Brexit und kein Ende Theresa May misslingt Befreiungsschlag beim EU-Gipfel

Brüssel/London · Die EU kommt London mit einer Erklärung zum Brexit-Abkommen entgegen. Für Premierministerin May ist aber das nicht genug, um die Blockade im Parlament in London zu lösen. Was nun?

 Die britische Premierministerin Theresa May hat in Brüssel keine echten Fortschritte erreicht.

Die britische Premierministerin Theresa May hat in Brüssel keine echten Fortschritte erreicht.

Foto: Thierry Roge/BELGA

Es war nicht der erhoffte Befreiungsschlag für Theresa May: Die britische Premierministerin hat der Europäischen Union im erbitterten Streit über den Brexit zwar neue Zusicherungen zur irischen Frage abgerungen. Doch erhielt sie beim Brüsseler Gipfel weniger als erhofft.

May will noch mehr und weiter verhandeln. Nur reagieren die EU-Partner inzwischen ziemlich ratlos. Man wolle ja hilfreich sein, sagte Kanzlerin Angela Merkel zum Abschluss des Gipfels. Aber der Rahmen sei eben eng gesetzt.

Worüber wird hier gestritten? Es ist tatsächlich immer noch der sogenannte Backstop - die von der EU verlangte Garantie, dass zwischen dem EU-Staat Irland und dem britischen Nordirland keine neue feste Grenze mit Schlagbäumen und Kontrollen entsteht. Dafür steht im bereits fertigen Austrittsabkommen eine Sonderregel, die aber bei britischen Brexit-Hardlinern auf Widerstand trifft. Unter anderem deshalb ist die Ratifikation des Vertrags in Gefahr, und May fordert Hilfe der EU , um ein Scheitern abzuwenden.

Die EU hatte deshalb beim Gipfel am Donnerstagabend eine Erklärung beschlossen, dass dieser Backstop nur eine Versicherungspolice sei, die möglichst nie genutzt werden soll und wenn doch, dann nur übergangsweise. Eine echte Befristung, wie von den Brexiteers gefordert, sagte die EU aber nicht zu - das lehnt sie seit jeher ab mit dem Argument, dann sei der Backstop ja keine Notfallgarantie mehr.

May begrüßte die Zusagen der EU pflichtgemäß und meinte, sie seien weitreichend wie nie und hätten einen "rechtlichen Status". Doch aus Großbritannien kam ein verheerendes Echo. Britische Kommentatoren sprachen von einer Demütigung für May und einem "vernichtenden Schlag" gegen Mays Hoffnungen, das Brexit-Abkommen durchs Unterhaus zu bringen.

May sagte daraufhin, sie sei zuversichtlich, noch mehr EU-Zugeständnisse zu erhalten. "Weitere Klarstellungen sind tatsächlich möglich", betonte sie am Freitagnachmittag. Sie werde in den nächsten Tagen mit ihren EU-Kollegen weitere Gespräche führen.

Merkel ging darauf aber auf Nachfrage nicht ein. Die EU habe bereits versucht, die Sorgen Großbritanniens aufzunehmen, sagte die Kanzlerin. Die Zusicherungen fänden sich in der verabschiedeten Erklärung. Jetzt werde man sehen, wie May darauf reagiere, sagte Merkel. Zu dem Zeitpunkt hatte May allerdings schon reagiert und zwar mit Nachforderungen. Ob sie damit Erfolg haben wird, ist fraglich. EU-Diplomaten machten deutlich, dass erstmal nichts weiter geplant sei.

Wie angespannt die Atmosphäre war, wurde durch eine von Kameras eingefangene Unterhaltung zwischen May und EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker deutlich. Es ging um eine Aussage Junckers, er wünsche sich aus Großbritannien mehr Klarheit, manches sei nebulös. Journalisten interpretierten die Körpersprache als "verärgert". Juncker sah sich genötigt, selbst noch einmal darauf einzugehen. Er habe sich mit May ausgesprochen und am Ende habe sie ihn geküsst, sagte Juncker.

EU-Diplomaten berichteten, Mays Auftritt am Donnerstagabend habe die übrigen 27 Staaten nicht überzeugt, sondern eher befremdet. Zum einen habe die britische Regierungschefin von rechtsverbindlichen Zusicherungen gesprochen, was bei den übrigen Staats- und Regierungschefs als Wunsch nach Nachverhandlungen angekommen sei. Zum anderen habe sie nicht klar definieren können, welche Zusagen die Ratifizierung im britischen Unterhaus wirklich voranbrächten.

Belgiens Regierungschef Charles Michel sagte über Mays Auftritt: "Wir haben kein starkes Signal bekommen, dass das Parlament dies billigen wird." Die Ratifizierung in London sei sehr unsicher. "Es gibt gigantische Zweifel", sagte Michel. Auch der luxemburgische Ministerpräsident Xavier Bettel monierte: "In London ist noch ein bisschen so schwabbelig, wie es wirklich aussehen soll." Der irische Regierungschef Leo Varadkar zeigte sich zufrieden mit dem EU-Beschluss und lehnte Nachverhandlungen nochmals ab.

Es gibt auch in Großbritannien Zweifel, ob May noch eine Chance hat, das Abkommen zu ratifizieren. Der Premierministerin sei es offenbar nicht gelungen, entscheidende Änderungen am Brexit-Deal zu erreichen, twitterte der Brexit-Sprecher der oppositionellen Labour-Partei, Keir Starmer. Labour forderte, die diese Woche aufgeschobene Abstimmung über den Brexit-Deal im Parlament solle noch vor Weihnachten stattfinden. Die Regierung will das Votum erst im Januar abhalten. Am 29. März 2019 will Großbritannien die EU verlassen.

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