CDU-Bürgertreff Plittersdorf Brodeln an der Basis

Bad Godesberg · Beim CDU-Bürgertreff in Plittersdorf hat Angela Merkel nur eine Fürsprecherin: die ehemalige Familienministerin Ursula Lehr. Lokale Themen wie der neue Kreisverkehr und die jüngsten Einbrüche werden diesmal kurz gehalten. Denn es geht um das beherrschende Thema dieser Tage: die Flüchtlingskrise.

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Die Hauptperson des Abends ist gar nicht da und doch allgegenwärtig. Und eines ahnt man schon zu Beginn: Angela Merkel wird an diesem Abend nicht sonderlich gut wegkommen. Dabei sind es weder Vertreter der Linkspartei noch der Alternative für Deutschland (AfD), die sich da am Mittwoch im Schaumburger Hof versammelt haben. Es ist die Basis der CDU, die mit Bewohnern Plittersdorfs zum regelmäßigen Bürgertreff zusammenkommt.

„Die Stimmung ist gekippt“, sagt Ortsverbandschef Nikolaus Kircher und verweist auf die aktuellen Umfragewerte zum Vertrauen der Bevölkerung in die Regierung, in die Kanzlerin und damit auch in seine Partei. Nach der Welle der Hilfsbereitschaft müsse man nun erkennen, so Kircher, dass sich die Menschen von der Politik nicht gefragt und einbezogen fühlten, dass das „Wir schaffen das!“ als alternativlose Handlungsvorgabe und als „Imperativ“ wahrgenommen werde. „Ein demokratischer Diskurs dazu ist das Gebot der Stunde“, sagt Kircher und skizziert die heraufziehenden Gefahr, dass es zu einer Verlagerung der Debatte auf die Straße und eine „emotionale Spaltung der Gesellschaft“ komme, in der man die Wahl habe, sich entweder als „Gutmensch“ oder als „Fremdenfeind“ beschimpfen zu lassen.

Noch gibt es in Plittersdorf keine Sammelunterkünfte für Migranten, auch hat die Stadtverwaltung in dem als beschaulich und wohlhabend geltenden Stadtteil bislang keine Turnhallen beschlagnahmt. Dass der örtliche CDU-Vorstand bei den rund 50 Anwesenden mit seiner Eröffnung dennoch offene Türen einrennt, wird in der Aussprache rasch deutlich. Wobei es sich nicht um eine interne Parteiveranstaltung handelt: Etwa bei 80 zu 20, sagt Kircher, liege in der Regel das Verhältnis zwischen Bürgern und Unionsmitgliedern. Insofern besteht für Angela Merkel und ihren Rückhalt an der Basis doch noch die Hoffnung, dass die Stimmung im Schaumburger Hof nicht gänzlich repräsentativ für das Meinungsbild in ihrer Partei ist.

Denn das wäre ungünstig: Vor einem „drohenden Volksaufstand“ warnt einer der Anwesenden; dass der Islam ein Integrationshindernis sei, meint ein anderer. „Wo sind die Anreize zur Rückkehr in die Heimatländer, wo bleibt die Zurückweisung Nichtberechtigter?“, fragt eine Frau. Und als die Sprache wieder mal auf das Mantra der Kanzlerin „Wir schaffen das!“ und auf die fehlende Mitwirkung des Parlaments kommt, fällt gar das Wort vom „Führerbefehl“. Die CDU müsse aufpassen, sagt einer der Anwesenden, dass sie nicht im Strudel der Merkelschen Politik in den Abgrund gerissen werde. „Aber die CDU ist ja nicht Frau Merkel“, ruft eine Dame – „Gottseidank!“, kommt prompt zurück.

Nun, es wäre wirklich kein guter Abend für die Kanzlerin, mischte sich nicht eine Plittersdorferin in die Debatte ein, die selbst jahrelang Regierungsverantwortung trug: „Wir müssen uns schon fragen: Sind wir noch eine christliche Partei?“ Es ist die frühere Bundesfamilienministerin Ursula Lehr, die diese Frage aufwirft und argumentiert, dass die Kanzlerin angesichts frierender und hungernder Menschen an der deutschen Grenze gar keine andere Wahl als deren Öffnung gehabt habe. Dass ihrer Ansicht nach schon der Bevölkerungsschwund zur Einwanderungspolitik zwingt, verdeutlicht die frühere Ministerin anhand einiger Grafiken, die sie spontan aus der Tasche zieht.

Zu überzeugen allerdings vermag auch sie damit nur wenige im Saal: „Ich glaube nicht, dass die Einwanderer herkommen, um unsere alten Leute zu pflegen“, sagt eine Frau. Nach einer Stunde scheint fürs Erste alles gesagt. Nikolaus Kircher erinnert an eine Allensbach-Umfrage aus dem Herbst, derzufolge sich vier von zehn Deutschen nicht öffentlich zu sagen trauten, was sie denken. Diesen Eindruck hat man beim Heimweg aus dem Schaumburger Hof dann allerdings nicht.

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