Fußball-Nationalmannschaft Manuel Neuer macht Fortschritte

Eppan · Bundestrainer Joachim Löw trifft Grundsatzentscheidung: Manuel Neuer fährt als Nummer eins zur WM oder gar nicht. Der lange verletzte Torhüter macht Fortschritte.

Auf dem von der Pressetribüne aus entfernten kleineren Platz sind sie gar nicht so leicht zu unterscheiden. Sie machen ja auch das gleiche. Sie fliegen, fangen, fausten. So viele Jahre tun sie das schon, dass jede ihrer Bewegungen so normal erscheint, wie bei Max Mustermann das Gehen. Zu viert hielten die Torhüter da im Training die Bälle, die ihnen nur so um die Ohren flogen: Manuel Neuer, Marc-André ter Stegen, Bernd Leno und Kevin Trapp. Doch aus dieser quirlig-hüpfenden Masse an Klassetorhütern gab sich einer plötzlich ganz genau zu erkennen. Blitzschnell ging der rechte Arm nach oben. Der Ball, aus kurzer Distanz abgefeuert, flog nicht dahin, wo er laut Regelwerk hingehört: ins Tor. Es konnte nur Manuel Neuer sein, dem dieser Arm, neben seiner stattlichen Statur und seinem immer noch etwas jungenhaften Gesicht, spätestens seit der WM in Brasilien quasi als Erkennungszeichen dient.

Vier Jahre ist es her, dass Neuer mit einer unglaublichen Parade im WM-Viertelfinale gegen Frankreich ein Geschoss abwehrte und damit die Deutschen im Turnier hielt. Wenn man es genau nimmt, gehört dieser rechte Arm ebenso ins Dortmunder Fußballmuseum wie Mario Götzes linker Schuh (das aber würde dem Münchner Torhüter wohl weniger gefallen). Beim rechten Arm Neuers ist also alles beim Alten, was sich von seinem linken Fuß streng genommen nicht behaupten lässt.

Vor acht Monaten zog er sich einen Haarriss im Mittelfuß zu, der mehr und mehr zur Achillessehne wird. Vor Jahren, in seiner Zeit auf Schalke, erlitt er die gleiche Verletzung, damals rechts. Er ließ sich eine Platte einsetzen, und weil das so gut funktionierte, versuchte er es nun auf der anderen Seite gleich noch mal. „Ich bin ein Freund davon, während der Karriere alles drinzulassen, auch, um unnötige Pausen zu vermeiden“, sagte Neuer einmal, der sich zum dritten Mal mit den Folgen eines Mittelfußbruchs plagen muss.

Der Beste seines Fachs

Neuer steht seit Jahren in dem Ruf, der Beste seines Fachs zu sein. Kein Wunder also, dass ihn Joachim Löw trotz der vielen Monate ohne Wettkampf mit ins Trainingslager nach Eppan nahm. Für den Bundestrainer ist Neuers Status unumstritten. Er wird bei der WM die Nummer 1 sein, falls er zur Reisegruppe gehört. „Ja, das denke ich schon“, sagte Löw. „Das war Manuel bislang immer.“

Vor einigen Tagen bei der Kaderbekanntgabe in Dortmund unterstrich der DFB-Coach noch einmal den Stellenwert des mehrfachen Welttorhüters für die Mannschaft, aber auch für ihn persönlich. „Er ist mein Kapitän“, sagte er mit einigem Entsetzen, als sei das in der Abwesenheit des Torwarts in Vergessenheit geraten. Der Aufschub für Neuer in der Frage „Spielen oder Nichtspielen“ scheint sich zu lohnen.

Er macht offenbar ganz ordentliche Fortschritte in Südtirol. In seiner Gewandtheit erinnert er an jenen Torhüter, der vor vier Jahren in Brasilien alle anderen Branchengrößen in den Schatten stellte. „Er ist voll bei uns eingestiegen und kann alle Belastungen tolerieren“, berichtete Löw. „Es gib keinerlei Probleme.“ Die Nummer 1 lebt also. Aber wenn doch? „Wir werden dann offen und ehrlich reden, ob es möglich ist, eine WM zu spielen“, sagte Löw.

Fuß und Wade

Ein wenig erinnert die öffentliche Erregung um den Fuß der Nation an die Wade der Nation. Die gehörte einmal Michael Ballack und hielt das Land hin und wieder in Atem. Ganz plötzlich werden Gespräche auf der Pressetribüne unterbrochen, wenn Neuer in Aktion tritt. Alles ist von höchstem Interesse. Jede seiner Bewegungen ein Ereignis. Als er sich einmal waghalsig in ein Duell mit dem verdutzten Leverkusener Jonathan Tah stürzt, herrscht eine vibrierende Stille. Erleichterung dann, als der 32-Jährige unversehrt wieder aufsteht.

An diesem Montag und am Mittwoch könnte Neuer in den Übungsspielen gegen die deutsche U20-Auswahl zeigen, wie belastbar er tatsächlich ist. Der Test am 2. Juni gegen Österreich wird dann endgültig Aufschluss geben. „Ein Torwart ist ja ein bisschen sensibel“, sagte Löw. Die Abläufe bei Flanken, in der Reaktion, in der Beweglichkeit – auch das müsse „auf sehr gutem Niveau sein“, betonte der Bundestrainer. Wenn es mit Neuer nicht klappen sollte, habe er in Marc-André ter Stegen und den beiden anderen nominierten Torhütern „gute Alternativen“. In den Schlussmann aus Barcelona hätte er „volles Vertrauen“. Aber ter Stegen wisse auch, „wenn Manuel gesund ist, hat er einen kleinen Vorteil“. Na dann muss ja nur noch einer mitspielen: der Fuß der Nation.

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