Fußball-EM Wo der Weltmeister einfach Jogi sein kann

Schönau · Ein Besuch in Schönau, dem Heimatort von Joachim Löw. Der Bundestrainer ist Ehrenbürger, das Stadion trägt seinen Namen und manchmal ist er auch im Freibad anzutreffen. Sein Bruder betreibt das Vereinsheim.

 Eine überdimensionale Plakatwand mit dem Konterfei des Weltmeister-Trainers schmückt die Ortseinfahrt von Schönau. Auch das Stadion seines Heimatclubs FC Schönau trägt den Namen des Bundestrainers und Ehrenbürgers.

Eine überdimensionale Plakatwand mit dem Konterfei des Weltmeister-Trainers schmückt die Ortseinfahrt von Schönau. Auch das Stadion seines Heimatclubs FC Schönau trägt den Namen des Bundestrainers und Ehrenbürgers.

Foto: Hain

Peter hat eigentlich immer geöffnet. Na, zumindest fast. An sechs Tagen in der Woche empfängt er seine Gäste. Irgendwer findet sich dann immer ein in seinem Lokal. Schon am frühen Nachmittag sitzt ein Männer-Quartett am Tisch und drischt Karten. „Die treffen sich immer hier“, sagt Peter. Es ist ein besonderes Lokal, das er da betreibt. Genau genommen ist es ein Vereinsheim. Ein besonderes Vereinsheim. Denn es liegt direkt an einem Stadion, das einen berühmten Namen trägt: Jogi Löw. Nicht Joachim, nein, denn der Trainer des Weltmeisters wird hier in dem 2400-Seelen-Ort im südlichen Schwarzwald, Landkreis Lörrach, im oberen Wiesental, nur „unser Jogi“ genannt. Sie kennen ihn hier, von klein auf. Joachim Löw ist dort geboren und aufgewachsen. Und Peter, von allen nur Pit genannt, kennt ihn besonders gut: Er ist sein Bruder, der außer dem Vereinsheim des Jogi-Löw-Stadions, gleich neben dem Rewe-Markt, das Freibad betreibt.

Am ganz großen Rummel – wie nach dem WM-Titelgewinn in Brasilien, der eimerweise Fans und Medienvertreter in das Städtchen spülte – sind die Leute aus Schönau nicht besonders interessiert. „Absolut“ nicht, so würde es der Bundestrainer selbst ausdrücken. Sie mögen ihre Ruhe in dem beschaulichen Ort, umrandet von waldigen Hügeln. Obwohl: Ihren Stolz auf den Sohn der Stadt tragen sie schon sichtbar vor sich her. Am Ortsein- und ausgang haben sie ihren Jogi auf Plakattafeln verewigt. Darauf steht geschrieben: „Schönauer Weltmeister! Wir sind stolz auf dich! Jogi Löw!“ Drei Mal Ausrufezeichen. Das Konterfei Löws, die vier Sterne, der Goldpokal, und natürlich die Häuser Schönaus – klar, das alles darf darauf nicht fehlen. Doch nach gerade einmal zwei Jahren ist das Bildnis des Bundestrainers verblasst. Die Haare des dunkelhaarigsten 56-Jährigen des Landes wirken ergraut. Der WM-Pokal hat seinen Glanz verloren.

Im Stadtrat habe man schon darüber diskutiert, erzählt Werner Hornig. „Sie haben sich entschieden, die Tafeln stehen zu lassen.“ Na ja, vielleicht hoffen sie, sie bald ersetzen zu können: nach der Europameisterschaft. Vielleicht bekommt er dann endgültig ein Denkmal gesetzt in seiner Heimatstadt, ihr Jogi. Hornig erzählt gerne, von früher, wie das war, als er mit Joachim Löw und dessen drei Brüdern, neben Peter sind das Markus und Christoph, aufwuchs. Joachim ist der Älteste, quasi der Vorstand der Viererbande.

Fußball gespielt haben die Jungs fast alle in Schönau. „Für uns gab's nichts anderes“, sagt Hornig, Markus' bester Freund. In der Freizeit haben sie sich bei den Löws im Hof getroffen – zum Fußballspielen auf sandigem Boden. Das Löw'sche Elternhaus aber gibt es inzwischen nicht mehr, es musste einem Neubaugebiet weichen. In der Jugend spielten die Jungen beim TuS Schönau, der nach einer Fusion heute FC Schönau 08 heißt. Im ganzen Kreis, berichtet Hornig, „haben sie vor uns gezittert, selbst die großen Vereine aus Freiburg“. Kein Wunder also, dass auch den größeren Clubs das Talent der Löw-Lauser nicht verborgen blieb. Joachim wechselte nach der B-Jugend mit 17 zu Eintracht Freiburg, später dann zum SC, dort wurde er Profi. Auch Markus schaffte den Sprung.

Aber Jogi, sagt Hornig, war „immer schon der Beste“. Neben dem SC Freiburg spielte er unter anderem für den VfB Stuttgart, Eintracht Frankfurt und den Karlsruher SC, wurde Spielertrainer, Trainer, Weltmeister. Doch Jogi ist Jogi geblieben, so empfinden es Hornig und die anderen Schönauer. Bei seinen Besuchen in der Heimatstadt, deren Ehrenbürger er seit dem vergangenen Jahr ist, gibt sich Löw nahbar. Bodenständig. Wie eh und je. „Und die Leute lassen ihn in Ruhe“, meint Hornig, Besitzer eines Reisebüros im Zentrum.

Wenn Jogi seinen Wagen gleich um die Ecke seines Geschäfts parkt, wissen alle: Er ist oben. Oben, das ist direkt über der Sparkasse. Oben, dort wohnt Hildegard Löw, die Mutter. „Jogi kommt ab und zu vorbei und isst bei ihr zu Mittag“, erzählt Hornig. „Ich bin hier zu Hause. Aus Schönau komme ich her“, sagte Löw selbst einmal. „Und hierher komme ich auch gerne zurück.“ Lange muss er dabei nicht fahren von seinem Wohnort Wittnau bei Freiburg, 40 Kilometer liegt er entfernt.

Im Sommer lässt er sich auch schon mal im Schönauer Freibad blicken. Löw ist dann wieder der Schönauer, der er früher war. Er geht auf die Leute zu. „Wir reden aber nicht nur über Fußball“, sagt Hornig. Natürlich kommt der Bundestrainer um das Autogrammeschreiben nicht herum, aber er macht das gerne. Ab und zu ist der berühmte Sohn der Stadt auch zu Besuch bei seinem Bruder Peter. „Auf einen Rotwein und einen Espresso“, meint Hornig, Fan von Borussia Dortmund. Die Familie klebe eben zusammen „wie Pech und Schwefel. Da war die Mutter immer hinterher“. Der Vater verstarb vor Jahren.

Es ist anzunehmen, dass Hilde, wie sie genannt wird, ihren Söhnen diese Bodenständigkeit mitgegeben hat. „Starallüren hat der Jogi nie gehabt“, meint Hornig. Auf dem Platz allerdings, da habe er sich schon etwas getraut, nach dem Spiel aber habe er nie die „große Röhre gemacht“. In Schönau mögen sie das. Deswegen werden sie sich die Spiele der Nationalmannschaft wieder anschauen, wenn bald die EM beginnt. Etwa bei Pit, an dessen Wänden im Clubheim viele Fotos von Klein-Jogi hängen, auch ein Foto mit ihm und Angela Merkel. Dann werden sie die Partien aus Frankreich in einem eigens ausfgebauten Zelt auf der Leinwand schauen. Nur nicht Peter Löw. Der muss arbeiten. In der Küche. Als Koch.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Berechtigte Ausgrenzung
Kein Platz für Müller im DFB-Team Berechtigte Ausgrenzung
Aus dem Ressort