Sommermärchen-Affäre WM 2006: Kein Verfahren gegen ehemalige DFB-Funktionäre

Frankfurt/Main · Die ehemaligen DFB-Funktionäre Niersbach, Zwanziger und Schmidt haben in der WM-Affäre einen juristischen Erfolg erzielt. Das Frankfurter Landgericht wird kein Hauptverfahren gegen sie wegen des Vorwurfs der Steuerhinterziehung eröffnen. Der DFB kann auf Millionen hoffen.

 Wolfgang Niersbach (l) und Horst R. Schmidt müssen sich nicht wegen des Vorwurfs der Steuerhinterziehung verantworten.

Wolfgang Niersbach (l) und Horst R. Schmidt müssen sich nicht wegen des Vorwurfs der Steuerhinterziehung verantworten.

Foto: Daniel Karmann

Die dunklen Schatten über dem Sommermärchen sind zwar immer noch nicht vertrieben, aber zumindest juristisch müssen die früheren DFB-Präsidenten Wolfgang Niersbach und Theo Zwanziger sowie Ex-Generalsekretär Horst R. Schmidt wohl keine Konsequenzen mehr befürchten.

Das Landgericht Frankfurt lehnte die Eröffnung eines Hauptverfahrens gegen die drei ehemaligen Spitzenfunktionäre ab, die im Zusammenhang mit der Weltmeisterschaft 2006 wegen des Vorwurfs der Steuerhinterziehung angeklagt worden waren. Der DFB darf nach dieser Entscheidung mit Rückzahlungen aus der Steuerkasse von rund 20 Millionen Euro rechnen.

"Die Kammer hat keinen hinreichenden Tatverdacht gesehen", sagte ein Landgerichtssprecher der Deutschen Presse-Agentur. Er verwies aber darauf, dass die Staatsanwaltschaft innerhalb von einer Woche noch Beschwerde gegen die Entscheidung einlegen kann. "Das wird geprüft", bestätigte eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft.

Die Anwälte von Schmidt sehen sich damit in ihrer Auffassung bestätigt, dass sich ihr Mandant nichts zu Schulden kommen ließ. "Wie die Verteidigung bereits vom ersten Tag der Ermittlungen - vor drei Jahren - vorgetragen hat, hat Herr Schmidt sich zu keinem Zeitpunkt strafbar gemacht", hieß es in einer schriftlichen Erklärung seiner Anwälte. Das Gericht sehe in dem "sorgfältig begründeten Beschluss keinerlei Anhaltspunkte" für die durch die Anklage der Staatsanwaltschaft unterstellte Steuerhinterziehung: "Damit bleibt es dabei: Das Sommermärchen 2006 war die beste WM aller Zeiten", meinen die Anwälte.

Der einstige DFB-Chef Zwanziger hielt sich mit der Kommentierung zurück, kündigte aber eine ausführliche Erklärung dazu an. "Ich habe das zur Kenntnis genommen. Ich werde mich in Ruhe mit meinem Anwalt besprechen. Und mich dann äußern", sagte er. "Das wird nicht heute und nicht morgen sein, aber wahrscheinlich noch in dieser Woche. Da besteht überhaupt keine Eile." Die Staatsanwaltschaft habe ja noch die Möglichkeit zur Beschwerde. Sein Nachfolger im DFB-Präsidentenamt, Wolfgang Niersbach, äußerte sich zunächst nicht.

Niersbach, Zwanziger und Schmidt war in der Anklage vorgeworfen worden, die Rückzahlung von 6,7 Millionen Euro im Zuge der WM-Organisation an den Weltverband FIFA verschleiert zu haben. Dadurch sei eine falsche Steuererklärung für das WM-Jahr 2006 abgegeben worden. Körperschafts-, Gewerbe- und Umsatzsteuern sowie Solidaritätszuschlag seien in Höhe von über 13,7 Millionen Euro zugunsten des DFB verkürzt worden, lautete der Vorwurf der Staatsanwaltschaft. Dem folgten die Richter des Landgerichts nicht: Nach Informationen der "Welt" geht aus ihrem Beschluss hervor, dass diese 6,7-Millionen-Euro-Zahlung des WM-Organisationskomitees "steuermindernd geltend" gemacht werden durfte.

Bestätigt sieht sich der DFB durch die Entscheidung des Landgerichts Frankfurt in seiner Rechtsauffassung, dass es sich bei den 6,7 Millionen Euro um eine "Betriebsausgabe" handele. "Wir hoffen, dass es gelingt, möglichst schnell Rechtssicherheit im Besteuerungsverfahren herzustellen und die Frage der Gemeinnützigkeit für den betreffenden Zeitraum abschließend zu klären", erklärte DFB-Präsident Reinhard Grindel.

Bei der Veröffentlichung der Bilanz für das Geschäftsjahr 2017 am Anfang des Monats hatte der DFB mitgeteilt, ein negatives Ergebnis von 20,3 Millionen Euro verzeichnet zu haben. Als Hauptgrund war dabei die Nachzahlung an das Finanzamt Frankfurt im Zuge der WM-Affäre von 22,57 Millionen Euro genannt worden. Möglicherweise kann der DFB nun wieder hoffen, diese Summe zurückfordern zu können.

Die Entscheidung ist ein Befreiungsschlag für den DFB und seine Ex-Funktionäre. Doch die moralischen Zweifel an der Integrität der WM-Beschaffer um den weiter schweigenden Franz Beckenbauer bleiben. Der gesamte Skandal geht auf ein Darlehen in Höhe von umgerechnet 6,7 Millionen Euro zurück, das der WM-Organisationschef Beckenbauer 2002 von dem früheren Adidas-Chef Robert Louis-Dreyfus erhielt.

Beckenbauer und sein damaliger Manager Robert Schwan leiteten das Geld auf ein Konto in Katar weiter, das zum Firmengeflecht des damaligen und nachweislich korrupten FIFA-Funktionärs Mohamed Bin Hammam gehörte.

Der DFB konnte auch durch den aufwändigen Bericht der Kanzlei Freshfields den Grund für die Zahlungsflüsse nicht klären. Weiterhin wird daher spekuliert, es könnte sich um Bestechungszahlungen für FIFA-Wahlmänner im WM-Vergabeprozess oder um eine Finanzspritze für den Wahlkampf des damaligen FIFA-Chefs Joseph Blatter handeln. Alle Beteiligten weisen alle Vorwürfe für Fehlverhalten zurück.

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