Porträt - Brav war gestern TJ DiLeo entdeckt für die Baskets die Aggressivität

BONN · TJ DiLeo steht vor seiner zweiten Saison bei den Telekom Baskets Bonn. Unsere Autorin stellt den 27-Jährigen vor und erklärt, weshalb er für den Bonner Basketball-Bundesligisten so wichtig ist.

TJ DiLeo musste nach Bonn zurückkommen, ging gar nicht anders. „Das stimmt“, sagt er mit gespieltem Bedauern. Dann lacht er und begründet: „Auf meinem Wohnzimmertisch lag noch ein angefangenes Puzzle vom Bonner Münster, dem der komplette Himmel fehlte. Die ganzen gleich aussehenden blauen Teile habe ich so lange vor mir hergeschoben, bis die Saison zu Ende war.“

Sein Vertrag war der erste, den die Baskets verlängerten, der Guard unterschrieb bis 2019. Der 27-Jährige gehörte zu denjenigen, die den Spaß am Basketball nach einer gruseligen Saison zurück auf den Hardtberg brachten. Ein zartes Pflänzchen, das im Laufe der Saison wuchs. „TJ ist jemand, der auch im Verborgenen immer alles gegeben hat, ehe die große Bühne sich für ihn öffnete“, sagte Baskets-Sportmanager Michael Wichterich anlässlich DiLeos Wahl zum GA-Sportler des Monats Mai.

„Die Fans haben von Anfang an ein Gespür dafür gehabt, was er leistet – und es honoriert.“ Entsprechend groß war die Freude über die Rückkehr des zurückhaltenden Publikumslieblings, der auf dem Feld in seiner Rolle geradezu explodierte – und es wäre nicht verwunderlich, wenn er danach seinen Kollegen wieder höflich die Kabinentür aufgehalten hätte.

Er fühlt sich wohl in Bonn, hat in der vergangenen Saison einen großen Schritt vorwärts gemacht. Das eine ist Voraussetzung für das andere. „Ich muss mich wohlfühlen, um ans Limit und darüber hinaus zu gehen.“ Genau so hatte er sich das erhofft, als er vor der vergangenen Saison aus Gießen an den Rhein wechselte. „Wenn ich auf Saisonstart und -ende blicke, dann muss ich sagen: Ich bin als Spieler gewachsen, deshalb war die Saison für mich persönlich ein großer Erfolg.“

Großen Anteil daran schreibt er Trainer Predrag Krunic zu: „Seine Philosophie ist, unser Selbstbewusstsein zu stärken. Ganz einfach.“ Unterschrieben hatte TJ DiLeo noch unter Trainer Silvano Poropat, der dann erkrankte und zwei Tage vor Saisonstart durch Krunic ersetzt wurde: „Ein Ersatz als Glücksfall. Für den Verein, die Mannschaft und mich persönlich.“

Freundlich, ein bisschen zurückhaltend

Der Deutsch-Amerikaner ist in Düsseldorf geboren, Vater, Mutter, kleiner Bruder – allesamt Basketballer. TJ heißt eigentlich Anthony, und abgekürzt, wie sein Vater, Tony. Aus Tony junior wiederum wurde TJ. Tony senior ist der ehemalige Trainer der deutschen Frauen-Nationalmannschaft, der Bundesliga-Herren von Saturn Köln und des NBA-Teams der Philadelphia 76ers. TJs Mutter Anna spielte bei Agon 08 Düsseldorf sehr erfolgreich Basketball, und sein Bruder Max hat in der Sommerpause bei den Kölner Rheinstars in der zweiten Liga unterschrieben.

Das gefällt dem großen Bruder: „Ich wollte ihn nicht beeinflussen, aber ich freue mich, dass wir jetzt so nah beieinander sind.“ Das war nicht immer so. Wie bei den meisten Geschwistern war der Kleine manchmal lästig. Auf die Frage, wer das Katastrophenkind, das „trouble kid“, war, macht TJ DiLeo eine Kopfbewegung rheinabwärts. „Max wollte meistens mit uns Großen rumhängen, das ging nicht immer gut. Er war der mit den kaputten Knien und zerrissenen Klamotten und all das...“

Fragt man auf dem Hardtberg irgendwen, wie denn TJ DiLeo ist, wird in der Antwort immer das Wort nett vorkommen. Freundlich, ein bisschen zurückhaltend. Pünktlich, zuvorkommend. Gibt es überhaupt etwas, das seine Laune verderben kann? „Zu wenig Schlaf“, sagt er und lacht, aber dann wird er nachdenklich: „Die Nachrichten aus den USA. Die machen mich wütend.“ Sie einfach aus der Ferne zu ignorieren, ist für ihn keine Option.

„Nein ich verfolge das ganz genau, versuche aber meistens, meine Meinung für mich zu behalten.“ Er sagt das alles auf Englisch, während er sich sonst immer bemüht, möglichst viel Deutsch zu sprechen. „Aber ich finde diese Mentalität des Hasses, die sich da breit macht, grauenhaft. Und es ist hart, dass das von ganz oben vorgelebt und von so vielen Menschen unterstützt wird. Das macht mich wütend und traurig – und es macht mir auch ein bisschen Angst.“

Er denkt kurz nach. „Gleichzeitig verdeutlicht mir das wieder, wie glücklich ich darüber sein kann, wie ich aufgewachsen bin. Dass manche diese Möglichkeit nicht bekommen sollen, weil jemandem ihre Hautfarbe, Religion oder was auch immer nicht gefällt... Ich glaube nicht, dass das so vorgesehen war. Niemand ist wichtiger als ein anderer – aus welchen Gründen auch immer.“

"Ich will nicht mehr zögern"

Eine gute Überleitung für den Blick zurück auf den Basketballer DiLeo. Der letzte Satz passt auch zu seiner sportlichen Mentalität. Der umsichtige Spielmacher dachte immer zuerst an die anderen. Das haben sie ihm ein bisschen abgewöhnt – und es wurde Teil des Erfolgs. „Der Coach, Josh und Julian haben gesagt: Sei aggressiver, denk mehr an dich, nicht immer nur an die anderen. Das ist es, was wir von dir brauchen – also habe ich's gemacht.“

Er will die Balance finden zwischen dem smarten Spielmacher und Ballverteiler und dem egoistischen Punktesammler. Wobei egoistisch das falsche Wort ist, schließlich macht er auch das, weil es dem Team hilft. In der Sommerpause hat er am Punktesammeln gearbeitet, mit der Trainingsgruppe DiLeo, zu Hause in Cinnaminson, eine Viertelstunde außerhalb von Philadelphia. Nach drei Wochen Nichtstun, ausschlafen, Freunde treffen und Großeltern besuchen, ging es schon wieder in die Halle. Zum Beispiel am Dreier aus dem Dribbling hat er gefeilt und sich vorgenommen: „Ich will nicht mehr zögern.“

Seine Vorfreude auf die Saison basiert nicht alleine auf der Tatsache, dass jeder Sportler den Wettkampf mehr als das Training liebt, er glaubt, „das kann eine ganz besondere Saison für uns werden“. Inwiefern? „Wir haben unsere Stärken noch verstärkt, Konstantin Klein ist nach der Verletzung zurück, alle können mehrere Positionen spielen, wir sind noch variabler als vergangene Saison.“

Aber noch läuft nicht alles, als sei es lange eingespielt. Wie auch? „Wir spielen rasend schnell“, sagt DiLeo. Immer wieder taucht das Wort Balance auf: Balance zwischen aggressiver und smarter Defense, Balance im Einsatz der Energie. „In der Crunchtime muss noch genug übrig sein. Wenn uns all das gelingt, sind wir gefährlich an beiden Enden des Feldes.“

Zum Durchschnaufen zwischen all dem Tempo, dass die Baskets da offensichtlich gehen wollen, könnte doch die Suche nach blauen Puzzleteilchen ganz entschleunigend wirken. Schließlich wartet der Himmel über dem Münster noch darauf, dass er komplettiert wird.

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