Barrierefreie Wohnungen fehlen

Carolin Krause: Senioren und Behinderte sind die großen Verlierer. Sozialdezernentin fordert Hilfe von Bund und Land.

 Viele Senioren sind auf Rollator, Gehhilfen oder gar einen Rollstuhl angewiesen. Ihre Wohnungen sollten daher barrierefrei sein. In Bonn und der Region fehlt geeigneter Wohnraum. Drei bis vier Mal mehr Wohnungen als derzeit vorhanden werden benötigt.

Viele Senioren sind auf Rollator, Gehhilfen oder gar einen Rollstuhl angewiesen. Ihre Wohnungen sollten daher barrierefrei sein. In Bonn und der Region fehlt geeigneter Wohnraum. Drei bis vier Mal mehr Wohnungen als derzeit vorhanden werden benötigt.

Foto: dpa

Uschi und Dieter S. leben in einer Altbauwohnung in Bonn. Das Haus hat keinen Aufzug. Da die beiden gehbehindert sind und Dieter S. zudem auf einen Rollator angewiesen ist, können die beiden Senioren ihre Wohnung im zweiten Stock nur noch selten verlassen. Das Treppensteigen fällt beiden schwer.

"In dem Haus wurde seit 40 Jahren nichts gemacht. Toilette und Waschbecken sind auf dem Hausflur. Und auch die Wohnungen sind in schlechtem Zustand", sagt Edith Rosenbaum, Leiterin der Fachstelle "Bedarfsgerechtes Wohnen" bei der Stadt Bonn. "Das Ehepaar ist sehr bescheiden und schämt sich für die alten Möbel. So etwas Ärmliches habe ich selten erlebt", sagt Rosenbaum.

"Unser größter Wunsch wäre eine ebenerdige, barrierefreie Wohnung. Doch wir wissen nicht, wo wir die in Bonn finden können", sagt Uschi S. Das Problem ist seit Jahren bekannt: Die Anlaufstelle wurde 2014 als Projekt ins Leben gerufen. "Seither hat sich gezeigt, dass der Bedarf deutlich sichtbar ist und weiter ansteigen wird", sagt Rosenbaum.

Denn wie dem Ehepaar S. ergeht es vielen alten Menschen in Bonn und der Region - Tendenz steigend. Generell gebe es in Bonn zu wenig Wohnungen. Und die barrierefreien fehlten dringend.

Großer Nachholbedarf beim altersgerechten Bauen

"So sind gerade Senioren und Behinderte die großen Verlierer auf dem Wohnungsmarkt", sagt Rosenbaum. "Es kann nicht sein, dass Senioren auf dem Po die Treppen runterrobben müssen, weil sie die Stufen nicht mehr schaffen und womöglich über Jahre ihre Wohnungen nicht mehr verlassen können", erklärt die Leiterin der Fachstelle.

In Bonn leben mehr als 58 000 Menschen, die 65 Jahre und älter sind. Ende 2014 waren laut Zensus rund 18 Prozent der Bundesstädter 65 Jahre und älter, 6,5 Prozent sogar älter als 75 Jahre.

In den kommenden Jahren werden die Babyboomer-Jahrgänge diesen Kreis weiter stark vergrößern und die Zahl der Älteren und der Menschen mit Behinderung, die bedarfsgerechte Wohnungen suchen, wird drastisch steigen. Studien belegen, dass drei- bis viermal mehr Wohnungen benötigt werden, als derzeit vorhanden sind.

Bonn habe einen großen Nachholbedarf beim altersgerechten Bauen und Sanieren. Das Bonner Aktionsbündnis "Bedarfsgerechtes Wohnen" hat sich auf Initiative der Stadt aus dem gleichnamigen runden Tisch entwickelt.

Ziel sei es, so Rosenbaum, eine intensive Beratung bereitzustellen, Angebot und Nachfrage schneller und zielgerichteter zusammenzubringen, um Älteren und Menschen mit Behinderung effektiver helfen zu können. "Unser Slogan lautet 'Kurze Wege, neue Blickwinkel, verbindliche Kooperationen'", erklärt Rosenbaum.

Die Bonner Sozialdezernentin Carolin Krause formuliert Forderungen an Bund und Land, die Kommunen wie Bonn helfen könnten, der Altersarmut und besonders dem Mangel an altersgerechtem Wohnraum zu begegnen.

Bund und Land müssen Anreize schaffen

"Die Rahmenbedingungen für ein selbstständiges Leben im Alter zu verbessern, gehört zu den zentralen wohnungs- und sozialpolitischen Aufgaben von Bund und Ländern", sagt Krause.

"Wir brauchen mehr altersgerechte Wohnungen, die in der Größenordnung jedoch nur über den Umbau im Bestand möglich sind. An dieser Stelle sind die finanzielle Unterstützung kommunaler Demografiekonzepte sowie Anreize für Wohnungseigentümer durch Bund und Land notwendig", erklärt Krause.

Diese Wohnungen seien idealerweise mit einer flexiblen Pflege- und Versorgungsinfrastruktur zu verknüpfen, die eine bedarfsgerechte Betreuung ermöglicht, ohne feste Pauschalen für Leistungen entrichten zu müssen, die nicht benötigt werden.

"Durch Bund und Länder sollten Finanzrahmen für jährliche Förderprogramme erhöht und die Förderaktivitäten ganz allgemein ausgebaut werden", fordert die Bonner Sozialdezernentin.

Zudem sollte das Wohnungsaufsichtsgesetz des Landes Nordrhein-Westfalen in der jetzigen Form erhalten bleiben. Dieses sei die gesetzliche Grundlage für die städtische Zweckentfremdungssatzung. Damit sollen Leerstand oder Umnutzung, wie etwa durch Kurzzeitvermietungen, von dringend benötigtem Wohnraum verhindert werden.

Ein weiterer Punkt, um im Alter in einer bedarfsgerechten Wohnung leben zu können, sei rechtzeitige Vorsorge, sagt Edith Rosenbaum. "Auch private Haus- und Wohnungseigentümer sollten heute schon an morgen denken. Wir haben alle keine Kristallkugel, Krankheit und Behinderung können jeden von uns ganz plötzlich treffen. Deshalb sollte man sich frühzeitig mit den Fragen beschäftigen 'Wie will ich im Alter leben?' und 'Was muss ich dafür tun?'", empfiehlt Edith Rosenbaum.

Im Haus der Bonner Altenhilfe hat die Stadt Bonn eine kostenfreie Wohnberatung für ältere Menschen und Menschen mit Behinderung eingerichtet. Sie steht Bürgern unverbindlich und unabhängig von Einkommen und Eigentumsverhältnissen zur Verfügung.

Claudia Nelles ist unter (02 28) 77 64 62 oder per E-Mail an wohnberatung@bonn.de als Ansprechpartnerin zu erreichen.

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