Aufstieg statt Abstieg Überraschende Lösung im Fall Maaßen

Berlin · Koalitionskrimi mit unerwartetem Finale. Der Verfassungsschutzchef wird zwar wie von der SPD gefordert abgelöst. Aber die Genossen müssen eine Kröte schlucken: Maaßen steigt auf der Karriereleiter nach oben.

 Hans-Georg Maaßen muss als Chef des Verfassungsschutzes seinen Platz räumen.

Hans-Georg Maaßen muss als Chef des Verfassungsschutzes seinen Platz räumen.

Foto: Michael Kappeler/Archiv

Um 17.49 Uhr ist die Koalition vorerst mal wieder gerettet.

Per E-Mail teilen Kanzlerin Angela Merkel (CDU), CSU-Chef Horst Seehofer und die SPD-Vorsitzende Andrea Nahles nach knapp einwöchiger Regierungskrise um Hans-Georg Maaßen mit, dass der 55-Jährige sein Amt als Verfassungsschutz-Präsident räumen muss. Doch die zwölf Zeilen haben es in sich: "Herr Maaßen wird in Zukunft Staatssekretär im Bundesministerium des Innern werden."

Im Klartext: Der Spitzenjurist wird befördert. Und zwar mit Segen von Nahles. Lautstark hatte sie verlangt: "Maaßen muss gehen und er wird gehen." Nun muss sie ein zwiespältiges Ergebnis mittragen. Einerseits hat die SPD-Chefin zwar erreicht, was sie und andere Sozialdemokraten gefordert hatten: Maaßen, der seit 2012 an der Spitze des Bundesamts für Verfassungsschutz stand, ist seinen Posten los. Die Nachfolge soll zeitnah entschieden werden.

Andererseits muss Nahles die Kröte schlucken, dass Maaßen mit der Versetzung auf den Staatssekretärs-Posten auf Wunsch seines Vorgesetzten und Unterstützers Seehofer karrieremäßig aufsteigt. Andernfalls hätte dem Bundesinnenminister und CSU-Chef ein Gesichtsverlust gedroht.

Mit der Lösung verbunden ist für Maaßen auch ein kräftiger Anstieg in der Besoldungsstufe - von bisher B9 (11 577,13 Euro) auf B11 (14 157,33 Euro). In der SPD sind viele fassungslos - besonders Vertreter des linken Flügels. Von Satire ist dort die Rede. Ein Genosse flüchtet sich in Galgenhumor: "So sind wir. Wir setzen uns immer für Arbeitnehmer ein." Nahles könnte der Scheinsieg noch ziemlich auf die Füße fallen.

Gerade die SPD-Linke fand zuletzt, das Maß um Maaßen sei mehr als voll. Man könne keinen Rechtsruck in der Regierung mittragen und nach dem von der CSU erzwungenen härteren Asylkurs im Juni auch noch einen Verfassungsschutzchef im Amt halten, der in Zeiten eines erstarkenden Rechtsextremismus nicht über jeden Zweifel erhaben sei, hieß es.

Nahles muss zudem ertragen, dass Seehofer Maaßen in der auch von ihr mitgetragenen Erklärung zur Koalitionseinigung ausdrücklich lobt. "Seehofer schätzt seine Kompetenz in Fragen der öffentlichen Sicherheit", steht dort nun schwarz auf weiß, auch wenn betont wird, Maaßen werde nicht für die Aufsicht über das von ihm bisher geführte Bundesamt für Verfassungsschutz zuständig sein. Das wäre dann wohl auch aus Sicht der Union zuviel der Zumutung für Nahles gewesen.

Seehofer hatte Maaßen nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur vor dem Treffen mit Merkel und Nahles über seine Pläne informiert. Der selbstbewusste Rheinländer dürfte am Ende sogar nicht ganz unzufrieden mit der Entscheidung seines Dienstvorgesetzten sein: Aus Sicherheitskreisen heißt es, Maaßen sei nach der Bundestagswahl unglücklich darüber gewesen, dass er bei der Verteilung der Staatssekretärsposten leer ausgegangen war.

Fassungslos reagiert die Opposition. Das Innenministerium dürfe keine Resterampe sein "für politisch unhaltbare Beamte", sagt Linksfraktionschef Dietmar Bartsch. Seinen Grünen-Kollegin Katrin Göring-Eckardt meint: "Das ist eine unfassbare Mauschelei. Wer illoyales Verhalten und Kuschelei mit der AfD belohnt statt ahndet, hat jedes Gespür für Anstand verloren. Und die SPD macht alles mit." Und die AfD meint, mit dem Wechsel Maaßens solle ein unbequemer Geist kaltgestellt werden. "Merkel hat einen weiteren Kritiker aus dem Weg geräumt", kommentiert Fraktionschefin Alice Weidel.

Knapp zwei Stunden hatten Merkel, Seehofer und Nahles gebraucht, um den zweiten Koalitionsstreit nach nur einem halben Jahr Regierungszeit vorerst abzuräumen. Hintergrund: Kaum jemand in der Bevölkerung hätte wohl verstanden, wenn die schwarz-rote Koalition an relativierenden Äußerungen eines Verfassungsschutz-Präsidenten zu fremdenfeindlichen Ausschreitungen in Chemnitz zerbrochen wäre. Schon gar nicht vor dem Hintergrund einer drohenden Neuwahl mit einem absehbaren weiteren Erstarken der AfD. Viele Bürger fragen sich sowieso, ob ein Herr Maaßen wichtiger ist als die Miete, die kaum noch zu zahlen ist.

Doch selbst wenn die Koalitionsspitze nun eine Lösung gefunden hat: Die Konflikte schwelen weiter - und wer weiß, was in der CSU nach der Landtagswahl in Bayern am 14. Oktober geschieht. Aber erst einmal hat jetzt die SPD-Spitze um Nahles und Vizekanzler Olaf Scholz ein Problem: An Stelle des erhofften Triumphs steht nun für viele Sozialdemokraten eine gefühlte Niederlage. Der Bundestagsabgeordnete Johannes Kahrs steht nach der Entscheidung jedenfalls ziemlich exklusiv mit seiner Bewertung da: "Die SPD setzt sich durch."

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