Kommentar zu Frankreichs WM-Titel Die deutschen Franzosen

Meinung | Moskau · Frankreich ist ein würdiger Weltmeister. Trainer Didier Deschamps hat ein junges Team zusammengestellt, dass zwar nicht gezaubert, aber durch Effizienz überzeugt hat, findet GA-Redakteur Gert auf der Heide.

Auch wenn der Außenseiter immer einen gewissen Sympathiebonus genießt – Frankreich ist ein würdiger Weltmeister. Nicht begeisternd, sondern beeindruckend.

Trainer Didier Deschamps hat ein Team zusammengestellt, das vor Talent überbordet, aber er kanalisierte dieses Talent, bändigte es, lenkte es in geordnete Bahnen. Da war nichts Wildes, nichts Unkontrolliertes. Frankreich spielte, wie Deschamps, der Weltmeister von 1998, selbst gespielt hat: strategisch, energisch, effektiv. Beispielhaft dafür steht Stürmer Olivier Giroud, der in diesem Turnier zwar ohne Tor blieb, aber nach hinten arbeitete wie ein Verteidiger.

Der Zweck heiligt die Mittel. In Frankreich sah das zwar nicht jeder so, als sich die Equipe Tricolore in der Vorrunde zu einem 2:1 gegen Australien, zu einem 1:0 gegen Peru und zu einem 0:0 gegen Dänemark würgte, aber heute wird das allen egal sein. Frankreich ist Weltmeister. Zum zweiten Mal und zum ersten Mal nach 20 Jahren – damals noch mit Deschamps im Mittelfeld. Nach dem Brasilianer Mario Zagallo und Franz Beckenbauer ist er erst der Dritte, der als Spieler und Trainer Weltmeister wurde.

Das Endspiel komprimierte noch einmal die französische Turnierleistung. Zu Beginn ein wenig Glück, als die Mannschaft von einem Eigentor und einem zweifelhaften Elfmeter profitierte. Am Ende eiskalt und gnadenlos effektiv. Beinahe deutsch.

Wenn da nicht dieser Weltmeisterfluch wäre, stünde der Favorit für 2022 bereits fest. „Les Bleus“ sind jung, beinahe absurd jung. Kylian Mbappé, der Spieler, der die Fantasie am meisten beflügelt, ist erst 19. Er und viele seiner Mitspieler haben noch einige Turniere vor sich.

Kroatien wird dagegen ein One-Hit-Wonder bleiben. Die meisten Leistungsträger, vor allem der famose Stratege Luka Modric, sind schon um die 30. Russland 2018 war ihre Chance. Bis dieses kleine Land die nächste Chance auf den Weltmeistertitel bekommt, ist Kylian Mbappé womöglich längst französischer Nationaltrainer.

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