SPD-Ministerpräsident Weil wirft CSU Schädigung Deutschlands vor

Berlin/Hannover · Die Kanzlerin geht in Urlaub, doch die Nachwehen des Asylstreits bleiben. Der Schuldige gilt als ausgemacht - und wird mit eindringlichen Mahnungen in die Sommerpause verabschiedet.

 Stephan Weil, Ministerpräsident von Niedersachsen.

Stephan Weil, Ministerpräsident von Niedersachsen.

Foto: Holger Hollermann

Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) hat den im Bund mitregierenden Koalitionspartner CSU nach Wochen des erbittert geführten Asylstreits zur Mäßigung aufgerufen.

Wenn sich die Partei nicht endlich darauf besinne, "dass es eine gemeinsame Geschäftsgrundlage in Form der Koalitionsvereinbarung gibt, dann werden wir wahrscheinlich ein unruhiges zweites Halbjahr erleben", sagte Niedersachsens SPD-Chef der Deutschen Presse-Agentur in Hannover. Bei vielen Mitgliedern seiner Partei gebe es tiefe Verärgerung über das Gebaren der CSU, die Geduld seiner Partei sei allmählich aufgebraucht. Grünen-Chef Robert Habeck sieht die CSU-Führung gar im "Amok-Modus".

Die CSU unter Parteichef und Bundesinnenminister Horst Seehofer dringt seit langem auf einen schärferen Kurs in der Flüchtlingspolitik und setzte zuletzt Kanzlerin Angela Merkel (CDU) massiv unter Druck. Unionspolitikern zufolge war die Fraktionsgemeinschaft in Gefahr, bis letztlich doch eine Kompromisslösung - auch mit der SPD - gefunden und eine Regierungskrise verhindert wurde. Als Hintergrund des CSU-Vorgehens sehen viele die bevorstehende Landtagswahl in Bayern im Oktober.

Während die CSU wiederholt mit einem nationalen Alleingang drohte, bekräftigte Merkel am Freitag auf ihrer traditionellen Sommer-Pressekonferenz ihren europäischen Ansatz in der Flüchtlingspolitik noch einmal. Zugleich beklagte die Kanzlerin den oft sehr schroffen Ton in der Auseinandersetzung. Ihrer Ansicht nach führe dies zu Vertrauensverlust und befördere Politikverdrossenheit.

Weil hielt der CSU nicht nur eine Schädigung der politischen Ordnung, sondern auch der Interessen Deutschlands vor. "Die CSU hat, kurz gesagt, das Geschäft der AfD betrieben, und sie betreibt es nach wie vor", kritisierte Weil, der in der SPD als Hoffnungsträger gilt. "Das war ein schweres, politisches Versagen, das wir da erlebt haben und von dem ich auch noch nicht sicher bin, dass es beendet ist."

Auch Vizekanzler Olaf Scholz (SPD) warnte vor neuem Streit. Der Konflikt habe alle in Deutschland befremdet, sagte der Bundesfinanzminister der "Stuttgarter Zeitung" und den "Stuttgarter Nachrichten". Ihn habe "irritiert, mit welcher Selbstverständlichkeit insbesondere die CSU die eigenen Parteiinteressen mit dem Wohl des Staates verwechselt".

Grünen-Chef Habeck pochte auf den Rücktritt des Bundesinnenministers. Die CSU-Führung sei im "Amok-Modus", und Seehofer "spielt mit der Rechtsstaatlichkeit", sagte Habeck den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Samstag). Das Innenministerium hält er für "erbärmlich geführt" unter Seehofer. "Er löst ja nie ein Problem, sondern löst eines nur durch das nächste ab. Erst Obergrenze, Ankerzentren, dann bricht er die Debatte um Zurückweisung anderswo registrierter Asylbewerber vom Zaun und lenkt von den Missständen beim Migrationsamt Bamf ab." Seehofer war wegen seiner Asylpolitik zuletzt auch parteiintern zunehmend in die Kritik geraten.

FDP-Chef Christian Lindner warf Merkel mangelnde Selbstkritik vor. "Man konnte den Eindruck gewinnen, dass Frau Merkel mit dem Treiben in ihrer Regierung nichts zu tun haben will. Immer nur auf andere zu verweisen, wird dem Führungsauftrag an eine Kanzlerin nicht gerecht", sagte Lindner der "Rheinischen Post" (Samstag). Er äußerte die Befürchtung, dass Merkel die große Koalition in den nächsten Jahren "nur verwaltet, statt politisch zu gestalten".

Einem vom Meinungsforschungsinstitut Forsa für RTL und n-tv erstellten "Trendbarometer" zufolge bewerteten die 1006 Befragten die Arbeit der CSU in der Regierung mit der Schulnote mangelhaft (4,7) - die CDU kam auf 3,9, die SPD auf 3,7.

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