Der nächste Versuch Vermittler Platzeck soll Bahn-Tarifrunde retten

Berlin · Manche hatten ein neues Tarifangebot an die Lokführer erwartet. Stattdessen schlug Bahnchef Grube vor, einen Vermittler in die Tarifrunde einzuführen. Ob das die Sache voranbringt, ist noch offen.

Für die ganze verfahrene Situation ist es symptomatisch. Nicht einmal darüber, ob ein neuer Vorschlag der Bahn der Lokführergewerkschaft GDL korrekt schriftlich übermittelt wurde, waren sich die beiden Seiten am Mittwoch einig. Er habe extra noch mal seine Sekretärin gefragt, es sei bislang nichts angekommen, sagte GDL-Chef Claus Weselsky am Mittag in Köln. Die Bahn versicherte, das Schreiben sei vor einer Pressekonferenz von Bahnchef Rüdiger Grube und Personalvorstand Ulrich Weber in Berlin "an Herrn Weselsky persönlich sowie an die Tarifabteilung der GDL geschickt worden".

Der Kern des Vorschlags: Mit Hilfe des einstigen brandenburgischen Ministerpräsidenten Matthias Platzeck soll die unterbrochene Tarifrunde wieder in Gang gebracht werden. Der Sozialdemokrat habe "spontan zugesagt", diese schwierige Aufgabe zu übernehmen, berichtete Grube. Der Bahn-Spitze geht es darum, eine neutrale Instanz in die Verhandlungen einzuführen, eine Art Beobachter oder bestenfalls Vermittler.

Diese "unabhängige Persönlichkeit" solle gewährleisten, "dass unterschiedliche Interpretationen und Streit über Sitzungsergebnisse vermieden würden", formulierte der Bahnchef. Denn damit hat Webers Tarifdelegation schlechte Erfahrungen gemacht. Mehrmals sah sie sich auf einem guten Weg, in kleinen Schritten zu einem Tarifergebnis zu kommen. Dann brach die GDL die Verhandlungen mit der Begründung ab, die Bahn spiele nur auf Zeit und wolle gar keinen Abschluss. So war das Mitte April, und es folgten wieder Streiks.

"So darf und kann es nicht weitergehen", beklagte Grube den Stillstand seiner Züge. Die Streiks überstrapazierten Kunden und Mitarbeiter. Deshalb ist der Vorstandsvorsitzende erstmals in diesem Tarifkonflikt gemeinsam mit seinem Personalvorstand vor die Kameras getreten, um ihn zu unterstützen - nicht um den Tarifstreit zu seiner Chefsache zu machen, wie er klarstellte.

Grube forderte die GDL auf, über das jüngste Bahn-Angebot von 4,7 Prozent Einkommenserhöhung in zwei Schritten zu verhandeln, und machte damit klar, dass es nach dem eine Woche langen Streik erst einmal kein neues, besseres Angebot geben werde. Grube hatte sich bislang klug aus dem Tarifgetümmel herausgehalten. Er dürfte dabei auch an seinen Vorgänger Hartmut Mehdorn gedacht haben, dem im vorangegangenen Tarifkonflikt mit den Lokführern 2007/2008 nicht gerade die Herzen des Publikums zugeflogen waren.

In der mindestens ebenso harten Auseinandersetzung stand damals der kantige Mehdorn in den Augen der Öffentlichkeit schließlich als verantwortlicher Buhmann für die vielen Zugausfälle da, nicht aber Weselskys Vorgänger Manfred Schell. Nun ist es andersrum, und der GDL-Mann steht in der Kritik. Doch bei seinen Anhängern ist Weselsky nach wie vor beliebt. Vor dem Kölner Hauptbahnhof jubelten am Mittwoch rund 300 GDL-Mitglieder ihrem Vorsitzenden vor dem Dom-Panorama zu, ließen sich mit ihm fotografieren, einige umarmten ihn sogar herzlich.

Selbstbewusst ließ der GDL-Chef keinen Zweifel, was er von Grubes Vermittlungsvorschlag hält: "Niemand sollte davon ausgehen, dass wir zum jetzigen Zeitpunkt aufgrund eines PR-Gags des Vorstandsvorsitzenden der Deutschen Bahn AG die Streikaktionen beenden." Abgelehnt hat er die Initiative aber noch nicht. Zunächst will sich Weselsky viel Zeit lassen - mindestens bis zum geplanten Streikende am Sonntag.

Mit der Personalie Platzeck will die Bahn möglicherweise ohnehin eher für die Zeit nach dem Ausstand vorbauen. Trotz aller Zugausfälle und Passagierbeschwerden scheint die Situation im Netz noch beherrschbar. Die vom Schienentransport abhängigen Unternehmen etwa aus der Chemie und der Autoindustrie konnten nach Branchenangaben bisher Produktionsausfälle vermeiden. Ein weiterer Streik im Anschluss an diese Woche würde die Situation aber dramatisch verschärfen.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort