Bonner Stadtsportbund-Vorsitzende Ute Pilger sieht Olympia-Bewerbung für 2032 positiv

Bonn · Bäderkonzept, Sportentwicklungsplan und ein Haus des Sports in Bonn: Die Herausforderungen, vor denen die neue Vorsitzende des Stadtsportbundes Ute Pilger steht, sind vielfältig. Im GA-Interview äußert sie sich zur aktuellen Situation des Bonner Sports.

 Seit Mai an der Spitze des Bonner Stadtsportbundes: Ute Pilger.

Seit Mai an der Spitze des Bonner Stadtsportbundes: Ute Pilger.

Foto: Horst Müller

Wechsel an der Vorstandsspitze: Ute Pilger wurde Ende Mai zur neuen Vorsitzenden des Bonner Stadtsportbundes gewählt. Mit ihr und Geschäftsführer Bernd Seibert sprach Sabrina Bauer über die Zusammenarbeit, das Sportentwicklungskonzept und die Förderung des Spitzensports.

Frau Pilger, Sie sind 100 Tage im Amt, Zeit eine erste Bilanz zu ziehen. Wie war der Start?

Ute Pilger: Ich hatte schon immer mit Sport zu tun, aber überwiegend nur mit Schwimmen. Jetzt ist es spannend, die vielen verschiedenen Facetten des Bonner Sports kennenzulernen. Mir hat geholfen, dass es von meinem Vorgänger Michael Scharf große Unterstützung gab, aber auch von der Geschäftsstelle. Das ist insgesamt ein tolles Team. 40 Tage meiner Amtszeit waren Sommerferien, die echten Herausforderungen und Projekte stehen nun im Herbst an: Sportentwicklungsplanung, Bäderkonzept und das Förderprogramm des Landes „Moderne Sportstätten 2022“.

Was war Ihre erste Amtshandlung?

Pilger: Das war eine sehr schöne. Ich durfte meinen gesamten alten Vorstand im Amt bestätigen. Alle haben sich entschieden, die Aufgabe mit mir als Team weiterzuführen. Wir haben bei den ersten Sitzungen über die Aufgabenverteilung gesprochen und uns teilweise neu sortiert.

Sie haben das Amt von Michael Scharf übernommen, der sechs Jahre an der Spitze des SSB stand. Was wollen Sie von ihm übernehmen, was wollen Sie anders machen?

Pilger: Michael und ich kennen uns schon seit der Jugend. Wir haben zusammen Sport bei den SSF gemacht und auch auf der Funktionärsebene dort zusammengearbeitet. Mir ist im Sport wichtig, dass man offen und ehrlich diskutiert. Das haben wir während der Zeit bei den SSF immer geschafft – auch wenn wir nicht immer einer Meinung waren. Sportler können das gut. Wir haben jedoch erlebt, wie es ist, wenn es eine andere Seite nicht kann.

Was meinen Sie genau?

Pilger: In der Bäderdiskussion ist vieles sehr unschön gelaufen. Hätten beide Seiten fair gespielt, wäre der Bürgerentscheid zum Wasserlandbad wahrscheinlich anders ausgegangen. Die Fairness möchte ich aber nicht missen. Es ist am Ende des Tages immer besser, fair und ehrlich gekämpft zu haben, als irgendwann unsportlich zu werden – das werde ich auch weiterhin so tun. Das hat auch Michael ausgezeichnet. Ohne seinen Einsatz wäre der Bonner Sport so nicht zusammengekommen.

Werden Sie dennoch andere Schwerpunkte setzen?

Pilger: Nein. Die Projekte, die Michael angefangen hat, müssen wir nun weiterführen. Aber wir haben es nun deutlich einfacher in der Zusammenarbeit mit der Verwaltung – auch dank der neuen Sport- und Kulturdezernentin Birgit Schneider-Bönninger. Sie ist dem Sport deutlich zugewandter.

Bernd Seibert: In der Vergangenheit stand oft der Konflikt „Kultur gegen Sport“ im Mittelpunkt – aber das war es nie. Es ging uns immer ausschließlich um die Ungleichheit in der Mittelverteilung. Es gibt viele Gemeinsamkeiten und beides ist wichtig für unsere Stadt. Es funktioniert aber nur, wenn beide Parteien gleichwertig behandelt werden. Wir wären froh, wir müssten keine Neiddebatte mehr führen.

Auf der Internetseite des SSB zeigt eine Uhr die verstrichene Zeit seit dem Bürgerentscheid zum Wasserlandbad an. Was halten Sie von dem aktuellen Bürgerbeteiligungsverfahren?

Pilger: Wir sehen das Bürgerbeteiligungsverfahren kritisch. Natürlich ist es ein demokratisches Verfahren und wir werden uns entsprechend einbringen. Es wird jedoch schwierig für die 100 Bürger sein, die Komplexität des Themas innerhalb von vier Tagen zu durchblicken – das wird nicht funktionieren. Unsere größte Sorge ist allerdings, dass es einen neuen Bürgerentscheid geben könnte und das Thema wieder aufgeschoben wird. Die Politik hat es sich einfach gemacht und die Ideenfindung nun an die Bürger abgegeben. Dabei haben sich die Wünsche der Bevölkerung und der Vereine seit 2016 nicht verändert. Feststeht, egal wie das neue Bäderkonzept aussehen wird, es muss am Ende bezahlbar bleiben.

Seibert: Die Entscheidung gegen das Wasserlandbad tut immer noch richtig weh. Von der Grundidee her war das Wasserlandbad ein Kompromissvorschlag, um etwas in der 20-jährigen Bäderdiskussion zu ändern. Die Bürger, die jetzt zu dem Verfahren eingeladen wurden, können keine Idee zu Papier bringen, die es in den vergangenen 20 Jahren nicht schon einmal gab. Es bleibt zu hoffen, dass durch das Verfahren der Druck auf die Politik nun so hoch wird, dass auch die entsprechenden Gelder für eine mögliche Lösung endlich zur Verfügung gestellt werden.

Problematisch ist in Bonn nicht nur die Bädersituation, auch die Sporthallen und Plätze sind marode...

Pilger: Der Sportentwicklungsplan ist in der finalen Abstimmungsphase. Die Zusammenarbeit zwischen Stadtsportbund und Stadt war dabei durchweg positiv. Wir erwarten, dass wir die Handlungsempfehlungen gemeinsam Stück für Stück angehen. Uns ist bewusst, dass sich die Liste nicht innerhalb von drei Jahren abarbeiten lässt, dennoch sollten die Maßnahmen in einem überschaubaren Zeitrahmen umgesetzt werden.

Seibert: Wir waren bei allen Entscheidungsgesprächen mit dabei, aber wir sehen auch, dass andere Kommunen deutlich schneller waren. Die Stadt Köln hat nach uns begonnen und ist seit April fertig. Der Sportentwicklungsplan sollte ursprünglich schon vor der Sommerpause im Sportausschuss vorgestellt werden und auch die angekündigte Sondersitzung nach den Ferien wird nicht erreicht. Sollte man die Sitzung im September auch nicht erreichen, muss eine Sondersitzung beantragt werden. Das Thema kann nicht bis Dezember warten.

Wie kommt diese Verzögerung zustande?

Seibert: Das Gutachten soll am Ende ein Arbeitspapier sein. Wenn im Vorfeld zu viel Abstimmungsbedarf besteht, ist es wichtig, die Punkte vor der Veröffentlichung zu klären. Daher ist es auch richtig, sich diese Zeit zu nehmen, aber irgendwann muss man auch liefern. Die Sportentwicklungsplanung darf auf keinen Fall zu einem Wahlkampfthema werden.

Fünf Vereine pflegen nun Kunstrasenplätze in Eigenregie. Lässt sich das Modell ausweiten?

Pilger: Ich halte das für einen guten Weg, zahlreiche Vereine sind bereit, mehr Verantwortung zu übernehmen. Es ist für beide Seiten ein Gewinn. Die Vereine werden für ihre Arbeit entlohnt und die Stadt kann Kosten einsparen. Für mich ist das Beispiel Sportpark Nord und SSF Bonn ein gelungenes Beispiel dafür, dass Vereine Sportstätten übernehmen können. Der Sportstättenvertrag war zwar eine große Verantwortung für die SSF, aber es läuft alles reibungslos. Man hat als Verein dadurch einen anderen Bezug zu seinem Trainingsort – auch das ist Vereinsleben.

Wie steht es um die Planungen für ein Haus des Sports?

Pilger: In einer Sportentwicklungsplanung ist ein solches Haus des Sports notwendig, um die Organisation zu erleichtern. Die Sport- und Kulturdezernentin unterstützt das Projekt, allerdings muss sich erst ein passendes Gebäude finden, um Büroräume, Spiel- und Sportgerätelager und eine Tagungsmöglichkeit für Vereine unterzubringen. In Essen gibt es zum Beispiel eine solche Einrichtung in einem alten Schulgebäude. Das Hauptaugenmerk liegt jedoch derzeit auf der Bäderfrage und dem Sportentwicklungsplan. Das Haus des Sports wird Thema bleiben, aber es ist etwas nach hinten gerückt.

Sie haben vor Ihrer Amtszeit gesagt, dass der Breitensport in Bonn gut aufgestellt sei und Sie stattdessen den Leistungssport fördern wollen. Wie soll das aussehen?

Pilger: Da sind wir auf einem guten Weg. Die AG Leistungssport Bonn/Rhein-Sieg stellt sich derzeit neu auf. Die Vereine in der Region wurden befragt, ob und in welcher Form sie Leistungssport betreiben und wie sich ihre Situation verbessern lassen könnte. Auf diese Umfrage gab es zahlreiche Rückmeldungen. Nun soll es ein Treffen mit den Vereinen geben. Daraus soll ein Netzwerk entstehen. Die Vereine haben oftmals die gleichen Probleme im Umfeld der Sportler. Es ist auch wichtig, dass sich die Vereine über die Kommunengrenzen hinaus kennen lernen, um etwa Trainingsgemeinschaften zu bilden. Aus dem Schwimmsport gibt es auch dazu ein positives Beispiel: Die Trainingsgemeinschaft der SG WaGo und der SSF Bonn besteht seit anderthalb Jahren und nahm in diesem Jahr mit so vielen Teilnehmern wie noch nie an den deutschen Meisterschaften teil. Das Beispiel zeigt, wie wichtig es ist, Vereine zusammen zu bringen. Wir müssen uns aber auch Gedanken darüber machen, wie wir erfolgreiche Sportler in Bonn und der Region halten können.

Seibert: Gerade für die Leistungssport treibenden Vereine in den sogenannten Randsportarten ist die AG wichtig. Es gibt viele regionale Vereine, die in unterschiedlichen Sportarten auf höchstem Niveau spielen, aber mit denselben Problemen zu kämpfen haben. Ich habe bisher unterschätzt, wie wenig die Vereine in Bonn und der Region voneinander wissen, dabei könnten sie sehr viel voneinander profitieren. Bei der AG soll es jedoch in erster Linie um ideelle, nicht um direkte finanzielle Hilfe gehen.

Was halten Sie von der Olympia-Bewerbung für 2032?

Pilger: Ich finde die Idee richtig gut. Es müsste allerdings weitere Infrastruktur geschaffen werden. Natürlich kann man einen mobilen Pool in die Schalke-Arena stellen, das wäre ein tolles Ambiente. Aber was bringt das zukünftig für den Sport? Die Veranstaltung soll schließlich eine gewisse Nachhaltigkeit aufweisen. Ich war in Rio und habe gesehen, wie die Olympischen Spiele dem Land geschadet haben. Sport hat heutzutage leider nicht mehr den Stellenwert, den er zum Beispiel noch bei den Olympischen Spielen 1972 in München hatte. Die Schwierigkeit wird sein, die nötige Akzeptanz in der Bevölkerung zu finden. Bei einer Fußball-WM wäre das anders – das finde ich schade.

Seibert: Ein Grund für die höhere Akzeptanz bei einer Fußball-WM ist sicherlich, dass die nötigen Stadien bereits vorhanden sind. Und genau deshalb finde ich den Ansatz der Initiative von Michael Mronz genau richtig. Ich halte Eingriffe in die Städte und die Natur wie teilweise bei vergangenen Olympiaden für unverantwortlich. Wenn man weiterhin Leistungssport möchte, dann muss man genau diesen Weg wählen – mit der Ausrichtung solcher Wettkämpfe in die Fläche gehen und die vorhandene Infrastruktur nutzen, aber auch verbessern und ausbauen.

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