Wien droht Osteuropäern mit Kürzung von EU-Beiträgen

Brüssel · Deutschland und Österreich haben im Vorfeld des EU-Gipfels mehr europäische Solidarität bei der vereinbarten Verteilung von 160 000 Flüchtlingen gefordert. Österreichs Bundeskanzler Werner Faymann schließt finanzielle Konsequenzen für weniger solidarische EU-Mitglieder nicht aus.

 Die Lasten bei der Aufnahme von Flüchtlingen sind in der EU extrem ungleich verteilt. Foto: Armin Weigel/Archiv

Die Lasten bei der Aufnahme von Flüchtlingen sind in der EU extrem ungleich verteilt. Foto: Armin Weigel/Archiv

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"Wer unter dem Strich mehr Geld aus dem EU-Haushalt erhält als einzahlt, sollte sich bei einer fairen Verteilung der Flüchtlinge nicht einfach wegducken", sagte er der "Welt".

Beim Gipfel an diesem Donnerstag und Freitag in Brüssel geht es zudem um den umstrittenen Vorschlag der EU-Kommission zur Stärkung des europäischen Grenzschutzes und Forderungen des britischen Premiers David Cameron zur Reform der EU.

Faymann sagte, wer sich bei der geplanten Verteilung verweigere, stelle die gesamte Finanzierung des EU-Haushalts infrage und mache es Nettozahlern wie Österreich künftig sehr schwer, weiterhin so viel Geld einzuzahlen. Solidarität sei keine Einbahnstraße.

Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) kritisierte, die Verteilung der Flüchtlinge komme viel zu langsam voran. Die Bundesregierung bestehe darauf, dass bereits getroffene Vereinbarungen konsequent umgesetzt würden.

Deutschland will sich Merkel zufolge für einen dauerhaften und verbindlichen Mechanismus zur Verteilung der Flüchtlinge in Europa einsetzen. Der zweitägige Gipfel in Brüssel werde hier allerdings keinen Durchbruch bringen, so die Kanzlerin. Ratspräsident Donald Tusk will dazu aufrufen, bereits gefasste Beschlüsse konsequenter in die Tat umzusetzen.

Bei der vor knapp drei Monaten vereinbarten Zahl von 160 000 Flüchtlingen, die innerhalb der EU verteilt werden sollen, geht es im wesentlichen um Menschen, die in Griechenland und Italien ankamen. Einige mittel- und osteuropäische Staaten sperren sich hier nach wie vor. Merkel will in Brüssel bei einem Extratreffen mit dem türkischen Regierungschef Ahmet Davutoglu und einigen EU-Regierungschefs auch über das Vorhaben reden, der Türkei Flüchtlingskontingente abzunehmen.

Wie die "Bild"-Zeitung unter Berufung auf interne Zahlen der EU-Kommission berichtete, kamen seit Anfang des Monats 52 234 Flüchtlinge aus der Türkei nach Griechenland. Das waren demnach im Schnitt 3731 pro Tag. Seit Anfang dieser Woche seien die Zahlen auf weniger aus 2000 gesunken; im September und Oktober seien es noch 6970 Menschen pro Tag gewesen.

Bei dem Gipfel dürfte auch der umstrittene Vorschlag der EU-Kommission zur Stärkung des europäischen Grenzschutzes zur Sprache kommen. Merkel sagte Deutschlands Unterstützung für die Vorschläge der EU-Kommission bereits zu. Diese sollten möglichst rasch beraten und verabschiedet werden, sagte die CDU-Politikerin am Mittwoch bei einer Regierungserklärung im Bundestag. Die Menschenrechtsorganisation Pro Asyl warnte vor einer "Erosion der Menschenrechte".

"Die Pläne der EU-Kommission zum Ausbau von Frontex und zu vermehrten Abschiebungen aus den Grenzregionen zielen auf eine Aushebelung der Menschenrechte an den EU-Grenzen", kritisierte Pro Asyl. Zurückweisungen an den Grenzen und Abschiebungen in Staaten wie etwa Afghanistan oder den Iran seien inakzeptabel.

Die Pläne sehen vor, dass die gestärkte und personell ausgebaute europäische Grenzschutzagentur Frontex notfalls auch gegen den Willen der betroffenen Staaten zur Sicherung der Außengrenzen aktiv werden kann. Etliche Mitgliedstaaten sehen das skeptisch, weil damit Kernfragen ihrer Souveränität berührt sind.

EU-Innenkommissar Dimitris Avramopoulos verteidigte den Vorschlag. Der Zustrom an Flüchtlingen in den letzten Monaten habe gezeigt, dass die EU einen anderen Ansatz brauche, sagte er der "Passauer Neuen Presse" (Donnerstag). Es gehe nicht um eine Festung Europa. "Es geht um ein besseres Management unserer Außengrenzen, so dass wir die Freizügigkeit innerhalb unserer Innengrenzen besser aufrechterhalten können." Er halte "weder völlig offene noch völlig geschlossene Grenzen für realistisch", so Avramopoulos.

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