schon ist ein Drittel unserer Mitbürger über 90 von Demenz betroffen."

Es gehe also deshalb darum, das Thema nicht zu tabuisieren, sondern offen anzusprechen und Möglichkeiten aufzuzeigen, dass Demente in unserer Gesellschaft verstanden und würdevoll begleitet werden könne. Demenz heilen, nein, das können man noch nicht, aber den Prozess verzögern und ihm überhaupt erst vorbeugen, so Lehr.

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