Im Erzählsalon kann das Herz überlaufen Zeitzeugen erzählen von Trauer und Glück

Keine Stecknadel würde man fallen hören, so leise ist es an diesem Samstagnachmittag wieder einmal im Erzählsalon in der Villa Pfennigsdorf, wenn sich Bonner Zeitzeugen erinnern.

 Die Villa Pfennigsdorf in der Nähe des Poppelsdorfer Schlosses ist Ort des Erzählsalons.

Die Villa Pfennigsdorf in der Nähe des Poppelsdorfer Schlosses ist Ort des Erzählsalons.

Foto: Ebba Hagenberg-Miliu

Sie erinnern sich an ihre Kindheit, an die Personen im Umfeld, die ihr Leben bestimmten, an Prominente aus Wissenschaft und Politik, die sie sahen, an die Kriege, den Wiederaufbau, an so viele Lebenswege, die sich hier im Universitätsviertel und der Südstadt kreuzten.

Auch junge Zuhörer lauschen gerne. Jeden zweiten Monat werden hier lokale Geschichte und Geschichten im so großbürgerlichen Ambiente des denkmalgeschützten Prachthauses wieder lebendig. Der Standort in der Nähe des Poppelsdorfer Schlosses ist gut gewählt: Die Villa aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wirkt hinter den hohen Bäumen fast verwunschen. Wer hier durch die herrschaftliche Tür tritt, darf sich alsbald in immer wechselnder Runde wie auf einer Insel der Zeit fühlen.

Mittendrin im gemütlichen Wohnzimmer, zwischen Wänden, die sozusagen Geschichte atmen, sitzt Biografin Corinna Dommes und macht ihren Gästen Mut, zu einem lokalen Thema aus ihren Erinnerungen zu schöpfen. Erzählsalons hätten ja eine lange Tradition, erläutert die Salonière.

„Hier versammelten sich schon immer aufgeklärte und gesellige Menschen zu anregendem Austausch - über Kunst, Literatur, Musik, Philosophie oder Politik. Man sitzt beieinander, erzählt und hört nichts Ausgedachtes, nichts Aufgeblasenes, sondern ganz schlicht persönlich erlebte Geschichten.“

In zwei Stunden entfalte sich so ein großes Spektrum an Lebenserfahrungen und -philosophien, weiß Dommes, eine Germanistin und Romanistin, die auch Lebensgeschichten schriftlich verfasst.

In den sechsmal im Jahr stattfindenden Erzählsalons werden also lokale, kulturelle und historische Zusammenhänge plastisch. „Leben breitet sich in seiner ganzen Vielfalt aus: in Trauer und Schmerz, in Freude und Glück“, meint Dommes. Der Erzählsalon sei ein idealer Ort, sich neuen Gedanken zu öffnen oder Altbekanntes neu zu sehen.

„Wie ein Zaubertrank kann der Salon wirken, in behaglicher Atmosphäre, bei einem Tässchen Tee oder Kaffee.“ Nach einer guten Geschichte fühlten sich die Teilnehmer reicher als zuvor, vorausgesetzt, sie haben auch zugehört. „Gutes Zuhören will wie gutes Erzählen geübt sein. Der Erzählsalon öffnet uns dafür das Herz und die Sinne.“

Und Dommes hilft sensibel, wenn jemand seine Erinnerungen aufblättert. Der Salon bleibe immer der geschützte Raum, an dem das Herz auch mal überlaufen könne.

Beim nächsten Termin am 13. November ab 16 Uhr werde es um Kaplan Hieronymi, „den heiligen Martin von Poppelsdorf“, gehen, kündigt die Salonière an. Sie sei gespannt, wer sich an diesen barmherzigen Mann erinnere, der ab 1946 an der Kirche St. Sebastian wirkte. „Der hat schon seine Mutter zur Weißglut gebracht“, sagt Dommes schmunzelnd. „Als er nämlich die Schuhe, die die Mutter ihm gerade gekauft hatte, sofort an einen Armen weitergab.“ (ham)

Bonner Erzählsalon
Villa Pfennigsdorf
Poppelsdorfer Allee 108
53115 Bonn

Es wird um Anmeldung unter der Nummer 02 28/9 26 59 53 oder per E-Mail an info@corinna-dommes.de gebeten.

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